Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Mit dem Bus in den Landkreis, Folge 6:Engpass bei Busfahrern

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Bundesweit ist der Arbeitsmarkt leer gefegt. Unternehmen, die sich auf Ausschreibungen von MVV-Linien im Landkreis bewerben wollen, müssen selber ausbilden oder suchen inzwischen europaweit nach Personal

Von Gerhard Wilhelm, Erding

24 Wünsche für Änderungen im Jahresfahrplan 2020 beim MVV-Regionalbus hat es in diesem Jahr von Kommunen, Verkehrsunternehmen, Schulen, aber auch von Bürgern aus dem Landkreis Erding gegeben. Manchmal geht es um andere Abfahrtszeiten, um zum Beispiel noch einen Zug zu erreichen, oder um die Einrichtung einer neuen Haltestelle. Zum Teil geht es aber auch um die Ausweitung des Angebots.

Damit die Wünsche erfüllt werden können, müssen zwei wichtige Faktoren erfüllt werden: Jemand muss die Kosten dafür übernehmen und jemand muss die zusätzlichen Busse fahren. Doch Busfahrer sind mittlerweile in ganz Deutschland begehrt. Bei der Bundesagentur für Arbeit heißt es schon länger, dass ein "bundesweiter Engpass" herrsche. Auch die Busunternehmen im Landkreis Erding suchen händeringend Fahrer.

Dass der Fahrermangel durchaus Auswirkungen bei Ausschreibungen von Buslinien haben kann, bestätigt Andreas Scharf vom gleichnamigen Busunternehmen in Tittenkofen: "Zum Glück hat man dafür aber eine Vorlaufzeit von sechs Monaten und mehr, deshalb kann man sich darauf vorbereiten. Aber in Deutschland findet man fast keine Fahrer mehr. Vor allem ältere und erfahrenere Busfahrer. Und wenn, dann fehlt oft die Qualifikation, wie zum Beispiel die Erfahrung. Deshalb suchen wir inzwischen europaweit. Früher habe man noch sogenannte Wechsler gehabt. Personen, die bei der Bundeswehr den Lkw-Führerschein gemacht hatten. Aber die gibt es nicht mehr. Das Unternehmen bilde zwar auch selber aus, sagt Andreas Scharf, aber das reiche nicht. "Derzeit suchen wir zwischen drei und fünf Fahrer." Mittlerweile müsse man froh sein, wenn man Anfänger bekomme. Und er nehme sogar in Kauf, wenn es anfangs den einen oder anderen kleinen Blechschaden gebe.

Es muss nicht mal eine komplett neue Linie sein, damit die Busunternehmen in ein Engpassproblem kommen. Das zeigt sich exemplarisch an einem Wunsch der Marktgemeinde Wartenberg, den Takt der MVV-Regionalbuslinie 501, die von Erding, über Wartenberg nach Moosburg führt, zu verdichten und die Betriebszeit in den Abendstunden bis 23 Uhr zu verlängern. Ein Wunsch, den auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) schon länger auf seiner Liste hatte. Fahrgastzählungen haben vor einem Jahr zeigten, dass diese Linie gut genutzt wird - Tendenz nach oben. In Fahrtrichtung Erding nutzen pro Fahrt rund 24 Personen die Busse, und in Richtung Moosburg sogar durchschnittlich 29. Auch der MVV unterstützte die Ausweitung. Die Folge: vier zusätzliche Fahrten im neuen Fahrplan von 9. Dezember an von Erding nach Moosburg und fünf in die umgekehrte Richtung am Tag. Doch dafür braucht es auch zusätzliche Busfahrer.

Susann Liebscher, Niederlassungsleiterin beim Regionalverkehr Oberbayern (RVO) und für das MVV-Gebiet Erding zuständig, bestätigt die Probleme der mittelständischen Unternehmen bei der Fahrersuche. Beim RVO sei man mittlerweile dazu übergegangen, Busfahrer selber auszubilden und mache damit gute Erfahrungen. "Wir sehen das als Investition in die Zukunft, denn wer in Deutschland einen Busführerschein hat und Erfahrungen, der ist in der Regel um die 50. Das heißt einerseits, wenn Sie so jemand bekommen, weil er wechselt, reißt er wo anders ein Loch. In zehn Jahren stehen wir dann wieder vor dem gleichen Problem." Bisher habe man Wünsche nach Taktverdichtungen stets erfüllen können. Doch sollte man den ÖPNV mit Buslinien im Landkreis stärker ausbauen wollen, dann könnte der Fahrermangel durchaus ein Problem werden. Die ungefähr 10 000 Euro teure Ausbildung eines Busfahrers dauere je nach Vorkenntnissen, wie zum Beispiel Sprachkenntnisse, Geschick und so weiter zwischen vier Monaten und einem Jahr. Dazu komme die Ausbildungsvergütung, die der angehende Fahrer während der Zeit erhalte. Alles in der Hoffnung, dass sich die Investition einmal rentiere, sagt Liebscher.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2019
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