Süddeutsche Zeitung

Therme Erding:Lebensgefährlicher Kampf im Galaxy

Wegen einer sexuellen Belästigung geraten vier Männer in eine Rauferei, die für einen tödlich hätte enden können - 600 Euro Geldstrafe

Erding - Zwei betrunkene Brüder sind im Rutschenparadies in der Therme mit zwei Männern und deren Freundinnen aneinander geraten, nachdem einer der beiden Brüder eine der Freundinnen sexuell belästigt hatte. Nachdem sie von den Männern aufgefordert wurden, mit zum Bademeister zu kommen, fingen sie in der zweiten Etage des Rutschenturms eine Schlägerei an. Bei diesem Kampf in gefährlicher Höhe brachte einer der Brüder seinen Kontrahenten in Lebensgefahr: Er packte ihn an den Oberschenkeln und hob ihn über das Geländer. Mit aller Kraft klammerte sich der Mann an das Geländer, bis ihm sein Freund zu Hilfe kommen konnte. Er stand Todesängste aus. Die Staatsanwaltschaft klagte jedoch weder die sexuelle Belästigung noch die Körperverletzungen an, sondern lediglich das Hochheben am Geländer als "Bedrohung". Der Fall wurde am Freitag vor dem Amtsgericht verhandelt, der Angeklagte wurde zu 60 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt.

Whiskey an der Poolbar

Der Vorfall hatte sich am 15. August 2017 zugetragen. Die beiden Brüder, Asylbewerber aus dem Irak, hatten an der Poolbar etliche Gläser Whiskey getrunken und waren dann zum Rutschenturm gegangen. Dort soll der 35-jährige, ältere Bruder einer 24-jährigen Frau an den Hintern gefasst haben. Es sei definitiv kein versehentliches Streifen im Gedränge gewesen, sagte die Frau als Zeugin, sondern eine eindeutige sexuelle Belästigung. Die Frau war in Begleitung in der Therme: Ihr Freund, dessen Kollege und dessen Freundin. Sie schilderte ihnen den Vorfall und gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach den beiden Männern in den auffälligen Badehosen. Sie wollten, dass der 35-Jährige mit zum Bademeister komme, um seine Personalien festzustellen.

"Ich hatte Todesängste"

Auf der zweiten Etage des Rutschenturms, die sich nach Angaben der Therme in etwa acht Metern Höhe befindet, wurden sie fündig. Doch der 35-Jährige dachte gar nicht daran, mitzukommen. Er ging vielmehr auf die 24-Jährige los und versuchte sie einzuschüchtern. Als ihr Freund dazwischen ging, schlug er auf ihn ein. Der jüngere Bruder, der 23-Jährige Angeklagte, ging auf den 25-jährigen Kollegen los. "Wollt ihr Ärger", soll er gesagt haben und ihn dann an einer Stange in den Schwitzkasten genommen haben. Zahlreiche Zeugen verfolgten die Schlägerei, bis ein Aufschrei durch die Menge ging: Der Angeklagte hatte den 25-Jährigen an der Balustrade hochgehoben, so dass er mit Kopf und Schultern im Freien hing und in den Abgrund blickte. "Ich weiß nicht, was er da vorhatte, ich hatte Todesängste", sagte er als Zeuge im Verfahren aus. Etwa 20 Sekunden habe er sich verzweifelt ans Geländer geklammert, bis ihm sein Kollege zu Hilfe gekommen sei.

Der Kampf ging schließlich zu Ende, als der 35-Jährige Iraker dem 25-Jährigen einen gewaltigen Faustschlag ins Gesicht geben wollte, versehentlich aber seinen dahinter stehenden Bruder traf und diesen bewusstlos schlug. Dann kam auch Personal der Therme zu Hilfe. Der jüngere Bruder wurde ins Krankenhaus gebracht und wachte erst in der Klinik wieder auf.

Zeugen bestätigen den Hergang

Während neben den beiden Männer und der Frau, die sexuell belästigt worden war, auch unbeteiligte Zeugen den Hergang vor Gericht so bestätigten, stritten der Angeklagte und dessen Bruder alles ab. Der Angeklagte gerierte sich sogar als Opfer: "Ich wurde geschlagen, ich war schließlich im Krankenhaus." Auch sein Bruder habe nur mit "den Leute reden" wollen, "da haben sie angefangen, ihn zu schlagen". Er selbst habe nicht zugeschlagen, "ich wollte nur wissen, was los ist". Daran, dass er den 24-Jährigen über das Geländer gehoben habe, könne er sich nicht erinnern.

Der 35-jährige Bruder sagte vor Gericht zugunsten des Angeklagten aus, obwohl ihn Richterin Michaela Wawerla eindringlich auf die Konsequenzen einer uneidlichen Falschaussage hinwies. Sie seien von vier Männern angegriffen worden und hätten nur zurückgeschlagen, sagte er. Was sein jüngerer Bruder getan habe, wisse er nicht, er habe ihn erst wahrgenommen, als dieser bewusstlos am Boden gelegen habe.

Bei den persönlichen Angaben verlas Richterin Wawerla zwar eine "positive Sozialprognose" der Asylsozialberaterin, aber auch, dass der Angeklagte schon sieben Beratungsgespräche bei der Caritas absolvieren musste, weil er "in bestimmten Situationen zu viel Alkohol trinkt".

Die Staatsanwaltschaft sagte, weder die sexuelle Belästigung noch, wer die Schlägerei begonnen habe, ließe sich klären. Für die Bedrohung forderte sie 60 Tagessätze. Richterin Wawerla verurteilte ihn zu 600 Euro Geldstrafe. Man habe nicht feststellen können, ob er seinen Kontrahenten tatsächlich runterwerfen wollte, so die Urteilsbegründung.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2018
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