Teure Jacke in Erding gestohlen:Juniorchef auf Verfolgungsjagd

Amtsgericht

Am Amtsgericht Erding wurde der Franchisenehmer angeklagt, dem die Erdinger und neun weitere Burger King-Filialen unterstehen. Er verteidigte sich mit der Begründung, nicht er sei zuständig für die Lebensmittelsicherheit, sondern sein Restaurantleiter.

(Foto: Renate Schmidt)

Pärchen hat es auf teure Jacken in einem Erdinger Bekleidungsgeschäft abgesehen: 55-jähriger Hauptverdächtiger wird nach Geständnis zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft las sich wie die Vorlage für ein Drehbuch: Der Juniorchef eines Geschäftes entdeckt auf der Straße einen vermeintlichen Dieb, versucht ihn mit einem Mitarbeiter zu stellen und wird am Schluss beinahe vom Fluchtauto, das die blonde Mittäterin des Gaunerpärchens lenkt, überfahren. Der Angeklagten, die tatsächlich blond zur Verhandlung gekommen war, konnte man letztlich keine Beteiligung am Diebstahl zweier teurer Jacken aus dem Geschäft in der Erdinger Innenstadt nachweisen. Auch nicht, dass sie die Autofahrerin war. Sie wurde mangels Beweisen freigesprochen, der 55-jährige Mitangeklagte wurde zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er hatte die Diebstähle zugegeben.

Eine Verkäuferin wird aufmerksam

Der Fall liegt schon einige Zeit zurück. Wie die Ermittlungen der Polizei und die Aussagen der Zeugen vor Gericht ergeben hatten, ist einer Verkäuferin am 19. November 2015 aufgefallen, dass plötzlich eine von zwei weißen, 1699 Euro teuren Damenjacken nicht mehr am Bügel hängt. Daraufhin habe man sich laut Zeugin die Videoaufnahmen aus der Abteilung angesehen. Danach habe sich ein "glatzköpfiger Mann" und eine "blonde Frau" die Jacke zunächst angesehen, habe eine "kleine Runde" gedreht und sei wieder zurück gekehrt. Und auf den nächsten Aufnahmen sei die teure Jacke weg gewesen. Auf anderen Aufzeichnungen habe man das Pärchen den Laden verlassen sehen, er mit einer dunklen Jacke oder einem Mantel über dem Arm. Vom Mann wurden daraufhin Standbildaufnahmen gemacht, das Foto wurde im Personalbereich am Schwarzen Brett als Verdächtiger aufgehängt.

Schon die Videoaufnahmen erwiesen sich als wenig beweisträchtig. Zum einen weil man feststellen musste, dass offenbar nicht alle von der Tatzeit vorlagen beziehungsweise die falschen. Richter Andreas Wassermann vermutete, dass die Ermittler einfach nach einer "Blondine" Ausschau gehalten haben. Die alten, eventuell besseren Aufzeichnungen gibt es aber nicht mehr. Die Videos werden nach drei Monaten gelöscht, wie der IT-Experte des Geschäftes sagte. Zudem habe es damals wegen der starken Auslastung des Servers durch rund 60 Kameras im Geschäft Aussetzer gegeben - sprich keine Aufzeichnung.

Die Aufnahmen sind nicht sehr aufschlussreich

Vor Gericht konnte zudem keiner aussagen, dass er mit eigenen Augen gesehen hatte, ob die Angeklagte die weiße Jacke überhaupt in der Hand gehabt habe, geschweige denn, dass sie gestohlen wurde. Laut dem Amtsrichter würden alle Zeugen, die die Videos gesehen haben, nur den Rückschluss daraus ziehen, dass auf der einen Aufnahme die Jacke noch zu sehen sei, aber eine Minute später nicht mehr. Der IT-Experte musste außerdem zugeben, dass er sich wohl bei seiner Aussage bei der Polizei geirrt hatte. Dort hatte er gesagt, dass die Frau auf dem Video die weiße Jacke in der Hand hatte - auf dem einzigen Video, auf dem man sie sah, war es aber eine schwarze Jacke.

Der Junior-Chef hatte den Mann ein paar Tage später auf der Straße in der Altstadt wieder erkannt. Er rief nach eigenen Angaben einen Mitarbeiter an, der ihm helfen sollte, den vermeintlichen Dieb festzuhalten. Der erste Versuch, ihn an der Holzbrücke über den Fehlbach zu stellen, scheiterte. Er habe wohl erkannt, dass er verfolgt wird und habe sich in eine nahe Bücherei geflüchtet. Beim Rausgehen sei es zu einer kurzen Rangelei gekommen, der Mann habe sich aber losreißen können und sei kurz darauf in ein parkendes Auto gestiegen.

Der Junior-Chef stellt sich einem Auto in den Weg

Junior-Chef und Mitarbeiter sagten aus, dass der Junior sich dem Fahrzeug in den Weg gestellt habe, aber die blonde Fahrerin habe noch mehr Gas gegeben, und nur ein Sprung zur Seite habe ihn vor dem Zusammenprall retten können. Ob die Fahrerin aber tatsächlich die Angeklagte war, konnte er nicht sagen. Es sei alles zu schnell gegangen. Über das Autokennzeichen wurde letztlich der Angeklagte ermittelt. Im Buchladen wurde einen Tag später eine 699 Euro teure Jacke aus dem Geschäft gefunden. Die hatte er offenbar dort weggeworfen.

Die Angeklagte sagte vor Gericht aus, sie sei am 5. Januar auf Urlaub in Prag gewesen. Ihre Mutter bestätigte dies - aber nur anhand von Telefonanrufen ihrer Tochter - angeblich aus Prag. Richter Wassermann sah ohne Beweise deshalb nur die Möglichkeit, sie frei zu sprechen. Ihr Mitangeklagter hatte zuvor jedoch beide Diebstähle gestanden. Die Strafe wurde auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Von den zehn Monaten hätte er eh nur noch zwei absitzen müssen. Der 55-Jährige saß bereits bis zur Verhandlung acht Monate im Gefängnis. Zuerst in Auslieferungshaft in Tschechien, dann in U-Haft in Deutschland.

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