Süddeutsche Zeitung

Überlastete Ambulanz:Psychische Erkrankungen nehmen zu

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Lange Wartelisten bei den Fachärzten und erheblich steigende Zahlen bei den beiden psychiatrischen Institutsambulanzen des Klinikums Taufkirchen

Von Thomas Daller, Taufkirchen

Psychische Erkrankungen nehmen im Landkreis deutlich zu. Das spüren nicht allein die niedergelassenen psychiatrisch arbeitenden Fachärzte, die alle über lange Wartelisten verfügen. Deutlich wird dies auch an den Zahlen der psychiatrischen Institutsambulanz des Klinikums Taufkirchen. Sie sind von 2730 im Jahr 2010 auf 3016 im Jahr 2014 gestiegen. Die Zahlen von 2015 liegen für Taufkirchen noch nicht vor. In der Institutsambulanz in Freising, die eine Außenstelle des Klinikums Taufkirchen ist, ist der Trend noch stärker ausgeprägt. Dort ist die Zahl der ambulant behandelten Patienten von 138 im Jahr 2013 auf 209 im Jahr 2015 gestiegen. Das ist ein Anstieg um 51,4 Prozent.

Psychische Erkrankungen nehmen insgesamt deutlich zu. Laut Berichten der Krankenkassen sind beispielsweise Fehlzeiten am Arbeitsplatz zwischen dem Jahr 2000 und 2012 um 170 Prozent gestiegen. Auch sind bestimmte psychische Erkrankungen wie Depressionen heute weitaus weniger stigmatisiert als noch vor wenigen Jahren. Den Betroffenen fällt es daher leichter, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Doch die Suche nach verfügbarer ambulanter Hilfe gestaltet sich schwierig: Wer unter psychischen Problemen leidet, muss selbst auf ein Erstgespräch beim Psychologen oft monatelang warten. Diese Entwicklung schlägt sich insbesondere in den Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) nieder. Bei den Kliniken des Bezirks Oberbayern (kbo) nimmt der ambulante Bereich mittlerweile den Löwenanteil ein: 2013 wurden im Vergleich mit den stationär und teilstationär versorgten Patienten etwa doppelt so viele Patienten ambulant versorgt. 2014 waren es bereits zweieinhalb mal mehr Patienten, die ambulant behandelt werden.

30 Prozent der ambulanten Patienten in den Institutsambulanzen der kbo-Kliniken haben Depressionen, 20 Prozent leiden unter Schizophrenie, 13 Prozent an Angststörungen, zwölf Prozent an Demenz, zehn Prozent an Sucht und acht Prozent an Borderline-Störungen. Fachleute gehen davon aus, dass jeder Mensch in eine Situation geraten kann, in der kritische Ereignisse längerfristig hohen psychischen Druck erzeugen: der neue Chef, der einen mobbt, der Engpass in der Firma, der die Arbeitsbelastung verdoppelt, ein schwerer Krankheitsfall in der Familie oder der Partner, der die Trennung ankündigt. Es kann dann zu einer Erschöpfungsdepression kommen, nicht selten begleitet von Symptomen einer Angststörung. Die Leistungsfähigkeit im Beruf wird beeinträchtigt, selbst einfache Alltagsaktivitäten können zu unüberwindlichen Hindernissen werden. Wenn ein Patient in einer akuten psychischen Krise zu seinem Allgemeinarzt kommt, kann er ihn an die Institutsambulanz in Taufkirchen überweisen. Dort springt man auch überbrückend ein, bis ein Platz auf der Warteliste bei einem der niedergelassenen psychiatrisch arbeitenden Fachärzte frei wird.

Henner Lüttecke, Pressesprecher des kbo-Isar-Amper-Klinikums, erklärt den Anstieg der ambulant versorgten Patienten "nicht ausschließlich" durch das gehäufte Auftreten psychischer Krankheiten. Lüttecke geht von mehreren Faktoren aus: Zuzug und Bevölkerungsentwicklung spiele eine Rolle; ferner habe man die Stigmatisierung dieser Patienten abgebaut, deswegen würden die psychiatrisch-psychotherapeutischen Angebote nun besser angenommen. Aber es sei eben auch ein strukturbedingtes Defizit in der ambulanten Versorgung, weil die Zahl der niedergelassenen psychiatrisch arbeitenden Fachärzte abnehme: "Hier sind insbesondere schwerer erkrankte Patienten betroffen, die dann wiederum rascher bei uns auftauchen."

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SZ vom 26.01.2016
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