]- "Zwischen Schwarz und Weiß gibt es alle möglichen Graustufen", sagt Thomas Pölsterl, der Leiter der Erdinger Suchtberatungs- und Behandlungsstelle des Vereins Prop. Damit will er auch sagen, dass Menschen, die von einer Suchterkrankung betroffen sind oder kurz davor stehen, sich möglichst früh Hilfe holen sollen. Die Glücksspielsucht steht am Mittwoch, 26. September, bundesweit im Fokus. Von 10 Uhr an will Prop mit einer Aktion am Kleinen Platz auf das Problem aufmerksam machen. Doch dabei soll es nicht bleiben: Für alle pathologischen Glücksspieler wird im Oktober bei Prop eine Selbsthilfegruppe eröffnet.
Spielsüchtige leiden laut Thomas Pölsterl in besonderer Weise unter Schamgefühlen. "Es outet sich heute einer leichter mit einer Alkoholabhängigkeit als mit Spielsucht." Die Zahlen der Landesstelle für Glücksspielsucht (LSG) sind alarmierend. Laut einer Pressemitteilung ist davon auszugehen, "dass in Bayern 33 000 Menschen krankhaft glückspielen und weiter 35 000 kritisch". Wie viele es im Landkreis Erding sind, kann Thomas Pölsterl nicht sagen. In den letzen Jahren seien die Beratungszahlen jedoch nach unten gegangen, auf derzeit 30 im Jahr. Ein Rückgang mache sich bayernweit bemerkbar. Warum das so ist, darauf hätten er und seine Kollegen auch keine Antwort. Rein theoretisch könne man davon ausgehen, dass es womöglich tatsächlich weniger Suchtkranke gebe. "Aber so optimistisch bin ich nicht", sagt Pölsterl, der seit 1994 in der Suchtberatung tätig ist. "Ich denke, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist." Er vermutet, dass gerade bei vielen Verunsicherung über die gesellschaftliche Entwicklung, über die Zukunft herrsche und "sich manche nicht trauen, eine längere Therapie zu beginnen, aus Angst, den Job zu verlieren."
Dazu kommt eine weitere Beobachtung: Im Therapiezentrum Haus Wartenberg für chronisch Suchtkranke würden in jüngster Zeit immer mehr Patienten stationär aufgenommen, die zuvor noch keinerlei ambulante Beratung hatten. "Da gibt es Fälle, die hatten nicht eine einzige Vorbehandlung, die rutschen sofort ins stationäre Behandlungsmuster ab". Das sei eine relativ neue Entwicklung.
Dabei ist die Versuchung, was Glückspielgeräte betrifft, in der Kreisstadt Erding besonders groß. Dort stehen bayernweit gesehen überdurchschnittlich viele Geldspielautomaten. Laut LSG kam im Jahr 2016 - Daten für 2018 liegen noch nicht vor - rein statistisch gesehen auf 175 Erdinger ein Glückspielgerät, zum Vergleich in Freising waren es 282, bayernweit 326.
Die Landesstelle Glückspiel Bayern hat den bundesweiten Aktionstag unter das Motto "Glücksspielwerbung" gestellt, weil insbesondere die Sportwetten und Online Casinos derzeit in Fernsehen und auf Plakaten start beworben würden. Bekannte Gesichter wie zum Beispiel der Ex-Nationaltorwart Oliver Kahn vermittelten dabei einem breiteren Publikum, "dass auch erfolgreiche Menschen, Prominente, mit Glückspiel zu tun haben", schreibt dazu Prop. "Wir sehen schon, dass die Sportwetten immer mehr werden", betont Thomas Pölsterl. Gelegentliche Sportwetten seien unter Jüngeren sehr beliebt, mittlerweile hätten auch Computerspiele immer öfter ein Wett- und Spielangebot integriert. Jugendliche wüchsen so relativ selbstverständlich mit Spielangeboten auf".
Seit zwei Jahren können Menschen, die vom Glückspiel abhängig sind, bei Prop eine ambulante Suchtrehabilitation machen. Was noch fehle, das sei ein Selbsthilfegruppe "für Spielsuchtfreie und auch noch Spielende", weiß Thomas Pölsterl. Um sich auszutauschen und zu erfahren, wie es anderen gelungen ist, die Sucht zu besiegen. In der Gruppe könnten die Teilnehmer auch über die für sie ganz typische Situation sprechen, während des Spielens "außer Raum und Zeit" zu sein, wie Pölsterl erklärt. Der Spieler könne in der Gruppe, "unter dem Schutz des therapeutischen Settings" lernen, die Realität wieder zu sehen und auch auszuhalten.
Die Therapiegruppe für Glücksspieler findet vierzehntägig immer donnerstags von 17.45 Uhr bis 19.15 Uhr in der Beratungsstelle Prop, Landshuter Straße 9, in Erding statt. Interessenten können sich melden unter Telefon 08122/9998130. Offene Sprechstunde ist jeden Mittwoch von 9 bis 11 Uhr und 17 bis 18 Uhr.