Urteil in Erding:Sozialdienst für tödlichen Unfall

Mildes Urteil für einen 20-Jährigen aus Berglern: Der Mann hatte mit einem Kleinlaster einen Radfahrer tödlich verletzt.

Florian Tempel

Der Unfall war tödlich, die Ahndung glimpflich: Ein 20-jähriger Mann aus Berglern, der am 4. November 2008 auf der Straße zwischen Moosburg und seinem Heimatort einen Radfahrer übersehen und mit einem Kleintransporter umgefahren hat, ist vom Amtsgericht Erding wegen fahrlässiger Tötung lediglich zu zehn Tagen Sozialdienst verurteilt worden.

Zudem muss er ein Fahrertraining absolvieren und 1250 Euro Geldbuße zahlen. Der Staatsanwalt hatte eine Geldstrafe nach Erwachsenenstrafrecht von 140 Tagessätzen à 40 Euro gefordert.

Es war ein tragischer Unfall, darin waren sich alle Prozessbeteiligten einig. Der Angeklagte hatte an der Brücke über die Autobahn A92 bei Rosenau den Radler am rechten Fahrbahnrand wohl vor allem deshalb übersehen, weil er Sekunden zuvor die Scheibenwaschanlage betätigt hatte.

Anfang November, kurz vor 18 Uhr war es schon dunkel. Der vom Spritzwasser verschmierte Schmutz auf der Windschutzscheibe und das Scheinwerferlicht entgegenkommender Fahrzeuge nahmen dem Angeklagten die Sicht. Erst einen Sekundenbruchteil vor der Kollision, so erinnerte er sich, habe er im Augenwinkel "rechts etwas wahrgenommen". Viel zu spät.

Mit einer Geschwindigkeit zwischen 80 und 100 Kilometer pro Stunde hatte er mit einem Firmenwagen, den er zum Feierabend nach Berglern fahren sollte, einen Radler seitlich touchiert. Der Fahrradfahrer flog mehrere Meter durch die Luft, schlug mit dem Kopf auf einer Bordsteinkante auf und starb noch am Unfallort.

Schmutzige Scheibe wird zum Verhängnis

Dass ihm das Scheibensäubern die Sicht genommen hatte, war zwar der entscheidende, aber nicht der einzige unglückliche Umstand. Es gab noch mehrere: Der junge Mann war an jenem Abend zum ersten Mal in seinem Leben mit einem Kleintransporter unterwegs.

Noch nie war er ein so großes Auto gefahren. Dazu kam, dass die vorderen Scheinwerfer des Wagens, besonders der rechte, falsch eingestellt waren und so die Straße nur ungenügend ausleuchteten. Er hätte mit einem Regler neben dem Lenkrad den Scheinwerferstand höher stellen können. Aus streng rechtlicher Sicht wäre er sogar verpflichtet gewesen, die Einstellung des Abblendlichts vor Beginn der Fahrt zu überprüfen.

"Aber wer macht das schon", räumte der Vorsitzende Richter Winfried Semmer ein. Außerdem war der Fahrradfahrer womöglich ohne Licht unterwegs. Laut einem Unfallgutachten hätte der Angeklagte den Radler dennoch am Rückstrahl seiner Pedal-Reflektoren erkennen müssen- wenn er nicht gerade in diesen Sekunden die Wischanlage benutzt hätte.

Das war letztlich das strafbare "sorgfaltswidrige Verhalten", wie es der Staatsanwalt nannte. Der Angeklagte hätte sich vor dem Scheibenwischen versichern müssen, dass er wirklich freie Fahrt hatte. Der Anklagevertreter war zudem der Ansicht, der 20-Jährige gehöre nach Erwachsenenrecht verurteilt, denn er habe "als Erwachsener am Straßenverkehr teilgenommen" und der Unfall sei auch nicht "jugendtypisch".

Bei 18 bis 21 Jahre alten, sogenannten Heranwachsenden kann und wird sehr oft das mildere Jugendrecht angewandt. Verteidiger Martin Paringer hielt dem Staatsanwalt entgegen, es dürfe nicht von der Deliktart abhängen, ob ein Heranwachsender nach Jugendrecht beurteilt werden. Ausschlaggebend sei in jedem Fall die Persönlichkeitsentwicklung. Das Gericht entschied sich schließlich für Jugendrecht, weil der Angeklagte zum Tatzeitpunkt noch Auszubildender und wie ein Jugendlicher stark in seine Familie eingebunden war.

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