Verkehrspolitik in Eitting:Gemeinde unter Dauerstress

Luftaufnahmen 11. Oktober 2019 - Erdinger Ringschluss

Auf dem Flughafengelände wird gebaut: Links unten ist die Stelle erkennbar, wo der Tunnel endet und die S-Bahn ans Tageslicht kommt.

(Foto: Michael Fritz/Flughafen München)

Eitting ist von zahlreichen Infrastrukturmaßnahme betroffen, jetzt klagt sie gegen den S-Bahn-Ringschluss. Ein eigener Haltepunkt ist das Ziel: "Wir wollen auch mal was Positives", sagt Bürgermeister Wiester

Von Regina Bluhme Und Florian Tempel, Eitting

Der Eittinger Bürgermeister Georg Wiester hat Erfahrung mit juristischen Auseinandersetzungen. Beim Kampf gegen die dritte Startbahn zum Beispiel fehlte er in keiner der Verhandlungen, wenn es um seine Gemeinde ging. Am Donnerstag führte ihn sein Weg in den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München. Es ging um: Eitting gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Gemeinde besteht auf mehreren Änderungen beim Abschnitt 4.1 für den Erdinger Ringschluss. Eitting fordert unter anderem einen Lärmschutzwall zwischen Reisen und der geplanten Bahnstrecke und einen zusätzlichen S-Bahn-Haltepunkt auf Gemeindegebiet. Am Ende der vierstündigen Verhandlung fällte Vorsitzender Richter Günter Demling kein Urteil. Es wird schriftlich zugestellt. Wiester deutet die Entscheidung als gutes Zeichen.

Richter Demling forderte im Laufe der Verhandlung immer wieder präzise, belastbare Angaben, die eine Aufhebung oder eine Aussetzung des Planfeststellungsbeschlusses rechtfertigen würden. Es blieben vier Punkte übrig, die auf Antrag des gemeindlichen Rechtsanwalts Joachim Krauß als Ergänzungen in den Planfeststellungsbeschluss aufzunehmen sind: Zwischen Reisen und der geplanten Bahnstrecke soll ein Lärmschutzwall errichtet werden, die Straße zwischen Reisen und Siglfing soll nicht unterbrochen werden, die alte Brücke zwischen Reisen und Niederding soll erst abgebrochen werden, wenn das neue planfestgestellte Brückenbauwerk befahrbar ist. Und: Auf Gemeindegebiet soll eine zusätzliche S-Bahn-Haltepunkt westlich der ED19 eingeplant werden. Die Rechtsanwälte von Eisenbahnbundesamt (EBA) und der Deutschen Bahn wiesen die Klage umgehend zurück.

Beim Thema Lärmschutz ging es vor allem um ein Anwesen an der Hauptstraße in Reisen. Der Richter verwies auf das schalltechnische Gutachten. Der Eittinger Gemeinderat sei von "Erfahrungen im Isental geleitet", sagte Rechtsanwalt Krauß. Hier seien die Prognosen bei der A 94 "alle daneben gelegen". Deswegen bezweifle die Gemeinde auch, dass in Reisen die Grenzwerte eingehalten werden. "Wir haben viel Verständnis für die Situation der Gemeinde", betonte Demling, aber darauf komme es nicht an, sondern auf "durchgreifende Argumente". Die gutachterliche Prognose zeige "beim Ansehen keine ersichtlichen Mängel". Wiester sprach von "sehr bösen Erfahrungen". Es sei ihm einfach wichtig, "dass wir sagen können, wir haben alles versucht" - wenn es später laut werde.

Bei der Brücke zwischen Reisen und Niederding wiederum liegt laut Wiester das Problem in dem vier Kilometer langen Umweg, den Schulbus und Feuerwehr eineinhalb Jahre lang nehmen müssten, sollte die alte Brücke vor dem Neubau abgerissen werden. Eventuell könne dann bei der Feuerwehr die Einsatzfrist nicht eingehalten werden. Ein Aspekt, der nach Ansicht des EBA im Planfeststellungsverfahren nicht vorgesehen ist.

Beim Haltepunkt S-Bahn wiederum verwies Wiester auf die vielen Pendler der drei großen Betriebe Eittings. Außerdem sei keine andere Gemeinde in ganz Bayern von so vielen überregionalen Maßnahmen betroffen wie Eitting, angefangen bei der A92 bis zum Ausbau der FTO. "Wir wollen auch mal was Positives."

Nach Ende der Verhandlung war Wiester erst mal erleichtert. "Sie hätten ja auch gleich alles ablehnen können." So habe man immerhin noch "eine 50:50 Chance, in einigen Punkten doch noch Recht zu bekommen".

Am Verwaltungsgerichtshof werden noch weitere vier Klagen gegen den Abschnitt 4.1 verhandelt werden. Der Abschnitt reicht vom Flughafen München bis zur nordwestlichen Stadtgrenze von Erding. Die erste der sechs Klagen gegen den Abschnitt 4.1 war kürzlich zurückgenommen worden, da der Kläger nur indirekt von dem Trassenabschnitt 4.1 betroffen ist. Sein Grund liegt im benachbarten Abschnitt 4.2 innerhalb der Erdinger Stadtgrenzen. Wann es dort zu einem Planfeststellungsbeschluss kommt, steht derzeit noch in den Sternen.

Fest steht jedoch: Solch eine Klage, wie die der Gemeinde Eitting, wird bei anderen großen Verkehrsprojekten zukünftig gar nicht mehr möglich sein. Bundestag und Bundesrat haben erst vor Kurzem mehrheitlich beschlossen, dass unter anderem der Ausbau der Bahnstrecke München - Mühldorf inklusive der Walpertskirchener Spange mit einem sogenannten Maßnahmengesetz des Bundes genehmigt werden soll. Der wesentliche Unterschied zu bisherigen Genehmigungspraxis: gegen ein Maßnahmengesetz kann man nicht vor einem Verwaltungsgericht klagen. Der bisher übliche Rechtsschutz wird also ersatzlos gestrichen - nicht nur für Kommunen, sondern auch für betroffene Bürger und Umweltverbände.

Bürgermeister Georg Wiester hingegen kann noch hoffen. Wie sagte er doch nach der Verhandlung: "Wer kämpft, der kann verlieren. Wer nicht kämpft, der hat schon verloren."

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