Sport :Die erste Präsidentin

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Irmgard Borgs, neugewählte Präsidentin des TSV Erding. (Foto: Renate Schmidt)

Beim TSV 1862 Erding steht zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte eine Frau an der Spitze: Irmgard Borgs. Die Leiterin der Karateabteilung findet, Frauen sollten sich ruhig mehr zutrauen.

Von Regina Bluhme, Erding

In den USA kommt mit Kamala Harris womöglich im November zum ersten Mal eine Frau ins Präsidentenamt. Erding ist da ein Stück weiter. Hier gibt es bereits eine Präsidentin: In Irmgard Borgs wurde vor zwei Wochen eine Frau an die Spitze des TSV 1862 Erding gewählt, zum ersten Mal in der langen Vereinsgeschichte.

Seit 40 Jahren ist die Erdingerin Irmgard Borgs Mitglied im TSV Erding, mit circa 2700 Mitgliedern einer der größten Sportvereine in der Stadt. Mehr als 20 Sportarten sind unter seinem Dach versammelt. Irmgard Borgs leitet die Karateabteilung. Dort trainieren um die 130 Mitglieder, im Alter von sechs bis über 60. Viele Jahre war sie in ihrem Sport sehr erfolgreich, stand bei bayerischen und deutschen Meisterschaften auf dem Siegertreppchen. Und Irmgard Borgs trägt den Gürtel 6. Dan.

Karatesport sei zwar immer noch „etwas männerlastig“, sagt die 55-Jährige, aber die Frauen seien auf dem Vormarsch, gerade was die Erdinger Abteilung betreffe. Beim Karatesport gehe es darum, sich auf einen Punkt zu konzentrieren und zu fokussieren und dann mit Schnelligkeit die Technik umzusetzen. Im Grunde sei es sehr koordinativ, „eine Ganzkörpersportart wie Turnen“.

Lange Zeit war Irmgard Borgs, die nebenberuflich in einer Steuerkanzlei arbeitet, ehrenamtlich als Vizepräsident des Bayerischen Karatebunds engagiert. So richtig im Fokus hatte sie all die Jahre das Präsidentenamt beim TSV Erding dabei nicht. Doch dann erklärte vor etwa einem halben Jahr ihr Vorgänger Rainer Winter, erst seit 2021 im Amt, dass er aus beruflichen Gründen einen Schritt zurücktreten wolle. Sagen wir es so: Das Bewerberfeld für die Nachfolge blieb überschaubar. Schließlich meldete Irmgard Borgs – vorsichtig – Interesse an. „Ich habe mich zunächst einmal nur mal erkundigt, was dieses Amt denn so mit sich bringt“, erzählt sie.

Ein Viertel aller bayerischen Sportvereine wird von einer Frau geführt

Dann ging es aber doch schnell. Nach Gesprächen mit Präsidium und dem Vereinsrat sowie mit den Abteilungsleitern war klar: Irmgard Borgs steht bereit. Vor zwei Wochen wurde sie in der Delegiertenversammlung dann auch zur Präsidentin gewählt. „Über die Wahl und die positiven Rückmeldungen habe ich mich ehrlich gefreut“, sagt Borgs.

Mittlerweile wird mehr als ein Viertel aller 11 500 bayerischen Sportvereine von einer Frau geführt, ist bei Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) zu erfahren. Allein in Oberbayern stünden mehr als 450 Frauen einem Verein vor. „Die neue Präsidentin des TSV 1862 Erding ist damit in allerbester Gesellschaft, aber in keiner Weise eine Seltenheit“, schreibt des BLSV.

Irmgard Borgs war zuvor viele Jahre Vizepräsidentin beim Bayerischen Karatebund

Die Frauen sind also auf dem Vormarsch, aber es könnten schon noch mehr sein. Nach Ansicht von Irmgard Borgs liegt das oft auch an den Frauen: Während Männer bei Interesse für ein Amt gleich rufen: „Ich mache das!“, würden Frauen „lieber darauf warten, dass sie gefragt werden“. Dabei sollten Frauen ruhig mehr zutrauen, fügt sie hinzu. Wichtig sei ihr jedoch, dass immer die Person und deren Qualifikation den Ausschlag geben müsse und nicht allein das Geschlecht.

Als Präsidentin des TSV führt sie nun in Erding die Geschäfte, auf sie warte „ein starker Verwaltungsapparat“. Zum Glück sei vieles unter ihrem Vorgänger digitalisiert worden, so Borgs. Sie wolle sich jetzt erst einmal in die Organisation einarbeiten und bei den Abteilungen vorstellen. Ein Treffen will sie nach der Sommerpause organisieren und abwarten, welche Wünsche und Ideen an sie herangetragen werden.

Das gemeinsame Trainieren in Sportvereinen ist wieder mehr gefragt

Irmgard Borgs, verheiratet und Mutter von zwei Kindern, setzt auf Teamarbeit. „Ich bin ja nicht allein“, sagt sie. Ihr Vorgänger Rainer Winter bleibt als Zweiter Vizepräsident und Schatzmeister im Vorstand, Alfred Teicht ist Erster Vizepräsident und dann sind da Günther Sandner, Florian Döllel und Anton Weigl.

Die Zeiten werden allerdings nicht einfacher für die Vereinsarbeit. Sie habe den Eindruck, „dass Politik und Wirtschaft schon einmal mehr hinter dem Sport gestanden sind“. Für die ehrenamtlichen Trainer sei es zum Beispiel mitunter nicht mehr so leicht, einmal früher von der Arbeit loszukommen. Das werde heute mitunter nicht mehr so gerne vom Arbeitgeber gesehen, weiß Irmgard Borgs. Auch mit Spenden, zum Beispiel von T-Shirts, würden sich Sponsoren stärker zurückhalten.

Dafür mache sich ein anderer Trend positiv bemerkbar: Die Leute wollen nicht mehr nur allein vor sich hin trainieren, „sie wollen wieder gemeinsam mit anderen Sport machen“, gemeinsam im Verein.

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