Von Eiern bis Tomaten:Einkaufen vor Ort

Immer mehr Landwirte setzen auf Direktvermarktung auf dem eigenen Hof. Der Trend zu regionalen Produkten kommt ihnen entgegen. Aber der Einstieg will wohlüberlegt und geplant sein

Von Gerhard Wilhelm

Einkaufen direkt vom Erzeuger liegt im Trend. Immer mehr Landwirte setzen auf die Direktvermarktung ihrer Produkte. Der Hofladen, ein Stand auf dem Bauern- oder Wochenmarkt und der saisonale Verkaufsstand am Straßen- oder Feldrand zählen zu den Vertriebskonzepten. Aber der Einstieg in die Direktvermarktung will wohlüberlegt sein und hat nur bei umfassender Planung Erfolgsaussichten, wie Experten sagen. Dennoch haben ihn einige Landwirte im Landkreis in den vergangenen Jahren gewagt - und nicht bereut.

Sandra Mair von Wendl's Hofladen in Neuching ist sich sicher: "Die Leute setzen schon immer mehr auf regionale Produkte, sie wollen wissen, wo etwas herkommt und wie produziert wird, aber viele wissen gar nicht, dass man auf vielen Bauernhöfen direkt einkaufen kann. Oder dass es Bauernmärkte gibt". Wendl's Hofladen gibt es schon mehr als 15 Jahren und wenn man Mair danach fragt, wie die Geschäfte laufen, bekommt man ein kurzes "passt schon", es könnte aber auch besser laufen. Die Leute, die in Discountern einkaufen würden, würde man zwar wohl nie erreichen, aber gerade Familien würden inzwischen mehr Wert auf regionale Produkte legen. Fleisch- und Wurstwaren, Rohmilchschnittkäse, Liköre, fruchtige Brotaufstriche und Geräuchertes sind bei Sandra Mair zu kaufen - vor allem auf dem Erdinger Bauernmarkt. Aber wer sich vorher bei ihr melde, könne auch direkt auf den Hof kommen.

Von Eiern bis Tomaten: Die regionale Vielfalt spiegelt sich in den Hofläden wider. Der Vorteil für den Kunden: die Herkunft und die Frische sind garantiert und man lernt den Erzeuger selber kennen. Für den Landwirt stellt ein Hofladen ein finanzielles zweites Standbein dar. Aber auch erstmal Zeitaufwand und Investitionen.

Die regionale Vielfalt spiegelt sich in den Hofläden wider. Der Vorteil für den Kunden: die Herkunft und die Frische sind garantiert und man lernt den Erzeuger selber kennen. Für den Landwirt stellt ein Hofladen ein finanzielles zweites Standbein dar. Aber auch erstmal Zeitaufwand und Investitionen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Aus einer Leidenschaft wurde bei Barbara Franzl ein Hofladen mit rund 150 verschiedenen Tomatensorten, die sie entweder auf dem Bauernmarkt Dorfen oder in ihrem Hofladen in Grüntegernbach verkauft. Dort gibt es aber nicht nur geerntete Tomaten, sondern auch die Pflänzchen zu kaufen. "Dazu bin ich im Jahr 2000 gekommen. Seit 1994 verkaufe ich auf dem Dorfener Bauernmarkt Gemüse. Einen grünen Daumen hatte ich schon immer. In einem Katalog sah ich damals, wie viele Tomatensorten es gibt, neue und alte, vergessene. Und daraus entstand die Faszination für Tomaten." Und mit der sie im Landkreis wohl einmalig ist und von der nicht viele Kenntnis haben.

Spezialisiert hat sich auch die Familie Ippisch. Bei Werner und Gabi gibt das ganze Jahr über Eier von eigenen Legehennen und, wenn Saison ist, Erdbeeren und Himbeeren zum Selberpflücken auf dem Feld und bei Georg Ippisch Kartoffeln. Wobei der Eierverkauf damit anfing, dass ihre Kinder sich etwas zum Taschengeld mit Legehennen dazu verdienen wollten, wie Gabi Ippisch erzählt. Aus den paar Hennen wurden mehr und seit 2014 kann man rund um die Uhr einfach auf den Hof fahren, in die zum Laden umgebaute Garage gehen und sich die Eier nehmen - gegen Bezahlung in eine Kasse natürlich. "Das klappt besser als bei den Blumen auf dem Feld, jedenfalls ist uns noch nicht aufgefallen, dass Eier gestohlen wurden oder etwas in der Kasse fehlt."

Von Eiern bis Tomaten: Die Milch, die bei Martin Wegmann aus dem Automaten kommt, ist frisch und mit einem Euro auch nicht teurer als hochwertige Milch im Supermarkt.

Die Milch, die bei Martin Wegmann aus dem Automaten kommt, ist frisch und mit einem Euro auch nicht teurer als hochwertige Milch im Supermarkt.

