Unterschiedliche Ansätze:Zwischen Wunschvorstellung und Megatrend

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Grüner Europaparlamentarier diskutiert mit Kreisobmann des Bauernverbandes über Agrarpolitik

Von Philipp Schmitt, Dorfen

Wie soll die Landwirtschaft der Zukunft in Europa aussehen? Kontrovers haben am Sonntag darüber im Gasthaus Huber in Landersdorf, vor der Europawahl am 26. Mai, der agrarpolitische Sprecher der Fraktion "Die Grünen/EFA" im Europa-Parlament Martin Häusling und der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV) Jakob Maier diskutiert. Fazit: Trotz einiger Differenzen sollen im positiven Dialog zwischen Politikern, konventionell wirtschaftenden Bauern und Bio-Landwirten gemeinsame Lösungen weiter diskutiert werden: "So kann es nicht weiter gehen - wir müssen Umdenken, etwas ändern, und die Weichen neu stellen", sagte Häusling. Statt Intensivierung der Landwirtschaft und Mais-Monokulturen forderte er Anreize für einen umweltgerechteren ökologischen Landbau als europäischen Standard, um "Arten zu schützen und Vielfalt zu erhalten".

Der Artenschwund schreite "mit dramatischer Geschwindigkeit" voran, "wie beim Aussterben der Dinosaurier". Ohne Strategien und Maßnahmen für eine neue Agrarpolitik in Brüssel seien viele Vogel-, Pflanzen- und Insektenarten bedroht und "wir können das Klima abschreiben". Die Energiebilanz der deutschen Landwirtschaft sei negativ, teilte der Biobauer aus Hessen mit, der dem Europaparlament seit 2009 (Mitglied im Agrar- und im Umweltausschuss) angehört und zuvor seit 2003 hessischer Landtagsabgeordneter war. Ökologischer Landbau und umweltschonend erzeugte Bio-Lebensmittel seien ein gesellschaftlicher "Megatrend", dem sich konventionelle Landwirte, die in Verantwortung für eine intakte Umwelt stünden, nicht entziehen sollten.

Martin Häusling (Foto: Renate Schmidt)

Der Europa-Politiker kritisierte zudem Subventionen und Direktzahlungen pro Hektar durch die EU: In Europa teuer erzeugte und hoch subventionierte Produkte dürften nicht weltweit zu Billigpreisen "verramscht" werden, damit müsse Schluss sein. Die EU müsse sich auf den europäischen Markt konzentrieren, "ohne Weltmärkte erobern zu wollen". Dafür seien Korrekturen am Agrar-System erforderlich, um künftig nach ökologischen und Artenschutzkriterien Gelder aus dem jährlich dutzende Milliarden Euro umfassenden Agrar-Etat der EU verteilen und neue Wege mit neuen Anreizen beschreiten zu können. Er wolle eine weniger intensive ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft, die nicht auf Kosten der Artenvielfalt wirtschafte. An konventionelle Landwirte wie Maier appellierte er im Hinblick auf das aktuelle Dilemma, durch positive Grundsatzdebatten "Teil der Lösung" zu werden und "gemeinsame Antworten ohne Ausflüchte" zu suchen, statt "auf die böse EU zu schimpfen". Mit Jakob Maier stimmte er überein, dass auch künftig eine europäische Landwirtschaft mit Standards in der EU erforderlich sei.

Maier räumte Verantwortung der Bauern etwa beim Gewässerschutz ein. "Ich möchte aber weiter eine Lanze für die konventionelle, intensive Landwirtschaft brechen", sagte der BBV-Kreisobmann. Biodiversität müsse sich in einer Marktwirtschaft für Landwirte lohnen, wenn sie dafür Grundstücke zur Verfügung stellen, Bauern dürfe keine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe aufgebürdet werden". Andernfalls werde der Strukturwandel mit dem "Höfesterben" beschleunigt. Die teuren Bio-Produkte wollen viele Verbraucher zudem gar nicht, weil diese Kunden im Supermarkt Lebensmittel-Schnäppchen jagen. Häuslings Vision sei deshalb "eine Wunschvorstellung". Konventionelle und Bio-Landwirtschaft müssten sich aber nicht ausschließen, Ziel sei, gute, nachhaltige, umweltgerechte Lebensmittel zu erzeugen, sagte Maier.

(Foto: N/A)

Die als Moderatorin fungierende Vorsitzende des Dorfner Grünen-Ortsverbands Hanna Ermann hatte Häusling und Maier eingeladen und "aufeinander los gelassen". Nur im Dialog ist Ermann zufolge eine Agrar-Neuausrichtung möglich: "Wir müssen dafür sorgen, dass Bauern so honoriert werden, dass sie gut von ihrer Arbeit leben können", sagte die Tagwerk-Mitgründerin unter dem Applaus der Besucher, darunter Grünen-Kreischefin Helga Stieglmeier, die Dorfner Grünen-Stadträtin Ursula Frank-Mayer, SPD-Stadtrat Heiner Müller-Ermann und der umstrittene Kreisrat Rainer Forster.

© SZ vom 30.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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