Unterricht:Islam wird Prüfungsfach

Unterricht: Das Ehepaar Özlen und Levent Balci gibt an verschiedenen Schulen Islamunterricht in deutscher Sprache - künftig als Wahlpflichtfach.

Das Ehepaar Özlen und Levent Balci gibt an verschiedenen Schulen Islamunterricht in deutscher Sprache - künftig als Wahlpflichtfach.

(Foto: Renate Schmidt)

Das Lehrerehepaar Balci befürwortet das Ende des Modellversuchs und die Einführung als Wahlpflichtfach. Für die Kinder bedeute dies mehr Gleichberechtigung, sagen sie

Von Charlotte Nachtmann, Erding

Die Wartenberger Islamlehrerin Özlen Balci ist immer optimistisch gewesen, dass nach zwölf Jahren des Modellversuchs nicht plötzlich Schluss sein kann mit dem Islamunterricht. Dennoch sind sie und ihr Mann Levent, ebenfalls Islamlehrer, erleichtert, nachdem die bayerische Staatsregierung am 23. Februar die Einführung des deutschsprachigen Islamunterrichts als Wahlpflichtfach beschlossen hatte. "Für die Kinder bedeutet das endlich Gleichberechtigung. Sie haben jetzt offiziell die Wahl zwischen Ethik und Islamunterricht und können sogar ihre Abschlussprüfungen in dem Fach schreiben," freut sich das Lehrerehepaar.

Eine Gleichstellung mit dem katholischen und evangelischen Religionsunterricht bedeutet die Neuerung jedoch nicht, da es sich beim Islam nicht um eine vom Staat anerkannte, einheitliche Religionsgemeinschaft im öffentlich-rechtlichen Sinne handelt. Daher wird der Islamunterricht auch von staatlichen Lehrkräften, wie den Balcis, erteilt. Laut Kabinettsbeschluss geht es um die Vermittlung von "Wissen über die islamische Religion sowie eine grundlegende Werteorientierung im Geiste des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung". Levent Balci ergänzt: "Wir betonen immer wieder, dass wir keinen Koranunterricht geben. Wir sind keine Imame, sondern Lehrer und blicken mit anderen Zielen auf den Islamunterricht."

Im Landkreis sind mit dem Ehepaar Balci, Murat Demir und Ahmet Demirez vier Islamlehrer an insgesamt 14 Grund- und Mittelschulen tätig. Auch für sie könnte die geplante Gesetzesänderung eine Verbesserung bedeuten. Bisher sind die Anstellungsverhältnisse befristet gewesen. Mit der Umwandlung zum Wahlpflichtfach können die Lehrkräfte nun auf unbefristete Anstellungen hoffen. Dies würde bayernweit etwa hundert Islamlehrer betreffen.

Der Gesetzesentwurf zur Änderung des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes (BayEUG) muss allerdings noch den Landtag passieren. Laut Angaben der Pressestelle des bayerischen Kultusministeriums soll die Änderung bis Schuljahresbeginn 2021/2022 in Kraft treten. Man würde sich in der Einführungsphase zunächst am Modellversuch orientieren, an dem zuletzt 364 Schulstandorte mit etwa 17000 muslimischen Schülerinnen und Schüler teilgenommen haben. Özlen Balci kann sich jedoch vorstellen, dass der Bedarf wachsen wird: "Ein Problem besteht allerdings im Mangel an entsprechend ausgebildeten Lehrkräften mit Studienabschluss. Da müssen wir der Regierung Zeit lassen und abwarten, wie sich Angebot und Nachfrage entwickeln werden."

Die Mittelschule Erding und die Marie-Pettenbeck-Grund- und Mittelschule in Wartenberg planen den Islamunterricht zunächst wie in den vergangenen Jahren. Stephan Treffler, Leiter der Mittelschule Erding, geht davon aus, dass die Einführung des Islamunterrichts als Wahlpflicht- und damit als potenzielles Prüfungsfach vor allem Auswirkungen auf die Schülerzahlen in den oberen Klassen haben könnte. Derzeit werden an seiner Schule 13 Neunt- und Zehntklässler in einer gemeinsamen Gruppe unterrichtet. "Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass in diesen Jahrgängen jeweils zwölf bis 15 Schüler Interesse haben könnten, wenn Islamunterricht als Prüfungsfach gewählt werden kann." Insgesamt haben sich im laufenden Schuljahr 85 seiner Schüler für das Fach entschieden. "Bisher haben immer einige wenige vor dem Abschluss zu Ethik gewechselt, um darin eine Prüfung schreiben zu können. Wenn der Islamunterricht jetzt zum Wahlpflichtfach wird, haben sie eine Auswahlmöglichkeit mehr", sagt auch Micheal Braun, Rektor der Marie-Pettenbeck-Schule in Wartenberg und stellvertretender Kreisvorsitzender des Bayerischen Lehrer und Lehrerinnenverbandes (BLLV). An seiner Schule nehmen 45 Kinder am Islamunterricht teil.

Insgesamt besuchen im Landkreis laut Kultusministerium derzeit circa 500 Grund- und Mittelschüler den Islamunterricht. Welche konkreten Änderungen die geplante Gesetzesänderung für die 14 Schulen des Modellprojekts bedeutet, bleibt abzuwarten. Dasselbe gilt für diejenigen Schulen, an denen bisher kein Islamunterricht stattgefunden hat. Fest steht allerdings, dass bei einem Wahlpflichtfach kein rechtlicher Anspruch auf ein Unterrichtsangebot besteht. Die Schaffung neuer Standorte hinge laut dem bayerischem Kultusministerium vom Bedarf vor Ort ab.

Schulleiter und Islamlehrer aus dem Landkreis heben hervor, dass sie die Überführung des Modellprojekts in ein reguläres Wahlpflichtfach sehr begrüßen. "Es wurde auch Zeit, dass der Islamunterricht gleichberechtigt und wertgeschätzt wird," unterstreicht Michael Braun. Özlen und Levent Balci betonen insbesondere ihre Dankbarkeit gegenüber allen Beteiligten des Modellversuchs: "Vom Kultusministerium, über das Schulamt, bis hin zu den Schulleitern und Kollegen sind uns alle offen begegnet, und wir pflegen eine gute Zusammenarbeit."

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