(Foto: Renate Schmidt)

Mit dem Konzept hat auch Else Ippisch gute Erfahrungen gemacht, ihr Hofladen ist den ganzen Tag über auf. Gekauft werden können neben Gemüse vor allem Kartoffeln. "Mehrere Sorten aus eigenem Anbau, die auch je nach Boden verschieden schmecken", sagt Else Ippisch. Vor allem Stammkunden würden bei ihr einkaufen, "und immer mehr jüngere Familien".

Ein Alleinstellungsmerkmal hat Sieglinde Huber vom Finsinger Hofladen. Sie verkauft nicht nur mit ihrem Mann Martin so gut wie alles, was man an regionalen Produkten vorstellen kann - von Brot bis Wild -, sondern auch ein Buch, das sie selbst geschrieben hat: "40 - zwischen Pfirsichhaut und Lederapfel". Ein Euro von jedem Buch geht an den Bäuerlichen Hilfsdienst. Seit mehr als zwanzig Jahren existiert der Hofladen, "und Jahr für Jahr gibt es mehr bei uns zu kaufen, meistens auf Anregung der Kunden", sagt Sieglinde Huber. Zur Stammkundschaft würden immer mehr durch Mund-zu-Mund-Werbung in den Hofladen kommen - auch jüngere Familien.

Ebenfalls ein Alleinstellungsmerkmal hat Annemarie Stangl vom Stanglhof in Wörth: seit nunmehr elf Jahren gibt es bei ihnen ein Bauernhof-Eis. "Eigentlich wollten wir einfach nur was anderes machen, als was jeder Hofladen hat. In einem landwirtschaftlichen Wochenblatt sahen wir dann eine Anzeige über die Herstellung von sogenanntem Bauerneis im Franchisingsystem." Die Folge war, dass die Familie nach Neuötting fuhr, sich die Produktion des Eises ansah und beim Essen desselben zur einhelligen Meinung kam: "Das ist der Hammer". Doch bis sich das auch im Landkreis Erding herumgesprochen hatte, das dauerte. "Die ersten drei Jahre waren Hungerjahre", sagt Annemarie Stangl. Ab April beginnt bei den Stangls die Sommer-Saison. Das Eis kann dank einer Selbstbedienungstheke direkt auf dem Hof gekauft werden, bei einigen Lebensmittelhändlern oder beim mobilen Eiswagen, der von Mai an wieder diverse regionalen Veranstaltung wie zum Beispiel Straßen-, Vereins-, Sommer- und Maifeste anfährt. Rund 160 000 Euro hat die Familie in den elf Jahren investiert. Je nach Jahreszeit variiert das Eissortiment und wird ständig erweitert. Im Winter bieten die Stangls beispielsweise die Eissorten Lebkuchen, Spekulatius oder Trüffel-Rumeis an. Im Sommer gibt es Sorten wie Holunderbeere, Zwetschge, Birne, Apfel oder Johannisbeere und vieles mehr. Auf Wunsch wird aber auch Eis nach eigenen Wünschen zubereitet. "Billig ist das Eis nicht", gesteht Annemarie Stangl - meint aber eher die Zubereitung mit frischer Milch oder Sahne sowie mit eigenen oder regionalen Früchten. Es werden auch keine künstlichen Aromastoffe verwendet, betont Annemarie Stangl. Der größte Unterschied sei aber, dass im Gegensatz zum industriellen Eis nicht mit Luft aufgemischt werde. Deshalb befänden sich in einem 900 Gramm-Becher von großen Eisherstellern nur rund 470 Gramm, während es bei ihren 500-Gramm-Behältern 480 seien. "Bei uns geht das Eis bis an den Deckel und mindestens 52 Prozent ist reine Frucht." Dank des Selbstbedienungskonzeptes kann sich jeder rund um die Uhr Bauernhof-Eis von den Stangls holen.

Gabi Ippisch

"Das mit dem Bezahlen bei der Selbstbedienung klappt besser als bei den Blumen auf dem Feld. Jedenfalls ist uns noch nicht aufgefallen, dass Eier gestohlen wurden oder etwas in der Kasse fehlt."

Auf das Selbstbedienungsprinzip setzen auch die Wachingers in Oberding. Doch nicht nur Kartoffeln oder Eier, sogar Gemüse kann im Hofladen gekauft werden - wobei es eigentlich deshalb gar kein klassischer Laden mehr ist. "Für das Gemüse gibt es eine Waage und die Kilopreise hängen aus", sagt Sabine Wachinger. "Ein paar schwarze Schafe, die das ausnutzen und weniger oder nichts zahlen, gibt es immer, aber im Großen oder Ganzen sind die Leute ehrlich. Ehrlicher als bei den Schnittblumen, die auf dem Feld angeboten werden."

