Valentinstag:"Was mögen Sie an Ihrer Frau am meisten?" - "Jetzt hätte ich fast gesagt: das Kochen"

Valentinstag

Seit 65 Jahren sind Irma und Gerd Vogt verheiratet. Erzählt er eine Anekdote aus der gemeinsamen Vergangenheit, lacht sie schon beim ersten Satz.

(Foto: Stephan Goerlich)

Gerd Vogt und seine Frau Irma sind seit 62 Jahren verheiratet. Wie haben sie das geschafft? Ein Gespräch über eine gebrochene Vorderachse, lange Tanzabende und ein "Beleidigtenzimmer".

Interview von Veronika Wulf, Erding

Irma und Gerd Vogt, beide 87, sitzen am Esstisch ihres Altenerdinger Hauses, er mit gestärktem Hemdkragen, sie in weißer Strickjacke. Fast ihr ganzes Leben haben sie in diesem Haus verbracht - gemeinsam.

SZ: Wann sind Sie sich das erste Mal begegnet?

Gerd Vogt: Wir waren ungefähr 21. Die Schneiderin Emma von nebenan hat mich immer mit ins Stadion genommen. Und einmal war da die Irma dabei.

Irma Vogt: Da haben wir uns zum ersten Mal gesehen, nicht geredet, nur gesehen.

Gerd Vogt: Sie hat schon mit Sachverstand über Fußball geredet, da dachte ich: Da schau her! Das hat mich schon gereizt.

Irma Vogt: Ja, Fußball hat mich interessiert.

Und da hat es schon gefunkt?

Gerd Vogt: Nein, erst viel später. Ich habe in einer Autowerkstatt als Buchhalter gearbeitet und Irma holte einen reparierten DKW ab. Kaum ein paar Meter weiter, als sie am Kreisverkehr einschlägt, bricht die Vorderachse, das Rad rennt voraus und das Auto kippt mitten auf der Straße um. Ich habe sie dann nach Hause gefahren und auch dafür gesorgt, dass ich der Familie das neue Auto bringe, einen Opel Olympia. Dabei haben wir uns dann kennengelernt. Aber sie hat mich gar nicht registriert.

Irma Vogt: Doch. Ich hab mich nur auf kein Gespräch eingelassen. Das war für mich ein Kundendienst, mehr nicht.

Gerd Vogt: Früher hat man über manche Frauen gesagt: Die geht leicht her. Das war nicht positiv gemeint. Auf sie traf das nicht zu. Sie hat mehr so den starken Frauentyp vertreten. Das hat mir gefallen. Ich kann keine aushalten, die immer nur sagt: ja, schon recht.

Wie haben Sie sie schließlich überzeugt?

Gerd Vogt: Ich hatte von der Firma den Auftrag, nach Ergolding zu fahren und mit einem Kunden vertragliche Einzelheiten zu klären. Da hab ich sie dann gefragt, ob sie Lust hat, mitzukommen.

Irma Vogt: Und ich habe ja gesagt. Er hat sich so sehr bemüht.

Gerd Vogt: Eineinhalb Stunden hat die Fahrt gedauert. Aber es hat nicht gereicht, sie zu überzeugen, dass da etwas miteinander möglich wäre. Also habe ich so getan, als ob der Motor nicht mehr läuft, angehalten, Kühlerhaube auf und habe eine Show abgezogen. Dann sind wir weiter gefahren.

Irma Vogt: Das hat mich schon beeindruckt. Außerdem bin ich gerne Auto gefahren, und damals hatte ja nicht jeder in Erding ein Auto.

Gerd Vogt: Aber richtig eingeschlagen hat's noch nicht.

Irma Vogt: Ja, mein Gott.

Welche Asse hatten Sie noch im Ärmel?

Gerd Vogt: Wir waren verabredet, Sonntagnachmittag um zwei Uhr. Ich war spät dran, weil ich mich noch angezogen und hergerichtet hatte, also habe ich ein Taxi gerufen. Dann komme ich da an, den Staubmantel über dem Arm, wie das früher üblich war, und löse eine Kritikwelle aus. Dabei wollte ich sie doch beeindrucken.

Irma Vogt: Ich hab gedacht: Was für ein Angeber, kommt da mit dem Taxi. So einen kann ich nicht gebrauchen. Und er war nicht pünktlich. Beim ersten Treffen! Das hat's bei uns nicht gegeben.

Trotzdem haben Sie 1954 geheiratet.

Gerd Vogt: Wir haben schnell gemerkt, dass wir ähnliche Ansichten vom Leben haben, vernünftige Ziele, keine Träumereien. Ihr Vater ist gestorben als sie vier war, ich war als Jugendlicher im Krieg verschüttet, wir wussten, dass das Leben nicht immer einfach ist. Ich hab gemerkt: Mit ihr kann ich durch Dick und Dünn gehen. Und wir haben beide gern getanzt, stimmt's Irma?

Irma Vogt: Ja. Nur ich wäre gern um elf Uhr heimgegangen, nicht um zwei, wie er. Ich bin dann halt auch länger geblieben. Sonst wäre er ja die ganze Nacht nicht mehr heimgekommen (lacht).

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kuss?

Irma Vogt: Das war beim Tanzen.

Gerd Vogt: Den ersten? Das sind aber gleich mehrere gewesen. Mit einem Kuss hab ich da nicht angefangen.

