Dürfen Flüchtlinge arbeiten?:Restriktive Behörde

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Eine Umfrage bei oberbayerischen Landratsämtern belegt: Im Landkreis Erding werden Anträge von Asylbewerbern auf Arbeits- und Ausbildungserlaubnis sehr viel öfter abgelehnt als anderswo

Von Florian Tempel, Erding

Eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung bei den Landratsämtern in Oberbayern bestätigt, was die im Landkreis Erding lebenden Flüchtlinge und die Mitglieder der hier aktiven Helferkreise schon seit Monaten erleben: Ob ein Flüchtling arbeiten darf oder ob er seine Tage damit verbringen muss, ohne Aufgabe in der Unterkunft herumzusitzen, hängt entscheidend vom Wohnort ab. Im Landkreis Erding werden Anträge auf Arbeitserlaubniss viel öfter abgelehnt als anderswo.

Von allen 20 angeschriebenen oberbayerischen Landkreisbehörden lieferten elf Ämter Zahlen, aus denen hervorgeht, wie oft im vergangenen Jahr Arbeits- und Ausbildungsanträge für Asylbewerber oder Geduldete genehmigt oder abgelehnt worden sind. Die anderen Landratsämter teilten mit, dass sie solche Daten nicht automatisch erfassen und deshalb keine Aussagen dazu treffen könnten. Eine schriftliche Anfrage der Landtagsabgeordnete Angelika Weikert (SPD) zum gleichen Thema hatte die bayerische Staatsregierung mit derselben Begründung weitgehend unbeantwortet gelassen. Es lägen "keine statistischen Angaben vor" und "ihre Erhebung wäre nur mit nicht vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich", hieß es auf Weikerts Anfrage.

Die mit Abstand wenigsten Arbeitserlaubnisse

Aus den Daten, die die SZ eingesammelt hat, geht hervor, dass die Unterschiede innerhalb des Regierungsbezirks Oberbayern extrem sind. Im Landkreis Erding werden mit Abstand die wenigsten Arbeitserlaubnisse erteilt: Nur jeder vierte Antrag wurde 2017 genehmigt, dreimal mehr wurden abgelehnt. Bei den Anträgen auf Ausbildung sieht es laut den vom Landratsamt vorgelegten Zahlen besser aus: jeder Zweite bekam eine Erlaubnis.

Im Vergleich mit anderen Landkreisen ist die Erdinger Genehmigungspraxis sehr restriktiv. In den Nachbarlandkreisen Freising, Ebersberg, München und Mühldorf wurden im vergangenen Jahr 80 bis 95 Prozent der Anträge auf Arbeitserlaubnis genehmigt, die gleichen Prozentsätze gelten bei Ausbildungen. Im Großraum München fällt neben dem Landkreis Erding der Landkreis Fürstenfeldbruck mit einer vergleichsweise strikten Behördenpraxis auf: Auch dort werden Arbeitsanträge öfter abgelehnt als genehmigt. Nur 40 Prozent bekamen 2017 eine Erlaubnis, 60 Prozent erhielten sie nicht. Bei den Ausbildungsplätzen war man weniger streng, genehmigte immerhin zwei Drittel der Azubi-Anträge.

Landrat Bayerstorfer ist für einen harten Kurs bekannt

Die ganz unterschiedliche Genehmigungspraxis lässt sich nicht wegdiskutieren. Das Argument, es werde jeder Einzelfall geprüft und deshalb könne es natürlich zu Unterschieden kommen, zieht angesichts so massiv diskrepanter Zahlen nicht. Eine nachvollziehbare Erklärung ist hingegen diese: Es gibt offenbar behördeninterne Vorgaben durch den jeweiligen Landrat, den Ermessensspielraum großzügiger oder restriktiver auszuschöpfen. Somit läge es letztlich vor allem an jeweils einer einzigen Person, ob Asylbewerber arbeiten oder eine Ausbildung machen dürfen oder nicht. Das deckt sich allerdings mit Äußerungen der verschiedenen Landräte.

Der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) ist seit langem für einen harten Kurs in der Asylpolitik bekannt. Wenn er sich zum Thema Arbeit und Ausbildung für Asylbewerber äußert, spricht er vorwiegend von Recht und Ordnung. Er sagt Sätze wie diese: "Wir können uns nicht über geltendes Recht hinwegsetzen" oder "kein einziger Bescheid, den wir gemacht haben, ist vor Gericht anders entschieden worden". Sein Ebersberger Amtskollege Robert Niedergesäß (CSU) hat hingegen vor Kurzem erst gesagt, er wolle die Hürden für eine Arbeitserlaubnis in seinem Landkreis niedriger legen: "Die Betroffenen müssen nicht die ganze Zeit in der Unterkunft sitzen, sie können ihre Zeit sinnvoll verbringen. Die Betriebe profitieren, weil sie die Arbeitskräfte brauchen."

Barbara Stamm kommt nach Aufkirchen

Die Aktionsgruppe Asyl Erding (AGA) greift in den kommenden Tagen das Thema zweimal auf. An diesem Samstagvormittag wird um 10 Uhr auf dem Schrannenplatz "mit Lärm gegen das Ausbildungs- und Arbeitsverbot" demonstriert.

Am Dienstag, 6. März, folgt eine große öffentliche Podiumsdiskussion in der Montessori-Schule in Aufkirchen (Beginn 19.30 Uhr), zu der auch Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) kommt.

Stamm gehört, im Gegensatz zum Erdinger Landrat, ganz gewiss nicht zu den CSU-Hardlinern in der Asylpolitik. In einem Interview aus dem Juni 2017 sagte Stamm, sie wolle nicht, "dass die Flüchtlinge bei uns rumsitzen, Marktplätze belagern, keine Tagesstruktur haben - wir tun den Betroffenen damit keinen Gefallen und für die Bevölkerung wird das Ärgernis sonst zunehmend größer." Sie sprach sich dezidiert für Bildung und Ausbildung aus: "Wir sollten jede Chance nutzen, den Menschen, die auf Zeit bei uns sind, möglichst viel an Bildung und berufliche Qualifikation mitzugeben."

© SZ vom 03.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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