Verwaltungsgericht München:Unglaubwürdige Beteuerungen

Bei einem Polizeioberkommissar werden zahlreiche kinder- und jugendpornografische Bilder gefunden. Der 54-Jährige sagt, er habe nur "privat ermittelt". Gericht bestätigt Entlassung aus dem Beamtenverhältnis

Von Andreas Salch, München/Flughafen

"Eigentlich bin ich ein g'scheiter Bub. Aber in dem Fall war ich übermotiviert", lautete das nüchterne Fazit, das jetzt ein Polizeioberkommissar vor der Disziplinarkammer am Verwaltungsgericht München zog. Mit "übermotiviert" und "Fall" meinte der Beamte seine angeblich "privaten Ermittlungen" im Pädophilen-Milieu. Einen Ermittlungsauftrag hierfür hatte er niemals erhalten. Im Zuge seiner "privaten Ermittlungen", die sich über fast zwei Jahre hinzogen, tauschte der Polizeioberkommissar mit Pädophilen unter anderem kinderpornografische Dateien. Bei einer Wohnungsdurchsuchung fanden Kriminalpolizisten auf dem Computer sowie auf dem Handy des 54-Jährigen zudem zahlreiche kinder- und jugendpornografische Bilder.

Das Amtsgericht Erding hatte den Polizeioberkommissar, der zuletzt als Gruppenleiter am Flughafen arbeitete, deshalb zu elf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Danach erhob die Bundespolizei eine Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht München mit dem Ziel den 54-Jährigen aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. In dem Verfahren vor der 19. Kammer räumte der Polizeioberkommissar, der bereits im März 2017 vorläufig vom Dienst suspendiert wurde, ebenso wie in dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Erding, sämtliche Vorwürfe ein. Die Kriminalpolizei Erding hatte zuvor einen Tipp von der Polizei des Saarlandes erhalten. Sie war bei eigenen Ermittlungen im Pädophilen-Milieu auf den Namen des Polizeioberkommissars vom Flughafen München gestoßen.

Die Bundespolizei begründete ihre Forderung, wonach der 54-Jährige aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müsse, unter anderem damit, dass er mit seiner Teilnahme an den Chats zur Verbreitung von Kinderpornografie ermuntert habe. Darüber hinaus habe sich der Polizeioberkommissar nackt vor einer Kamera gezeigt und dabei selbst befriedigt. Seine angeblichen "Ermittlungserfolge" habe er nirgends dokumentiert. In den Chats hatte der 54-Jährige unter anderem damit geprahlt, dass er Sex mit seiner kleinen Nichte und mit einem Nachbarskind gehabt habe, auf das er als Babysitter aufpassen sollte. Wie sich bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft später herausstellte, handelte es sich hierbei jedoch um freierfundene Geschichten. Der 54-Jährige hat weder eine Nichte, noch wohnt in seiner Nachbarschaft ein kleines Mädchen, um das er sich als Babysitter kümmern sollte.

Die Vorsitzende Richterin der Disziplinarkammer am Verwaltungsgericht sagte, "die Taten sprechen erheblich zu Lasten" des Beklagten. Sie glaube nicht, dass man sich online selbst befriedige, wenn man dabei "keinen Spaß hat."

Der Anwalt des Polizeioberkommissars erklärte, sein Mandant habe sich in den Foren aufgehalten, "um Täter zu überführen. Das kann man ihm nicht widerlegen." Der Vertreter der Bundespolizei entgegnete: "Ich kann die Argumentation nicht widerlegen, glauben tu' ich sie nicht." Es gebe zu viele Ungereimtheiten. "Aus unserer Sicht ist das Vertrauen zerstört." Der Polizeioberkommissar sagte, er sei er "total erschrocken" über den Antrag des Vertreters der Bundespolizei. Damit habe er nicht gerechnet. Er habe in den Chatrooms "nur gucken wollen, was da für Leute sind" und wie viele sich an den Chats beteiligen. Angeblich waren es bis zu 200 Personen. Etwa siebzig Prozent seien der Ansicht gewesen, dass "Sex mit Kindern okay" sei. "Da musst du was machen" habe er sich gesagt, behauptete der 54-Jährige und den Entschluss gefasst: "Da kriegst du einen." Dann brach dem Beamten die Stimme. Unter Tränen fügte er noch hinzu: "So war die Intention."

Auf die Richter der Disziplinarkammer machten diese Beteuerungen keinerlei Eindruck. Sie verfügten am Ende der Verhandlung die von der Bundespolizei beantragte Entfernung des 54-Jährigen aus dem Beamtenverhältnis.

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