SZ-Adventskalender:Tage mit Leben füllen

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(Foto: N/A)

In der Hospizarbeit mit Kindern geht es darum, Familien den Umgang mit der Krankheit zu erleichtern

Von Theresa Parstorfer, Erding

Sterbebegleitung ist ein Wort, das viel Traurigkeit enthält. Sterbebegleitung für Kinder jedoch klingt nicht nur traurig, sondern auch irgendwie grausam. Dem eigenen Kind beim Sterben zusehen zu müssen, ist eine Grundangst jeder Mutter, jedes Vaters. Für viele Familien ist das allerdings nicht nur eine Angst, sondern eine Realität, mit der es jeden Tag zu leben gilt. Das Ambulante Kinderhospiz München (AKM) betreut jährlich in Bayern ungefähr 300 Familien mit einem schwerbehinderten, einem "verunfallten" oder einem an einer nicht heilbaren Krankheit erkrankten Kind "mit geminderter Lebenserwartung".

Stephanie Perret ist zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der seit 2005 bestehenden Stiftung, und sie betont, wie wichtig es ist, dem Wort "Sterbebegleitung" etwas von seiner Grausamkeit zu nehmen. "Das Schöne an unserer Arbeit ist, dass Sterbebegleitung bei Kindern auch zur Lebensbegleitung werden kann", sagt sie. Medikamente und Therapien entwickeln sich schneller als je zuvor, Prognosen sind unsicher, Kinder oft stärker als gedacht und kleine Wunder gäbe es überall. Dennoch, eine lebensbedrohliche Krankheit oder Behinderung erschwert das Familienleben und am Ende stehe dann der Verlust eines viel zu kurzen Kinderlebens.

Selten sei es die Pflege an sich, die Kraft koste, so Perret, sondern der "Kampf mit den Behörden um Bezuschussung der nötigen Therapien und medizinischen Ausstattung." Hier stoßen viele Familien an die Grenze ihrer Ausdauer und nicht zuletzt ihrer finanziellen Kapazitäten. "Ein Rollstuhl ist teuer, und jetzt reicht ein Kindermodell ja nicht für die nächsten 20 Jahre. Kinder wachsen schließlich und die Kosten, die dann jährlich für Erweiterungen anfallen, sind oft zu viel für Familien", sagt Perret.

Noch dazu breche nicht selten ein ganzes Einkommen weg, wenn sich ein Elternteil anstatt zu arbeiten um das Kind kümmern will. Gerade in einer solchen Situation möchte keine Mutter und kein Vater an "zu teuer" denken. Eigentlich sollte es in einer solchen Situation darum gehen können, "die Tage mit Leben zu füllen" - und nicht das Leben mit Tagen, so das Motto der Stiftung.

Eine Hundetherapie beispielsweise ist teuer. Von Krankenkassen wird sie nicht bezahlt. Unbedingt notwendig wäre sie vielleicht nicht, aber "was, wenn das Kind unglaublich gerne in der Nähe von Hunden ist?", sagt Perret. Bei solchen Engpässen bietet das AKM Hilfe an. Spendengelder werden für derartige "Herzenswünsche" mobilisiert, für den alltäglichen bürokratischen Aufwand, der bisweilen auch vor Gericht endet, wird moralische und auch praktische Unterstützung angeboten. Dabei zählt das Kinderhospiz auf das Engagement von rund 150 Ehrenamtlichen, die jeweils bis zu vier Stunden in der Woche Zeit mit den Familien verbringen. Jeder von ihnen hat zuvor eine Schulung durchlaufen, auch um mit der psychischen Belastung umgehen zu können. Die Gelder der Stiftung werden zu zwei Dritteln aus öffentlichen Spenden bestritten, ein Drittel übernehmen Krankenkassen - für die Familien ist die Betreuung zu hundert Prozent kostenfrei. Das Hospiz bietet beispielsweise auch Therapien oder spezielle Väter-, Mütter-, und Geschwister-Tage an, da es "unglaublich wichtig ist, das ganze System Familie zu betrachten" und zu versuchen, dieses System intakt zu halten. "Oftmals haben auch die Geschwister viel mitgemacht und finden keinen Raum für sich, das auszudrücken", sagt Perret.

Hilfe anzunehmen, koste viele Familien Einiges an Überwindung. Niemand zeige gerne Schwäche, viele scheuten vor der Idee von Spenden zurück, aber einmal in der Stiftung "betreuen wir Familien auch bis nach dem Tod des Kindes". Perret sieht große Bedeutung in dieser Arbeit, da es "immer wieder gelingt, den Tod als einen Teil des Lebens zu akzeptieren, und ihm dadurch ein wenig von seiner Bedrohlichkeit und auch Grausamkeit genommen werden kann".

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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