Taufkirchen:Ein Käfig für die Narren

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Am 15. Februar startet in Taufkirchen der vierte Faschingsumzug. Das stimmt nur bedingt, denn Vereine und Gruppen haben schon viel früher Wagen gebaut. Die Umzugstradition im Ort war nur dreißig Jahre ausgesetzt

Von Gianna Niewel, Taufkirchen

Fasching beginnt für die meisten Menschen Unsinniger Donnerstag und endet am darauffolgenden Dienstag, sechs trubelreiche Tage und trunkene Nächte, ehe am Aschermittwoch wieder der ungeschminkte Normalzustand einkehrt. Glaubt man Anton Schlossnikl und seinen Freunden, beginnt Fasching viel eher.

Eine Metallbauhalle in Burtharting, Samstagvormittag. Draußen versinken die Vorgärten im Schnee, auch drinnen wölkt der Atem. Die Männer dürften die Kälte kaum spüren, sie schleppen Holzbalken von einer in die andere Ecke, schleifen sie ab und schleppen sie weiter. Noch ist Januar, noch haben sie Zeit. Spätestens am 15. Februar sollten sie fertig sein, dann startet die Männertruppe gemeinsam mit etwa 50 anderen Wagen, Fuß- und Musikgruppen durch Taufkirchen. Der Faschingsumzug dort findet nur alle fünf Jahre statt. Grund also, sich Mühe zu geben. Schon beim vergangenen Mal waren sie dabei. "Es hat uns Spaß gemacht, zu tüfteln und zu basteln und dann natürlich beim Umzug das Ergebnis zu präsentieren", sagt Schlossnikl. Damals haben die Freunde das Waldbad auf ihren Wagen verlagert. Dem Wasser bleiben sie auch in diesem Jahr treu. Von einer Rutsche wollen sie in einen Pool gleiten und sich dort in 38 Grad warmem Wasser suhlen. Aus einer Säule soll Wasser sprudeln.

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(Foto: Renate Schmidt)

Der Orden aus dem Jahr 2000, die Fotos deutlich älter: Alois Sinseder beteiligt sich seit Jahrzehnten beim Taufkirchener Fasching.

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(Foto: Renate Schmidt)

Anton Schlossnikl und seine Freunde gehen am 15. Februar zum zweiten Mal beim Faschingsumzug in Taufkirchen mit.

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(Foto: Renate Schmidt)

Die Rutsche immerhin tut ihren Dienst schon, der Wagen ist noch nicht fertig.

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(Foto: Renate Schmidt)

Am 15. Februar startet der Umzug, der nur alle fünf Jahre stattfindet.

Damit das gelingt, treffen sie sich an drei Samstagen und an manchen Feierabenden. Die meisten von ihnen sind selbständig, jeder bringt ein, was ihm von Berufes wegen zufällt. Der eine besorgt Werkzeug, der andere die Folie für den Pool, ein dritter stellt die Halle. Nun klüngeln die Freunde um den Wagen und beraten, wessen Gewicht die Rutsche schafft und wer es bitte gar nicht erst versucht. Sie besprechen, ob sie die Holzleisten noch einmal abschrauben und zersägen, oder ob die ein paar Zentimeter über das Gerüst des Wagens reichen dürfen. "Neun Experten und jeder weiß es besser", sagt einer. "Schraub' lieber die Balken ab und miss richtig", finden alle anderen. Das Wasser wird wie bereits beim vergangenen Mal im Hochdruckreiniger erhitzt. Diesmal ist aber ein Filter zwischengeschaltet, der Konfettischnipsel und Süßigkeitenpapier heraus fischt, damit die Leitungen nicht verstopfen.

"Fasching bedeutet, dass nicht der einzelne zählt, sondern die Gemeinschaft", sagt Alois Sinseder. Jahrzehntelang hat er sich gemeinsam mit Freunden und Bekannten um die Tradition in Taufkirchen verdient gemacht. Nun sitzt der 73-Jährige in seinem Wohnzimmer, auf dem Tisch vor ihm hat er Polaroids in Schwarz-Weiß ausgebreitet, daneben thronen Fotoalben aufeinander, zuletzt eine DVD mit Aufnahmen. 1951 schlängelte sich der erste Faschingsumzug durch die Straßen von Taufkirchen, Sinseder stand da am Bordstein und sammelte Bonbons. Der nächste Zug ging gleich im Folgejahr, dann setzte die Tradition aus. "In einem Wagen steckt viel Arbeit, das braucht Zeit", sagt er. Außerdem sei der Anspruch, politische und gesellschaftliche Themen lokal zu verankern, nicht immer leicht umzusetzen. "Jedes Jahr ein Umzug - da muss man krampfhaft nach Ideen suchen", sagt er. Erst vierzehn Jahre später, 1968, hatten sich wieder genug Freiwillige gefunden, um in ihrer Freizeit zu hämmern und zu sägen, zu basteln und Kostüme zu nähen. Fotos zeigen einen Panzer, auf dessen Seiten prangt "Saufkirchen ist gerüstet gegen Studentenkrawalle", davor prosten sich zwei Männer zu. 1969 steht Sinseder dann als Franz Josef Strauß auf einem Wagen, den Bauch ausgepolstert, er grüßt mit dem Hut in die Kamera. 1970 fand sich kein Prinzenpaar mehr, der Umzug setzte länger aus.

Sinseder blättert in alten Lokalzeitungen. Erst im Jahr 2000 titeln sie, Taufkirchen mache sich nach dreißig Jahren " wieder auf humorige Weise Luft". Ein Artikel berichtet von 6000 Besuchern am Wegrand. Ein Rhythmus war gefunden, alle fünf Jahre organisiert nun die Gemeinde einen Zug. Politischer sei der Fasching nicht geworden, sagt Sinseder. Die Sicherheitsvorkehrungen hätten mit der Zeit zugenommen. Eine gewisse Höhe dürfe der Wagen nicht überschreiten, außerdem sind Länge und Breite geregelt. Geländer sollen verhindern, dass die Narren vom Wagen fallen. Heute müssten auf jeder Seite Leute aufpassen, dass keine Kinder auf der Jagd nach Süßem unter die Räder liefen. "Das bedeutet für die Gruppen zusätzlichen Aufwand", sagt er. Aber die Arbeit sei absolut notwendig. Im Februar begleiten er und seine Frau den Theaterverein, "natürlich". Fragt man nach dem Motto der Fußgruppe, schmunzelt Sinseder. Es gebe noch keine Pläne, sagt er. Und man merkt: Natürlich gibt es Pläne. Sie sind nur noch geheim. Eine Woche später, wieder ein Samstag. Die Männergruppe hat in Burgharting derweil den Wagen dekoriert, Urwälder in sattem Grün und plätschernde Wasserfälle zieren die Folie. An den Seiten kleben Palmenblätter und Schilfmatten. Was genau ihr Motto sein wird und wie sie sich verkleiden, nun, "das machen wir erst aus." Sie haben ja noch Zeit. Bis Fasching beginnt, sind es schließlich noch einige Tage.

© SZ vom 03.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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