Tierische Bewohner:Exoten auf dem Bauernhof

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Die Waschbären Max und Moritz bringen Stachelschwein Elvis um den Mittagsschlaf - und dann ist da noch eine Emu-Horde: Warum Familie Schraufstetter aus Taufkirchen tierische Findelkinder beherbergt.

Thomas Daller

Elvis pennt. Das Stachelschwein wird erst abends, in der Dämmerung, aktiv. Aber wenn man zwei solche Radaubrüder wie Max und Moritz als Nachbarn hat, ist an ein ausgedehntes Mittagsschläfchen nicht zu denken. Die beiden sind nämlich Waschbären und Max, der jüngere, ist gerade ausgebüxt. Stefan Schraufstetter hat nur einen Moment die Tür aufgemacht, um Futter reinzustellen, schon rennt Max den Hühnern hinterher, die gackernd auseinander stieben. Schraufstetter flitzt hinterher, packt ihn wie eine Katze am Nackenfell und trägt ihn zurück ins Gehege.

Max und Moritz, die beiden Waschbären, sind verspielt, neugierig und wieselflink. Sie lassen sich gerne mit frischem Obst verwöhnen und lieben eine gelegentliche Hatz auf die Hühner. Ärgern sollte man sie besser nicht: "Sie haben ein Raubtiergebiss", warnt Stefan Schraufstetter. (Foto: Thomas Daller)

Auf dem Hof der Familie Schraufstetter in Holzlehen bei Taufkirchen in einsamer Waldrandlage leben etliche Tiere, die eines gemeinsam haben: Ihre Vorbesitzer wollten sie nicht mehr haben. Elvis, das Stachelschwein, war früher Teil einer Tiershow, die auf Volksfesten und Jahrmärkten zu sehen war. Vor einem dreiviertel Jahr sattelte der Eigentümer auf den Verkauf von Fruchtspießen um. Die Tiere wurden verhökert, nur für Elvis fand sich kein Interessent. Bis ihn Stefan Schraufstetter im Internet entdeckte und zu sich holte.

Mittlerweile ist Elvis recht zutraulich, frisst die gelben Rüben aus der Hand, die ihm Stefan Schraufstetter anbietet und kommt auch mit den Waschbären gut klar, die einen Gang in sein Gehege gebuddelt haben. Dieses Gehege ist von einem Eisenzaun umgeben, weil das Stachelschwein eine Vorliebe für Holz hat. Ein paar Stangen und Baumstämme liegen darin herum, die das Tier abraspelt wie ein Biber. Den ersten Zaun, der aus Holz war, hatte Elvis im Handumdrehen in Späne zerlegt. Gefüttert wird er mit Nagetiertrockenfutter und Gemüse. Stefans Mutter Elisabeth hält Elvis einen Stängel Liebstöckel vor die Nase und sagt: "Was der futtern kann, ist unglaublich."

Asyl für ein Tier boten die Schraufstetters bereits, als Stefan erst zwei Jahre alt war: Auf einem Pferdemarkt am Ammersee entdeckten seine Eltern einen Esel, der wegen einer Huferkrankung als Schlachttier angeboten wurde. Sie kauften ihn, nahmen die aufwendige Hufpflege in Kauf und "Coco" lebt mittlerweile seit 20 Jahren putzmunter in Holzlehen.

Es gibt einen Nandu auf dem Hof und außerdem hält Stefan Schraufstetter ein paar alte Geflügelrassen, die vom Aussterben bedroht sind. Appenzeller Spitzhaubenhühner zum Beispiel. Schöne Vögel und gut im Eier legen. Aber sie fliegen gerne und sitzen manchmal auch in den Bäumen. In einen modernen landwirtschaftlichen Betrieb, wo die Hühner in Freilandhaltung gefälligst hinter dem zwei Meter hohen Maschendrahtzaun bleiben sollen, passen diese Tiere nicht mehr hin.

Max und Moritz, die Waschbären, sind Vater und Sohn. Ursprünglich hatte Schraufstetter ein Pärchen. Moritz und seine Gefährtin bekamen sieben Junge, aber weil eine Waschbärin sechs Zitzen hat, kam der kleine Max zu kurz. Drei Tage nach der Geburt war klar, dass er ohne Hilfe nicht überleben würde. Die Schraufstetters haben ihn mit der Flasche aufgezogen und die ersten Monate ist er im Haus aufgewachsen; in Opas ehemaligem Wohnzimmer, das nicht mehr genutzt wurde. Als der Kleinbär dann entwöhnt werden konnte und zurück ins Gehege kam, war klar, dass man so einen Wildfang nicht noch einmal im Haus großziehen wollte. Die Waschbärin und die anderen sechs Jungen wurden verkauft.

Emus lieben das Duschen

Auf das Emu-Pärchen ist Schraufstetter besonders stolz. Er hat es einem Mann aus dem Bayerischen Wald abgekauft, dessen Frau und Tochter Angst vor den Laufvögeln hatten. In Holzlehen sind sie der Star, weil ihre Weide nahe der wenig befahrenen Straße liegt. Immer wieder bremst mal ein Auto, neugierig steigt der Fahrer aus - und ein paar Tage später kommt er mit Kindern wieder. "Die füttern die dann mit alten Brot", sagt Schraufstetter.

Mittlerweile sind es ein paar hungrige Schnäbel mehr geworden: 14 Eier hat die Emu-Henne im Januar gelegt. "Bei minus 15 Grad hat das Männchen zu brüten begonnen, bei den Emus brüten immer die Männchen. 60 Tage sitzt es ununterbrochen auf den Eiern und muss sich vorher dafür eine dicke Fettschicht anfressen. Die Henne bewacht währenddessen das Nest. In dieser Zeit ist sie tatsächlich gefährlich: Sie hat scharfe Krallen, mit denen sie einen aufschlitzen kann." Am 19. März seien die ersten Jungen geschlüpft.

Neun Emu-Kücken hätten den kalten Winter überstanden. So ein Bruterfolg sei außergewöhnlich, sagt Schraufstetter. Von einem Mitarbeiter des Tierparks Hellabrunn wisse er, dass es dort in dieser Hinsicht nur Fehlschläge gegeben habe: "Bei denen kommen die Eier nur noch in den Brutapparat rein." Frisch geschlüpft hätten die kleinen Emus mit ihrer gestreiften Zeichnung ausgesehen wie Wildschweinbabys; mittlerweile sind sie schon so stattlich wie erwachsene Gänse. "Wenn es recht heiß ist, komm' ich mit dem Wasserschlauch", sagt Schraufstetter: "Duschen lieben sie."

"Es steckt schon viel Arbeit drin", sagt der 22-Jährige, der eine Ausbildung zum Krankenpfleger im Mühldorfer Kreiskrankenhaus absolviert. Man sieht es: Die Gehege sind alle sauber und gepflegt. Dann packt er seinen Schubkarren und schiebt ihn wieder zum ausgelassenen Becken, um den Schlamm rauszuschaufeln, der sich angesammelt hat. Es soll wieder heiß werden - und die Wasservögel wollen baden.

© SZ vom 08.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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