Ebenfalls spezialisiert und ein Sonderfall eines Hofladens sind die sogenannten Milchtankstellen. Davon gibt es zwei im Landkreis: einmal bei Martin Wegmann in Taufkirchen, Stadl 1, und beim Milchviehbetrieb Martin Schaidhammer in Dorfen, Bergham 3. Bei beiden gibt es, wie der Name schon sagt: Milch. Frische Rohmilch rund um die Uhr. Und das für einen Euro den Liter zum Beispiel bei Martin Wegmann, der seit September 2016 eine Milchtankstelle betreibt. Der Grund für die Direktvermarktung seiner Milch seien die niedigen Erzeugerpreise für Milch gewesen. "Zwar ist heute der Preis höher im Laden, aber wir Erzeuger bekommen davon wenig mit", sagt Wegmann. Das zweite Standbein funktioniert recht gut. "Mit 40 bis 45 Litern am Tag haben wir gerechnet, damit wir etwas verdienen können. Da liegen wir darüber." Mit dem Preis von einem Euro liege er im Durchschnitt für hochwertige Milch auch in Supermärkten. Zudem sei seine Milch so frisch wie nur möglich, da ein Milchautomat nur maximal 250 Meter vom Hof weg sein dürfe. Zugute komme ihm zudem die Lage direkt an der B388, was ihm auch Kunden zuführe, die zufällig durch die Schilder auf die Milchtankstelle aufmerksam werden.

Von Eiern bis Tomaten: Bei Barbara Franzl gibt es rund 150 verschiedenen Tomatensorten.

Bei Barbara Franzl gibt es rund 150 verschiedenen Tomatensorten.

(Foto: privat)

Ein Hofladen ist schnell gegründet, aber ob er läuft hängt von vielen Faktoren ab, weiß auch der Bayerische Bauernverband (BBV). Zuletzt hat er im Landkreis Erding deshalb Kurse zur "optimalen Hofladengestaltung" oder "erfolgreiche Verkaufsgespräche" angeboten. Weil Direktvermarkter, die ausschließlich Selbsterzeugtes von Bauernhöfen anbieten und auf Zukaufware aus dem Handel und der Nahrungsmittelindustrie verzichten für den Bauernverband Zukunft haben, wurde zum besseren Erkennen für die Verbraucher 1989 das Werbezeichen "Einkaufen auf dem Bauernhof" entwickelt und eine Fördergemeinschaft gegründet. Mit der kostenpflichtigen Mitgliedschaft wird der Landwirt in die Internetdatenbank www.einkaufen-auf-dem-bauernhof.com aufgenommen - mit Verlinkung zur eigenen Internetseite, er hat Zugang zu den Werbemitteln der Fördergemeinschaft wie Hoftafeln, Tragetaschen, Etiketten, Rezeptheften und vieles mehr und nimmt gebührenfrei teil an der Öffentlichkeitsarbeit des BBV teil.

Die Philosophie ist auch im Landkreis Erding zu sehen: "Das Streben nach Einzigartigkeit führt dazu, dass sich die Direktvermarkter auch untereinander unterscheiden. Individualität mit Unterschieden in Beschaffenheit und Geschmack der Lebensmittel sind bei Selbsterzeugtem von Bauernhöfen das gemeinsame Kennzeichen - im Unterschied zu Lebensmitteln aus der übrigen Ernährungswirtschaft, die meist in großen Mengen aus unterschiedlichsten Herkünften gehandelt beziehungsweise nach Einheitsrezepten für den großen, überregionalen Markt hergestellt werden."

Von Eiern bis Tomaten: Barbara Franzl verkauft entweder auf dem Bauernmarkt oder in ihrem Hofladen in Grüntegernbach.

Barbara Franzl verkauft entweder auf dem Bauernmarkt oder in ihrem Hofladen in Grüntegernbach.

(Foto: Privat)

Um Mitglied zu werden, muss der Hofladenbetreiber einige Auflagen erfüllen, zum Beispiel einen Abschluss in einem zur Agrarwirtschaft gehörenden Ausbildungsberuf haben oder einen Sachkundenachweis Pflanzenschutz beziehungsweise Nachweis über die ökologische Wirtschaftsweise. Und der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ist ebenso verboten wie die Ausbringung von industriellem, gewerblichem oder kommunalem Klärschlamm.

Auch das Amt für Landwirtschaft sieht Chancen in der Direktvermarktung der eigenen Produkte durch den Landwirt, rät aber: "Wer den Ausbau oder Einstieg in die Direktvermarktung überlegt, sollte sich gründlich informieren und planen", heißt es auf der Internetseite des Amtes. Unter anderem, was angeboten werden soll, wie und ob es Landwirte in der Nähe gibt, die das Gleiche anbieten, sagt Hella Mayr, zuständig für Ernährung und Haushaltsleistungen am Erdinger Amt. Angeboten werden deshalb mehrtägige Seminare, damit die Gründung eines Hofladens nicht im Desaster endet. Denn zu einem funktionierende Laden würde einiges an Fachwissen gehören, unter anderem sehr viel rechtliches. Ein Gang zur Lebensmittelüberwachung, die die Betriebe später kontrolliert, gehöre dazu. Auch beim Amt für Landwirtschaft hat man die Beobachtung gemacht, dass immer mehr Kunden Wert darauf legen zu wissen, woher die Produkte kommen. "Die Qualität hat ihren Preis, aber dafür bekommt man auch eine Mehrwert. Neben der Frische auch die Beratung oft, das persönlichere Verhältnis zu dem, der die Produkte erzeugt", sagt Hella Mayr.

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