Süddeutsche Zeitung

Tierschutzverein :Gut überlegt, niemals spontan

Lesezeit: 3 min

Im Tierheim bei Kirchasch warten viele Tiere auf ein neues Zuhause. Doch Interessenten werden sorgsam geprüft. Einsamkeit im Homeoffice ist allein keine hinreichende Voraussetzung

Von Irem Özkalgay

Eine Husky-Ratte schaut neugierig aus dem Käfig in die Kamera,

Kater Luzifer wartet auf ein neues Herrchen oder Frauchen...

...und das Kaninchen Marie stiehlt allen die Show.

Im Corona-Lockdown war für viele die schnelle Lösung gegen Einsamkeit die Anschaffung eines Tieres. Doch Alexandra Wendelken, die Vorsitzende des Tierschutzvereins Erding, warnt eindringlich davor, sich aus einer spontanen Laune heraus ein Haustier zuzulegen. Das müsse man sich schon gründlich überlegen. Sie und ihre Kolleginnen achten im Tierheim bei Kirchasch besonders darauf, wem sie ein Tier übergeben und wem nicht. Das lohnt sich: es kommt nur sehr selten vor, dass ein Haustier zurückgegeben wird, dafür gibt es umso mehr glückliche Zusammenführungen.

"Momentan haben wir bei uns im Tierheim circa 200 Tiere, ein Großteil davon sind aber Vögel und Fische", sagt Alexandra Wendelken. Die 48-Jährige ist seit fünfeinhalb Jahren aktiv im Tierschutzverein. Das oberste Gebot ist für sie der Schutz von Tieren, in vielfältiger Weise. Die schlimmsten Fälle seien für sie Katzen, die von Bauernhöfen kämen. Viele dieser Katzen seien sehr krank und müssten erst einmal wieder aufgepäppelt werden. "Das Ziel ist es natürlich, die aufgenommenen Tiere gesund zu machen und sie dann im besten Fall an ein schönes Zuhause zu vermitteln", sagt Wendelken. Das klappe aber nicht immer. Unter den knapp 200 Tieren im Tierheimen sind momentan vier Hunde, 35 Katzen, einige Kaninchen und Ratten, die alle ein neues Zuhause suchen. "Außerdem haben wir inzwischen auch drei Farbmäuse."

Alexandra Wendelken, Vorsitzende des Tierschutzvereins Erding, mit einer inzwischen vermittelten Katze.

Ein Koi-Karpfen schwimmt im Teich des Tierheims Erding...

...und eine Taube sitzt im Taubenschlag.

Auf der Website des Tierschutzvereins Erding kann man sich, neben den Vermisst- und Gefunden-Anzeigen, alle für ein Adoption freigegebenen Tiere anschauen. Besonders bei Katzen und Hunden ist die Auswahl meist recht groß: von Jungtieren über ruhige, ältere Einzelgänger bis hin zu zutraulichen Pärchen ist alles dabei. Um die Suche nach einem passenden Tier etwas zu erleichtern, werden alle Tiere mit einem Foto und einem ausführlichen gesundheitlichen Bericht sowie einer kleinen Persönlichkeitsbeschreibung vorgestellt. So kann man sich vorab informieren, ob das Tier sterilisiert ist, wie alt es ist, ob es besondere Vorlieben oder Erkrankungen hat, ein Freigänger oder eine Hauskatze ist. Das ist alles sehr genau und sorgsam gemacht: Das Katzenpaar Wilma und Walter beispielsweise kann laut der Auskunft auf der Website nur gemeinsam an einen Haushalt ohne Kinder vermittelt werden. Auch etwas Erfahrung im Umgang mit Katzen sei bei diesen Zweien wünschenswert.

Über eine Mailadresse können sich Interessenten beim Tierschutzverein melden und einen Besuchstermin ausmachen, um die Tiere kennenzulernen. Auch über die Kosten einer erfolgreichen Vermittlung und alle nötigen Voraussetzungen für die Haltung eines Haustiers gibt es auf der Homepage des Tierschutzvereins Erding ausführliche Informationen.

Vor allem während des Corona-Lockdowns sei die Zahl der Menschen, die sich ein Haustier zulegen wollen, gestiegen, erklärt Wendelken und stellt eines gleich mal klar: "Wenn wir merken, dass sich jemand ein Tier anschaffen will, weil er jetzt mal eben einsam im Homeoffice ist, dann geben wir das Tier nicht raus, ganz einfach." Alle Mitarbeiter im Tierheim achteten sehr darauf, an wen sie die Tiere vermitteln. Dabei seien die Fragen, "Was mache ich mit dem Tier, wenn mal kein Homeoffice sein sollte?" und "Habe ich die finanziellen Mittel für ein Tier?" die wichtigsten, die man sich vor der Adoption stellen sollte. "Wenn wir auf diese Fragen keine Antwort bekommen, raten wir den Leuten, noch mal nach Hause zu gehen und sich das genau zu überlegen. Meistens kommen sie dann nicht wieder", sagt Wendelken. Sie habe aber den Eindruck, dass die meisten Menschen im Landkreis Erding sich Tiere überlegt anschaffen und nicht aus einer spontanen Laune heraus. Für die Vorsitzende des Tierschutzvereins ist das auch ein Grund, warum man im Erdinger Tierheim nicht wie anderswo durch vermehrte Abgaben von Tiere belastet sei: "Im Jahr sind das bei uns vielleicht fünf bis zehn Katzen und an die 20 Kaninchen und Meerschweinchen."

Als ein großes Problem erachte sie jedoch den Kauf von Tieren im Internet: "Die Leute, die von uns keine Tiere bekommen, kaufen sie dann teuer auf bestimmten Websites von unseriösen Züchtern." Oft würden sie dann aber schon nach kurzer Zeit feststellen: "Ups, klappt doch nicht!" Das seien dann die Tiere, die wieder im Tierheim abgegeben werden.

Um eine glückliche Zusammenführung von Tier und Mensch zu ermöglichen, sei es besonders wichtig, dass das Tier zum Menschen passe und umgekehrt. "Eine Katze, die unbedingt Freigang braucht, kann mit keinem Menschen glücklich sein, der nur eine kleine Ein-Zimmer-Wohnung in der Großstadt hat", sagt Wendelken. Es komme also immer auf die Lebenssituation des Tierliebhabers an. Jeder, der sich ein Tier anschaffen will, sollte ausreichend Zeit und die finanziellen Mittel mitbringen, um das Tier bis zum Ende seines Lebens zu versorgen. Wichtig sei für sie bei einer Vermittlung, immer zum Wohle des Tieres zu entscheiden und bei kleinsten Zweifeln das Tier nicht rauszugeben, betont Alexandra Wendelken: "Tier und Mensch müssen einfach zusammenpassen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5502727
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.01.2022
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.