Amtsgericht Erding:Verwarnung wegen Volksverhetzung auf Facebook

Lesezeit: 2 min

Das Amtsgericht Erding in der Münchner Straße ist eines von 73 Amtsgerichten in Bayern. (Foto: Stephan Görlich)

Angeklagter hatte sich mit Judenstern und der Aufschrift "Nicht geimpft" präsentiert. "Totaler Blödsinn", sagte der 73-Jährige im Rückblick.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Kurzzeitig sah es für den 73-jährigen Angeklagten gar nicht so gut aus, da er Richter Andreas Wassermann ungewollt gestanden hatte, dass er sich mit Vorsatz auf Facebook mit einem T-Shirt mit einem gelben sogenannten Judenstern präsentiert hatte. Mit der Aufschrift "Nicht geimpft" in Großbuchstaben. Das menschenverachtende Symbol des millionenfachen Mordes an Juden mit dem eigenen Impfstatus in Verbindung zu bringen, erfüllt jedoch den Straftatbestand der Volksverhetzung. Das habe er aber nicht bezwecken wollen, sagte der 73-Jährige. Er hatte Einspruch gegen den Strafbefehl über 3000 Euro eingelegt. Da er zugab, dass seine Tat eher "Blödsinn" war, das Foto gelöscht und das T-Shirt vernichtet ist, beließ es Wassermann bei einer Verwarnung statt Geldstrafe. Zudem muss der Angeklagte 600 Euro an die Uno-Flüchtlingshilfe zahlen.

Die Einsicht des 73-Jährigen reichte nur bis zur Wahl seiner Mittel

Die Einsicht des 73-Jährigen reichte aber nur bis zur Wahl seiner Mittel, um gegen die seiner Meinung nach staatlich verordneten Impflicht gegen das Covid-19-Virus zu protestieren. "Die Wahl war nicht gerade die Beste", sagte der Angeklagte, der ohne Anwalt vor Gericht auftrat. Er habe aber nicht aufhetzen wollen, sondern nur aufzeigen wollen, dass es in der NS-Zeit ebenfalls mit der Ausgrenzung von einzelnen Gruppierungen begonnen habe. Und er habe sich ebenfalls ausgegrenzt gefühlt während der Corona-Pandemie, da er seiner Meinung nach als Ungeimpfter von der Gesellschaft ausgegrenzt worden sei. "Wehret den Anfängen" sei sein Ziel mit der Aktion gewesen.

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Einspruch gegen den Strafbefehl hatte der Angeklagte unter anderem deshalb eingelegt, weil das Landgericht Landshut durch sein Foto auf Facebook keine Störung des öffentlichen Friedens gesehen hatte. Der Erdinger Amtsrichter aber schon. Zum einen, weil der Angeklagte 148 sogenannte Follower hat, zum anderen, weil der Post öffentlich war, für jedermann einsichtig. Und 148 sind nach Meinung von Wassermann eben mehr als nur zwei. Dass das Foto mit dem gelben Stern den Straftatbestand der Volksverhetzung nach Paragraf 130 des Strafgesetzbuches erfüllt, würde auch vom Landgericht nicht bestritten, sagte Wassermann. Der Vergleich der staatlichen Corona-Maßnahmen mit dem Holocaust sei eine Verharmlosung der millionenfachen Ermordung von Juden in der NS-Zeit und "absolut geschmacklos", wie der Staatsanwalt sagte.

Das T-Shirt kaufte der Angeklagte in Kufstein, nachdem eine Wasserburger Firma Nein sagte

Kurzeitig wollte der 73-Jährige gar nichts mehr sagen, "sonst habe ich zack die nächste Hausdurchsuchung" und das Urteil sei von Wassermann "eh schon vorgefasst". Auf die Frage des Amtsrichters, wie er denn überhaupt auf die Idee gekommen sei und wie zum T-Shirt, sagte der Angeklagte dann doch aus. Er habe die "Vorlage" auf Facebook gesehen und das T-Shirt zunächst bei einer Firma in Wasserburg machen lassen wollen, aber eine Absage bekommen. Im Internet habe er dann eine Firma in Kufstein gefunden, die es für 32 Euro gemacht hätte. "Ich hätte besser die 32 Euro für Getränke ausgegeben", so der 73-Jährige.

Der Staatsanwalt blieb dabei: der Angeklagte habe mit dem Foto die eh schon gereizte politische Stimmung damals sehr wohl anheizen wollen. Er sei nur "halbherzig einsichtig". Er plädierte für eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 50 Euro. Damit lag die Strafe 500 Euro über dem im Strafbefehl. Zu viel, wie der 73-Jährige sagte und auf seine Rente über 1500 Euro verwies. Amtsrichter Wassermann sah es zwar ebenfalls erwiesen, dass der Angeklagte den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt habe, aber er habe keinerlei Vorstrafen und habe damals wohl nur "ein Ventil" für seine Verärgerung gesucht und "keine bösen Absichten" gehabt. Eine Verwarnung reiche deshalb aus, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten. Sollte aber innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft des Urteils wieder was sein, müsse er die 3000 Euro aus dem Strafbefehl zahlen. Der 73-Jährige akzeptierte das Urteil: "Irgendwann muss Schluss sein".

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