Internationaler Frauentag:"Es reicht noch nicht"

Internationaler Frauentag: Auf dem Podium am Montagabend (von links) Sabine Trettenbacher, Gleichstellungsbeauftragte Landkreis Erding, Erdings Zweite Bürgermeisterin Petra Bauernfeind, Staatsministerin Ulrike Scharf, sowie die Kreisrätinnen Helga Stieglmeier und Gertrud Eichinger.

Auf dem Podium am Montagabend (von links) Sabine Trettenbacher, Gleichstellungsbeauftragte Landkreis Erding, Erdings Zweite Bürgermeisterin Petra Bauernfeind, Staatsministerin Ulrike Scharf, sowie die Kreisrätinnen Helga Stieglmeier und Gertrud Eichinger.

(Foto: Renate Schmidt)

Warum sind Frauen in den Parlamenten immer noch eine Minderheit? Diese Frage diskutieren vier Politikerinnen unterschiedlicher Couleur. Sie sind sich ziemlich einig.

Von Regina Bluhme, Erding

Für Ulrike Scharf und Helga Stieglmeier dürfte der Montagabend für ein Déjà-vu Erlebnis gesorgt haben. Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren diskutierten die beiden in der Volkshochschule (VHS) Erding über die Frage, warum so wenig Frauen in politischen Gremien vertreten sind. Nun saßen Scharf, inzwischen bayerische Familienministerin von der CSU, und Stieglmeier, Kreisrätin und frauenpolitische Sprecherin der Grünen in Bayern, erneut zum Internationalen Frauentag bei der VHS auf dem Podium. Mit dabei diesmal Erdings Zweite Bürgermeisterin Petra Bauernfeind (FW) und SPD-Kreisrätin Gertrud Eichinger sowie Erdings Gleichstellungsbeauftragte Sabine Trettenbacher. Und wieder lautete das Thema: Warum sind Frauen unterrepräsentiert in den Parlamenten?

Frauen hätten in fast allen Bereichen aufgeholt, betonte zu Beginn VHS-Geschäftsführerin und Moderatorin Doris Fähr. Aber von einer gleichberechtigten Teilhabe in der Politik könne auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts nicht die Rede sein. Die Zahlen von Sabine Trettenbacher untermauerten dies. Im Kreistag Erding sitzen 20 Frauen - und 40 Männer. Es gibt vier Erste Bürgermeisterinnen - in insgesamt 26 Gemeinden. Da ist noch ordentlich Luft nach oben. In ihrem beruflichen Umfeld sehe es aber anders aus, fügte Trettenbacher an. Am Landratsamt Erding seien 50 Prozent der Führungskräfte weiblich.

Bei der Quote werde sie "nicht locker lassen", sagt Ulrike Scharf

Staatsministerin Ulrike Scharf, zugleich Landesvorsitzende der Frauen-Union Bayern und Frauenbeauftragte der Staatsregierung, räumte offen ein, dass es in der CSU immer noch "zu wenig Frauen in Verantwortung" gebe. An der Qualifikation mangle es jedenfalls nicht. Es helfe nur die Quote, das zeige sich bei SPD und Grünen. "Ich werde da nicht lockerlassen", betonte Scharf. "Es reicht noch nicht." Auch die Wirtschaft sei auf Frauen angewiesen. Scharf verwies auf die angekündigte Novellierung des Gleichstellungsgesetzes. "Auch da bleiben wir dran."

Petra Bauernfeind betonte, dass es an engagierten und auch selbstbewussten Frauen nicht mangle. Das sehe man am Ehrenamt. Da seien die Frauen absolut in der Mehrheit "und wir sagen dort auch den Männern durchaus wo es langgeht".

"Ich werde schon langsam ungeduldig", erklärt Helga Stieglmeier

Seit über 100 Jahren gebe es das Frauenwahlrecht "und noch immer reden wir drüber. Ich werde schon langsam ungeduldig", erklärte Helga Stieglmeier. Einig waren sich alle: Ohne Quote geht es nicht voran. Gertrud Eichinger bekannte: "Ich bin eine Quotenfrau." Sie sei damals als Elternbeiratsvorsitzende gefragt worden, ob sie nicht für den Gemeinderat kandidieren wolle. Es hat dann geklappt.

Ulrike Scharf erklärte, das Wort Quote klinge ihr zu sehr nach "Kampfbegriff". Vielleicht finde sich ein anderes Wort? Eichinger hatte eins: Parität. Wobei sie auch von einer "Geschlechterquote" sprach, denn in bestimmten Bereichen müsste der Männeranteil gefördert werden, etwa bei der Betreuung in Kitas.

Wer daheim bleibt, das bestimmt der Gehaltszettel

Einig waren sich die Frauen auf dem Podium, dass es noch immer gesellschaftliche Barrieren gibt: Care-Arbeit, ob Kindererziehung oder Pflege, ist immer noch hauptsächlich Frauensache. "Der springende Punkt" (Scharf), "die gläserne Decke" (Stieglmeier) beim beruflichen wie politischen Engagement sei: die Familienplanung. Zum einen müsse die Kinderbetreuung weiter ausgebaut werden, zum anderen müsse laut Stieglmeier auch die Elternzeit paritätisch besetzt werden: Heute würden junge Väter für zwei Monate Auszeit "hoch gelobt", über die Mütter, die den Hauptteil erledigen, spricht niemand. "Wer daheim bleibt, das bestimmt der Gehaltszettel", so Eichinger. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, auch das ein Thema seit Jahrzehnten.

Die Frauen müssen sich aber auch einfach trauen, ist die Meinung von Petra Bauernfeind. Als der Sohn noch kleiner gewesen sei, habe sie schon manchmal ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn sie auf einen Termin gegangen sei, "ein Mann hat das nicht". Zudem, auch da waren sich die Frauen einige, kommunizierten Männer anders als Frauen. Man müsse schon lernen, Contra zu geben und Widerspruch auszuhalten, sagte Eichinger.

Auch die Sitzungszeiten der Gremien sollten überdacht werden

Vorbilder spielten eine große Rolle, sagte Ulrike Scharf. Und es helfe, wenn politisch engagierte Frauen ihrerseits Frauen ansprechen würden, ob sie sich nicht im Gemeinde- oder Stadtrat engagieren wollten. "Ich war erfolgreich beim Anwerben", so Eichinger.

Es kamen auch selbstkritische Töne. In Bayern gebe es 300 Ausbildungsberufe, "und nur zehn davon haben junge Frauen im Portfolio, zehn!", sagte Ulrike Scharf. Noch immer suchten Frauen nach Neigung und Talent, wohl, weil sie auch viel selbstkritischer und oft perfektionistisch sind. "Männer denken viel strategischer." Die Lösung der Misere sollte jetzt aber auch nicht nur den Frauen zugeschrieben werden, so Stieglmeier: "Das ist eine gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe." Um Politik und Familie besser unter einen Hut zu bekommen, gehört für sie auch, die Sitzungszeiten des Stadtrats oder Gemeinderats zu überdenken und endlich auch eine Online-Teilnahme zu ermöglichen.

Letztendlich zeigten sich die Teilnehmerinnen auf dem Podium aber optimistisch. Gerade die junge Generation sei selbstbewusst und engagiert, und das gelte für Frauen und Männer. Mal schauen, was in zehn Jahren ist.

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Sie wickeln, füttern und sind ihren Kindern irre nah. Theoretisch zumindest. Aber wer liest all die Bücher, die gerade über die "neuen" Väter erscheinen? Im echten Leben ist der Trend jedenfalls kaum zu spüren.

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