Süddeutsche Zeitung

Ungewissheit:Kein Grund zum Feiern

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Die Brauereien im Landkreis müssten allmählich mit dem Brauen der Festbiere beginnen, falls heuer doch noch Volksfeste stattfinden sollten. Doch sie sind skeptisch, auch eine Verschiebung in den Herbst hinein halten sie für unwahrscheinlich

Von Thomas Daller, Erding

Für traditionsbewusste Bayern waren es ungewöhnliche Bilder, die vergangenes Jahr im Fernsehen gezeigt wurden: Brauer mussten Fassbier in die Gullis schütten, weil wegen Corona alle Feste ausfallen mussten und das Bier schlecht wurde. Nun stehen die Brauereien vor einer schwierigen Entscheidung: Sollen sie heuer Sud für Festmärzen ansetzen? Wird es im Sommer, wenn schon viele geimpft sein könnten, eventuell wieder Volksfeste geben? Die Brauereiinhaber und Braumeister sind eher skeptisch, auch was verschobene Feste in den Herbst hinein betrifft. Wenn alle Gemeinden erst im September ihre Feste feiern würden, ergäbe sich ein Überangebot, das aus wirtschaftlicher Sicht fragwürdig sei.

Die Brauereigenossenschaft Taufkirchen beliefert mehrere Volksfest in der Region, darunter auch das Dorffest in St. Wolfgang, das um Pfingsten herum gefeiert wird. Das Taufkirchener Volksfest findet dann Anfang Juli statt. Für beide Termine sieht es derzeit schlecht aus. Am Donnerstag nächster Woche steht nun ein Gespräch zwischen Festwirten, Gemeinde und Brauerei an, bei dem man sich überlegen will, wie man heuer damit umgeht. Als bereits im vergangenen Jahr das Volksfest ausfallen musste, geschah das schweren Herzens. Es wäre das 60. Taufkirchener Volksfest gewesen, ein Jubiläum noch dazu. Die Brauerei hat dennoch eine kleine Menge Festmärzen gebraut und es in Flaschen abgefüllt. Wer eines der begehrten Tragl erwerben konnte, bekam noch einen Gutschein für eine große Breze mit dazu, einlösbar auf dem Taufkirchener Volksfest 2021. Damals war ein Impfstoff bereits in Aussicht, im Sommer zerbröselte das Virus unter UV-Licht, die Inzidenz ging gegen Null und man rechnete mit einem baldigen Ende der Pandemie.

"Ich habe seit einem halben Jahr kein Fassl Bier mehr abgefüllt."

Als Laie könnte man nun meinen, dass die Flaschengärung beim Festmärzen ein gangbarer Weg sein könnte. Wenn das Volksfest stattfindet, würde man es dort ausschenken, andernfalls würde man es über die Getränkemärkte verkaufen. Aber das ist unrealistisch: Zum einen würde man auf einem Volksfest mit dem Einschenken gar nicht nachkommen, wenn man nur Bier aus Flaschen verwenden würde. Zum anderen ist der Umsatz weitaus geringer, wenn die Feste dann doch ausfallen und sich die Kunden nur ab und zu zuhause mal eine Halbe aufmachen. Für die Brauereien ist das ein wirtschaftliches Risiko, manche haben bereits Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Man liest zwar immer wieder, dass in Corona-Zeiten zuhause mehr Alkohol getrunken wird. Aber von Seiten der Brauereien heißt es einstimmig, das würde die normalen Umsätze in den Gaststätten und Biergärten bei weitem nicht ausgleichen.

Bei der Brauerei Bachmayer in Dorfen rechnet Inhaber Josef Hörmann nicht damit, dass das Dorfener Volksfest Mitte August stattfinden wird. Er wolle der Stadt Dorfen nicht vorgreifen, betont er. "Aber ich kann es mir nicht vorstellen. Ich habe seit einem halben Jahr kein Fassl Bier mehr abgefüllt." Außerdem benötige ein Volksfest mindestens drei Monate Vorlauf, um Essen, Bands und Mitarbeiter zu organisieren. "Wir Brauereien tun uns da noch am leichtesten, weil das Bier nur zwei Monate fürs Brauen und Lagern benötigt."

Michael Reiter von der Reiter-Brauerei in Wartenberg würde sich gerne eine Glaskugel wünschen, mit der man in die Zukunft blicken könnte. "Aktuell haben wir nun einen Lockdown bis Mitte Mai", bis Mitte Juni, wenn das Volksfest stattfinden sollte, sehe er keine realistische Chance. In Wartenberg gebe es zwar ein paar Spekulationen, dass man das Volksfest eventuell in den September verschieben könnte. Aber gesetzt den Fall, dass Großveranstaltungen dann wieder zulässig seien, käme es zu Terminüberschneidungen bei Zeltverleihern und Schaustellern, weil dann viele Gemeinden ihre Volksfeste nachholen möchten. Zudem fänden dann auch noch das Erdinger Herbstfest und das Oktoberfest statt; und kein Mensch käme wohl auf die Idee, in einem Monat fünf Volksfeste zu besuchen.

Beim Erdinger Weißbräu, der das Herbstfest in Erding beliefert, ist noch keine Entscheidung gefallen, ob Festbier gebraut wird. "Wir können uns noch Zeit lassen", hieß es aus der Pressestelle. Man werde schauen, wie sich die Impfkampagne entwickele. Von diesen Zahlen werde es wohl abhängen, ob das Herbstfest heuer stattfinden könne.

Bei der Brauereigenossenschaft Taufkirchen geht man davon aus, dass man bei dem Gespräch in der kommenden Woche mit Festwirten und Bürgermeister sehr wahrscheinlich mit einer Absage rechnen muss. Braumeister Tom Drechsel will es aber handhaben wie im vergangenen Jahr und Festbier brauen und es in Flaschen für die Getränkemärkte abfüllen. Das hat auch mit einem gewissen Kultstatus dieses Bieres zu tun: Die Taufkirchener haben es mal beim international renommierten Wettbewerb "European Beer Star" eingereicht und prompt die Bronzemedaille gewonnen. Seither rühmen sich die Taufkirchener selbstbewusst, bei ihnen gebe es das drittbeste Volksfestbier der Welt. Daraus ergeben sich in der Kundenbindung auch gewisse Verpflichtungen. Außerdem hofft Drechsel, dass im Sommer die Inzidenz wieder so weit nach unten gehen könnte, dass kleine Gartenfeste mit fünf bis zehn Gästen möglich sein könnten. Und dabei könne man sich dann das Festbier schmecken lassen. Mitte Juni soll es in den Handel kommen. Aber die Brezengutscheine kann man erst 2022 einlösen.

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SZ vom 24.04.2021
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