Taufkirchen:Fortschrittlich und geschätzt

Brauerei Taufkirchen

In den 1920er Jahren rauchten die Schlote der als Genossenschaft neue gegründeten Taufkirchener Brauerei, die nun ein Doppeljubiläum gefeiert hat.

(Foto: Grafik: Archiv BTG)

Brauereigenossenschaft Taufkirchen feiert 375-jähriges Bestehen und 100 Jahre Genossenschaft

Von Thomas Daller, Taufkirchen

Es waren schwierige Zeiten, als die Brauereigenossenschaft Taufkirchen 1917 gegründet wurde. Es herrschte Krieg, das Malz wurde rationiert, Löwenbräu wollte die damalige Schlossbrauerei aufkaufen, den Betrieb schließen und die Räumlichkeiten nur noch als Lager verwenden. Mutige und entschlossene Männer und Frauen aus der Gemeinde gründeten daraufhin die Genossenschaft und erwarben selbst die Brauerei. Mit einem Festabend hat die Brauerei nicht nur an dieses 100-jährige Bestehen der Genossenschaft erinnert, sondern auch die erste urkundliche Erwähnung vor 375 Jahren gefeiert.

Etwa 700 Gäste waren der Einladung der Brauerei gefolgt, die mit Auftritten der Holzlandböllerschützen, der Holzlandblaskapelle und der Taufkirchener Schäffler ein traditionsgemäßes Rahmenprogramm zusammengestellt hatte. Die Schäffler stellten zudem den Bezug auf ein weiteres großes Jubiläum her: Bezieht sich doch der Brauch des Schäfflertanzes auf das Ende der Pest vor 500 Jahren, als die Fassmacher als erste Zunft 1517 die verängstigten Bürger mit ihren Darbietungen wieder aus den Häusern lockten.

Renate Pany, Aufsichtsratsvorsitzende der Brauerei, erinnerte daran, was für ein "mutiger Schritt in unsicheren Kriegszeiten" die Gründung der Genossenschaft gewesen sei. Darüber hinaus betonte sie, dass Taufkirchen für eine kleine ländliche Gemeinde schon sehr fortschrittlich gewesen sei, weil Männer und Frauen gemeinsam die Genossenschaft gegründet hätten, was 1917 noch keine Selbstverständlichkeit gewesen sei. Damit habe man den damals "bedeutendsten Arbeitgeber" der Gemeinde Taufkirchen in ein Genossenschaftsmodell überführen können. Aber in einer Genossenschaft gebe es auch eine Vielzahl von Meinungen, sagte Pany, "was in der Praxis nicht immer einfach ist".

Braumeister Thomas Drechsel unterhielt die Gäste mitlaunigen Anekdoten aus der Chronik. So habe man erst seit kurzem aus alten Unterlagen erfahren, dass nicht erst seit 1642, sondern bereits 1607 Bier in Taufkirchen gebraut und ausgeschenkt worden sei - allerdings illegal und deswegen seien die Taufkirchener beim Kurfürsten verpetzt worden. Über nicht genehmigten Schankbetrieb in der Region gebe es eine Vielzahl von Unterlagen, wobei insbesondere die Pfarrer gerne Zechstuben aus ihren Pfarrhöfen gemacht hätten.

Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes, griff die Gründungssituation der Genossenschaft auf und erläuterte, wie knapp die Brauerei damals an einer Schließung vorbeigeschrammt sei. "Die Belieferung mit Malz wurde mitten im Ersten Weltkrieg kontingentiert, das waren keine guten Zeiten für kleine Landbrauereien. Viele davon übertrugen ihre schwachen Malzkontingente auf Großbetriebe und machten nach dem Krieg gar nicht mehr auf."

Derzeit finde wieder eine Rückbesinnung auf die regionale Bierkultur statt, sagte Ebbertz. Das sei eine Reaktion auf die Globalisierung und auf dominante Marken. Handwerklich arbeitende Betriebe wie in Taufkirchen seien Vorbilder der Craft-Brauereien, die eine neue Wertschätzung erfahren würden.

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