"Ohne meine Frau geht es nicht"

Was mögen Sie an Ihrer Frau am meisten?

Gerd Vogt: Jetzt hätte ich fast gesagt, das Kochen.

Irma Vogt: Und ich hätte dich fast geboxt.

Gerd Vogt: Ich sag das nicht abwertend. Das können nicht viele so gut. Sie hat unsere zwei Kinder erzogen, dadurch war ich frei für meinen beruflichen Werdegang. Der Haushalt war immer picobello. Wenn ich eine Abendveranstaltung als Bürgermeister hatte, lag immer der richtige Anzug bereit. Aber man muss dem Partner auch das Gefühl geben, dass das, was er leistet, genauso viel wert ist wie die eigene Arbeit. Die Männer meiner Generation haben das falsch eingeschätzt, auch ich. Ich war manchmal rücksichtslos zu Hause. Das war nicht richtig. Ich hätte beruflich nie so viel erreichen können ohne sie.

Und was mögen Sie an ihrem Mann?

Irma Vogt: Dass er sich sehr bemüht, wenn es mir schlecht geht. Jetzt zum Beispiel, ich bin zweimal im Bad gestürzt, gebrochener Lendenwirbel, angebrochenes Steißbein. Und noch der Nierentumor.

Gerd Vogt: Bei mir beginnt der Lernprozess jetzt erst. Seit den Krankheiten bei uns beiden kommen neue Belastungen auf uns zu. Man muss noch rücksichtsvoller miteinander umgehen und einander unterstützen. Ich habe schon bügeln gelernt und wie man die Spülmaschine und die Waschmaschine bedient.

Macht er es gut, Frau Vogt?

Irma Vogt: Passt scho, bis jetzt (lacht).

Gerd Vogt: Heute habe ich ganz viele kleine Bohnen ausgeschält!

Irma Vogt: Da bist du selber schuld, wenn du so viele anbaust.

Gibt es Dinge, die Sie am Anderen stören?

Irma Vogt: Das schiebt man auf d' Seiten.

Gerd Vogt: Darfst schon ehrlich sein.

Irma Vogt: Mir fällt aber nix ein.

Gerd Vogt: Ich bin ihr manchmal zu großzügig bei Spenden und Mitgliedsbeiträgen...

Irma Vogt: Und beim Bücher kaufen! Ich kann sie gar nicht mehr alle rausschmeißen. Wann willst du die denn alle lesen?

Gerd Vogt: Ich hab mein ganzes Leben nur Akten gelesen, aber Bücher, bildungsmäßig, nicht. Das hole ich jetzt nach.

Irma Vogt: Das kannst du gar nicht mehr alles nachholen.

Gerd Vogt: Wir sind jetzt beide 87, da muss man schauen, dass man mit seinen Problemen fertig wird.

Irma Vogt: Eigentlich sind das nur noch gesundheitliche Sachen. Andere Probleme gibt es für uns nicht mehr.

Was trifft eher auf Sie zu: Gegensätze ziehen sich an oder gleich und gleich gesellt sich gern?

Beide: Gleich und gleich.

Gerd Vogt: Wir haben versucht, gemeinsam die Probleme anzugehen und nicht, den anderen umzuerziehen, wie: Fort geht der mir nimmer, ich mag nicht tanzen - nein. Wir sind gemeinsam tanzen gegangen. Man darf nicht versuchen, den Anderen zu ändern. Was kommt denn da raus?

Irma Vogt: Nix G'scheit's kommt da raus.

Wie gehen Sie mit Streit um?

Irma Vogt: Ruhig sein und nicht mehr reden, dann geht es bald vorbei. Nicht aufregen, das nützt nix.

Gerd Vogt: Genau. Und wir haben ein Beleidigtenzimmer, mit Fernseher. Da geh ich manchmal rein, dann müssen wir nicht diskutieren, welches Programm wir schauen.

Irma Vogt: Einmal, als mein Mann zu wenig Zeit für die Familie hatte und mir nicht zugehört hat, bin ich freitags zur Bürgersprechstunde gegangen, die der Bürgermeister damals einmal im Monat hatte. Ich habe eine Stunde auf der Bank im Vorzimmer gewartet. Die Sekretärin hat sich gewundert, weil ich nie ins Rathaus gegangen bin, und die Leute haben mich angeschaut, als würde ich spinnen. Als ich dran war, hab ich gesagt: Du hörst mir jetzt zu. Ich weiß aber nicht mehr, worum es ging.

Gerd Vogt: Ich hab damals mit dem Unimog den ganzen Ort vom Schnee freigeräumt, aber nicht den eigenen Hof, deshalb war sie richtig grantig und hat mich rasiert. Sie hatte ja recht. Da hab' ich meine Dienstauffassung übertrieben.

Bei der Trauung heißt es: Bis dass der Tod euch scheidet. Bei Ihnen scheint das zu klappen. Wer wird zuerst gehen?

Gerd Vogt: Wenn ich egoistisch denke, würde ich sagen: ich. Ohne meine Frau geht es nicht. Ein Mann kann sich nicht so helfen wie eine Frau. Auf der anderen Seite weiß ich, dass das Leiden alleine größer ist. Das will ich ihr auch nicht antun.

Irma Vogt: Ich hab mir da noch überhaupt keine Gedanken gemacht.

Gerd Vogt: Wir lösen das gemeinsam. Wie immer.

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