In heikler Mission war Anfang der 1970er-Jahre eine Delegation aus Erding mit Bürgermeister Alois Schießl auf dem Deggendorfer Volksfest unterwegs. Vom dortigen Festwirt Fredl Römersperger waren die Besucher aus Oberbayern sehr angetan, doch es war damals nicht üblich, einen Wirt jenseits der Landkreisgrenzen anzuwerben. Dennoch griffen die Erdinger zu – und Festwirtsfamilie Römersperger-Richter betreibt heuer zum 50. Mal das Stiftungszelt auf dem Herbstfest.
Die Glückwünsche zum runden Geburtstag nimmt Klaus Richter, Festwirt in dritter Generation, am Dienstag gerne entgegen, aber so ganz stimme die Zahl nicht, fügt er im Telefonat mit der SZ gleich hinzu: Eigentlich ist es heuer bereits 52 Jahre her, dass die Familie erstmals in Erding für die Bewirtung sorgte. Weil Corona die Zeitrechnung durcheinander wirbelte, wird mit zwei Jahren Verspätung das 50. Mal gefeiert.
In all den Jahren auf dem Erdinger Herbstfest, musste der Betrieb nur zweimal pausieren, betont Klaus Richter. Die Viruspandemie war schuld, „an uns lag es jedenfalls nicht“, fügt der 49-Jährige hinzu, den die SZ am Dienstagmittag nach mehreren Anrufversuchen beim Einkaufen erwischt.
Begonnen hat alles mit der Pacht des Preysing-Hofs im Jahr 1956. Damit legten Ferdinand und Elfriede Römersperger den Grundstock für das heutige Unternehmen mit Hauptsitz in Eggenfelden. Bereits 1958 bewirtete das Münchner Ehepaar die Besucher auf dem Plattlinger Volksfest. Zug um Zug kamen immer mehr Feste in ganz Bayern dazu – das Deggendorfer Frühlingsfest, das Tänzelfest in Kaufbeuren (vor 60 Jahren), die Burghauser Maiwiesn (vor 55 Jahren), dann das Erdinger Herbstfest. „Es gab Zeiten, da war mein Opa auf über 30 Volksfesten vertreten“, erzählt Enkel Klaus Richter.
Klaus Richter lernte beim Sternekoch und ging dann nach Südafrika
1980 übergaben die Wirtsleute Ferdinand und Elfriede Römersperger den Betrieb der Tochter und gelernten Hotelfachfrau Angelika Richter und ihrem Ehemann Paul Richter. Die beiden bewirtschafteten über 25 Jahre zahlreiche Volksfestzelte in ganz Bayern.
Klaus Richter, der ältere der beiden Söhne von Paul und Angelika Richter, absolvierte nach dem Abschluss der Bavaria Hotelfachschule zunächst drei Lehrjahre beim Sternekoch Heinz Winkler im Edelrestaurant „Residenz“ in Aschau. Vom Chiemsee ging es nach Südafrika, wo er sechs Jahre als Küchenchef im Restaurant Maximilian’s in Kapstadt arbeitete, bevor er 2003 in den elterlichen Betrieb zurückkehrte. 2005 erhielt der Koch den Meisterbrief. Im selben Jahr ereilte die Familie ein schwerer Schlag, als Angelika Richter ihrer langjährigen Erkrankung erlag.
30 Volksfeste im Jahr – das sei heute nicht mehr zu stemmen
Seit 2008 ist Klaus Richter mit seiner Frau Conny Lechner auch für das Erdinger Herbstfest zuständig. 30 Volksfeste, das sei heute nicht mehr zu stemmen, sagt der 49-Jährige, wegen des immensen Aufwands. Früher habe man, etwas vereinfacht gesagt, ein Zelt kurzerhand auf die Wiese gestellt, und täglich spielte eine Blasmusikkapelle. Zack. Heute sähen die Anforderungen und Auflagen anders aus, betont Klaus Richter. Das Stiftungszelt mit 5000 Sitzplätzen erfordere eine ausgeklügelte Logistik.
Auch an seinem Betrieb sind die Corona-Jahre nicht unbemerkt vorbeigegangen, inzwischen sei zwar wieder „ein bisschen Routine“ eingekehrt, auch wenn sich die Volksfestbranche im Wandel befinde und die Betriebe vor Herausforderungen stünden, erklärt Klaus Richter. Zugleich aber halte er sich an das Motto: „Bekannt und bewährt“.
Die Stadt macht der Wirtsfamilie ein besonderes Geschenk
Zum Jubiläum hat sich Erding ein besonderes Geschenk für die Festwirtsfamilie ausgedacht. Kurz vor dem Start des Herbstfests empfing Oberbürgermeister Max Gotz das Ehepaar Klaus Richter und Conny Lechner im Rathaus zum Eintrag ins Goldene Buch der Stadt – ein Zeichen der Wertschätzung. Die Stadt ist offensichtlich sehr froh über die Entscheidung, damals Fredl Römersperger das Festzelt auf dem Herbstfest anvertraut zu haben. Vielleicht halfen auch die Worte des Deggendorfer Bürgermeisters, der zu Alois Schießl gesagt haben soll: „Wenn ihr ihn nicht nehmt, seid’s selber schuld“.