Volkshochschulen„Über uns hängt ein Damoklesschwert“

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Die Volkshochschule Landkreis Erding (im Bild) bietet ebenso wie das Haus in Freising ein buntes, breit gefächertes Angebot an Kursen und Veranstaltungen.
Die Volkshochschule Landkreis Erding (im Bild) bietet ebenso wie das Haus in Freising ein buntes, breit gefächertes Angebot an Kursen und Veranstaltungen. (Foto: Renate Schmidt)

Berlin plant die Einführung einer Umsatzsteuer auf  VHS-Kurse, die nicht unmittelbar mit Beruf oder Berufswahl zu tun haben. Aber wo liegt die Grenze zur Freizeitgestaltung und gibt es die überhaupt? Den Häusern in Erding und Freising schwant jedenfalls nichts Gutes.

Von Regina Bluhme, Erding

Es läuft bei den Volkshochschulen in den Landkreisen Erding und Freising. Die Kurse sind breit gefächert und gut gebucht – und doch treibt die Geschäftsführungen eine große Sorge um. Ein Erlass des Bundesfinanzministeriums sieht vor, dass Weiterbildung nur dann steuerfrei bleiben soll, wenn sie einen unmittelbaren Bezug zu einem Beruf oder der Berufswahl hat. Alles andere zähle zur Freizeitgestaltung und soll mit 19 Prozent Umsatzsteuer belegt werden. Doris Fähr von der VHS Erding und Oliver Dorn von der VHS Freising befürchten fatale Folgen für ihre Häuser.

Doris Fähr, Geschäftsführerin der VHS Landkreis Erding, will öffentlich auf das Dilemma aufmerksam machen. Der geplante Erlass, exakter Name: Umsatzsteueranwendungserlass, fußt auf der europäischen Rechtsprechung, wonach Kurse zur Freizeitgestaltung nicht von der Umsatzsteuer befreit werden dürften. Nach Ansicht von Doris Fähr widersprechen diese Kriterien unter anderem den gesetzlichen Bestimmungen des Bayerischen Gesetzes zur Förderung der Erwachsenenbildung. Dieses weise den Volkshochschulen eine weitaus breiter gefasste Aufgabenstellung zu.

Die Stadt hat der VHS Freising ein historisches Gebäude, das ehemalige städtische Krankenhaus, für die Bildungsarbeit zur Verfügung gestellt.
Die Stadt hat der VHS Freising ein historisches Gebäude, das ehemalige städtische Krankenhaus, für die Bildungsarbeit zur Verfügung gestellt. (Foto: Marco Einfeldt)
Doris Fähr, Geschäftsführerin der VHS Erding.
Doris Fähr, Geschäftsführerin der VHS Erding. (Foto: Stephan Görlich)
Oliver Dorn, Geschäftsführer der VHS Freising.
Oliver Dorn, Geschäftsführer der VHS Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Die geplanten 19 Prozent Umsatzsteuer bereiteten ihr Sorgen, erklärt Doris Fähr. Zunächst einmal müsste das gesamte Programm, jeder Kurs, genau überprüft werden, „ein unglaublicher Aufwand“, so Fähr.  „Und wer bestimmt, was Freizeit ist? Ein Töpferkurs zum Beispiel kann doch wichtig sein für einen Berufstätigen, weil er sich im Kurs erholen und gestärkt in die Arbeit gehen kann“, sagt Oliver Dorn, Geschäftsführer der VHS Freising.

Oliver Dorn sagt, er könne nicht verstehen, dass ein solcher Vorschlag überhaupt in Betracht gezogen werde. „Über uns hängt ein Damoklesschwert. Das ist eine extreme Belastung.“ Die angedachten 19 Prozent Umsatzsteuer müssten von den Einrichtungen auf die Kursgebühren umgelegt werden, doch dann könnten sich einige die Teilnahme nicht mehr leisten. „Oder wir als Verein finanzieren das und dann sind wir pleite.“ Hätte die Umsatzsteuer schon 2024 gegriffen, „dann hätten wir Mehrkosten von circa 130 000 Euro gehabt“, rechnet der VHS-Geschäftsführer vor. Die Volkshochschulen würden von den Kommunen unterstützt, aber auch diese müssten angesichts knapper werdender Kasse mit ihrem Geld haushalten.

„Wir würden die Steuererhöhung weitergeben müssen und das wäre fatal“, erklärt Doris Fähr. Denn würden sich die Gebühren für Kurse und Veranstaltungen erhöhen, eine sozialverträgliche Bildung für alle sei so nicht mehr möglich und dies wiederum würde viele Menschen in der gesellschaftlichen Teilhabe beschneiden. Gerade jetzt seien die Volkshochschulen „als Präsenz- und Begegnungsort wichtig, weil sich hier Menschen in einem neutralen und offenen Umfeld treffen und miteinander kommunizieren können“.

Im Übrigen müssten alle Volkshochschulen bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen, was etwa die Vermittlung der Lernziele oder die Qualifikation der Lehrkräfte betreffe.  „Hier geht es nicht nur um Freizeitspaß“, so Fähr, die VHS habe einen „Bildungscharakter“.

Ungeklärt ist auch die künftige Finanzierung der Integrationskurse

Ebenfalls ungewiss ist die künftige Finanzierung der Integrationskurse an den Volkshochschulen. Sie läuft Mitte des Jahres aus. „Was ab 1. Juli passiert, ist derzeit ungeklärt“, so Dorn. Dabei würden die Volkshochschule die notwendige Infrastruktur bieten, damit Menschen jenseits von Weltanschauung oder Herkunft zusammenkommen. „Wir ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe“, betont Dorn. Zudem könnten sich die Teilnehmenden „arbeits- und lebenstechnisch entwickeln“. Grundsätzlich habe jeder Mensch ein Recht auf Bildung, und dies dürfe nicht besteuert werden, so Dorn.

Noch ist nichts endgültig entschieden, noch handelt es sich bei dem Umsatzsteuererlass um einen Entwurf. Die Anhörungen sind inzwischen abgeschlossen. Sie liefen bis 7. Februar. Entscheidend werde nun sein, ob das Ministerium die Stellungnahmen der Verbände – unter anderem auch die des Deutschen Volkshochschul-Verbandes sowie der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände – in seine Überlegungen einbezieht, schreibt der Verband der Bayerischen Volkshochschulen auf Nachfrage der SZ. In Kürze soll sich der Bayerische Landtag mit dem Thema befassen.

Die Volkshochschulen haben sich auch an den bayerischen Finanzminister Albert Füracker (CSU) gewandt. Ein Dringlichkeitsantrag soll im Landtag eingebracht werden. „Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand wurde der Antrag bislang noch nicht behandelt“, hieß es am Donnerstag seitens des Verbands der Bayerischen Volkshochschulen.

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