Tourismus:Noch lange nicht genug

Mehr als Therme und Flughafen: Der Landkreis will auch mit anderen Attraktionen Gäste nach Erding locken. Die Tourismusindustrie freut's - und der Betten-Boom wird noch lange anhalten

Von Mathias Weber, Erding

Jetzt kehrt erst einmal ein wenig Ruhe ein. Jetzt, nach dem Stress der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels, wenn für viele die Arbeit wieder beginnt, dürfen sich die Gastronomen und Hoteliers im Landkreis ein wenig zurücklehnen. Vielleicht Reparaturen angehen, in den Urlaub fahren, Kräfte für das kommende Jahr sammeln - und sich auf den nächsten Besucherrekord vorbereiten. Denn der wird aller Voraussicht nach kommen, wenn 2015 im Landkreis so weitergeht, wie das vergangene Jahr geendet hat: Um 3,9 Prozent ist die Zahl der Ankünfte von Gästen im Landkreis von Januar bis November 2014 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen.

Knapp 603 000 solcher Ankünfte gab es in diesen elf Monaten; mehr als die Hälfte der Menschen, die hier übernachten, stammen aus der Bundesrepublik. Wieder einmal zeigt sich also, dass der Tourismussektor im Landkreis stetig wächst, und dass nach wie vor Luft nach oben ist. Und für die Stadt Erding selbst ist sogar ein Rekord zu vermelden: Im August 2014 haben mehr als 20 000 Gäste zusammen 38 166 Nächte in Erding geschlafen - so viel wie noch nie.

Für Günther Pech, der das Marketing der Stadt Erding betreut, sind die neuen Zahlen keine Überraschung: "Das Bettenangebot ist ja gestiegen", sagt er. In Erding hatte vergangenen Februar die Ibis-Hotelkette mit einem Budget-Hotel ein Haus für den eher schmalen Geldbeutel eröffnet, zum Ende des Jahres ist auch der Betrieb im neuen Thermenhotel angelaufen - zusammen sind das mehr als 230 Zimmer, die meisten können zwei oder mehr Personen aufnehmen. Aber auch eines zeigen die aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes: Der Erdinger Übernachtungsgast bleibt im Durchschnitt nicht mehr als 1,6 Tage hier. Das ist zusammen mit dem Landkreis Freising die niedrigste Zahl in ganz Oberbayern. Zum Vergleich: Im Berchtesgadener Land und im Landkreis Traunstein bleiben die Gäste im Durchschnitt 4,3 Tage, in den Nachbarlandkreisen Ebersberg und Mühldorf immerhin noch knapp über zwei Tage. Schuld ist zum Großteil der Flughafen, das Zugpferd des Hotelgewerbes: Dort übernachten die Gäste eben nur einmal, bis der nächste Flug startet. Erdings Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) sagt: "Dass die Zahlen so gut sind, ist nicht selbstverständlich."

Denn das ist das Dilemma des Landkreises: Er ist keine originäre Urlaubsregion. Das sagt auch Franz Haas, der Vorsitzende der Kreisstelle des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Er betreibt das Restaurant Stiller Lindum bei Dorfen. Auch wenn sein Lokal gut läuft, glaubt er doch nicht, dass der gesamte Landkreis Erding eine Urlaubsregion sei. Kaum jemand komme nur wegen der schönen Landschaft zum Beispiel ins Isental oder ins Holzland. Doch wie kann man das ändern? Auf mehreren Ebenen wird daran gearbeitet. Zum Beispiel hatte der Landkreis die Idee, mit dem Fahrradleihkonzept des Anbieters Movelo Gäste dazu zu bringen, doch einen Tag dran zu hängen und den Landkreis per E-Bike zu erkunden. Die Idee ist misslungen, das System hat seine zweite Saison nicht überlebt. Für Dehoga-Chef Haas keine Überraschung: "Wer hierher zum Fahrradfahren kommt, bringt sein eigenes Fahrrad mit", sagt er. Andere Ansätze wirken vielversprechender. So engagiert sich die Stadt Erding stark im Verein "Tourismus Oberbayern München", in dessen Vorstand Oberbürgermeister Max Gotz seit etwas mehr als einem Jahr sitzt. Gotz vertritt die so genannten nicht-alpinen Destinationen im Verein, soll also zusammen mit München ein Gegengewicht zu den traditionell starken Urlaubsorten an und in den Alpen bilden. "Tom", wie der Verein kurz genannt wird, soll eine Marke bilden, ein Ansprechpartner für Gäste. Gotz zufolge gelinge das gut, über die einzelnen Regionen hinweg. Man präsentiert Oberbayern und insbesondere die Nicht-Alpen-Ziele gemeinsam auf Messen und in Medien. Ein Beispiel: Ende vergangenen Jahres hat der Verein eine Beilage in der Bunten geschaltet, unterstützt mit Fördergeldern. Darin auch vier Tipps zu Erding: Die Therme, das Museum Erding, Umweltministerin Ulrike Scharf hat den Marienweg in Maria Thalheim beworben und die Kabarettistin Monika Gruber "Shopping in Erding".

Tourismus: Neues Thermen-Hotel: Platz für Hunderte Gäste.

Neues Thermen-Hotel: Platz für Hunderte Gäste.

(Foto: Renate Schmidt)

Sind diese Maßnahmen erfolgreich, wovon Gotz überzeugt ist, werden immer mehr Touristen in den Landkreis kommen - und es wird sich weiterhin lohnen, in Erding ein Hotel oder eine Pension zu eröffnen. Denn solange die Bettenauslastung im Landkreis zwischen 50 und 60 Prozent liegt - eine Auslastung über 40 Prozent gilt als sehr profitabel - werden es sich große Hotelunternehmen nicht nehmen lassen, hier zu investieren. Und Platz gibt es nach wie vor: OB Gotz sagt, der Bebauungsplan in Erding West böte noch die Möglichkeit für ein weiteres großes Hotel - konkrete Planungen gäbe es aber noch keine. Auch sei ein neues Hotel in Altstadtnähe erstrebenswert, Gotz will dies in den kommenden Jahren forcieren.

Gastronom Franz Haas erwartet in den kommenden Jahrzehnten einen Hotelboom auch im östlichen Landkreis - wegen der neuen Autobahn und einer verbesserten Zugverbindung nach München. "Hier wird sich einiges tun", glaubt Haas, und verweist auf die Investitionen entlang der Deggendorfer Autobahn oder an der bestehenden A 94, in Markt Schwaben zum Beispiel. Er selbst wird direkt von dem Neubau betroffen sein, sein Restaurant ist nur hundert Meter von der neuen Trasse entfernt und wird dereinst von einem Wall gegen den Autolärm geschützt werden. Hat er schon Angst vor der Straße, oder betrachtet er sie als Chance, wird er sogar irgendwann selbst Betten anbieten? "Ich mache mir jetzt noch keine Gedanken", sagt er, "man wird sehen."

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