Sturz mit Motorrad:Freispruch dank Aussage des Geschädigten

Von Jan Schwenkenbecher, Ebersberg

Er wache noch heute von den starken Schmerzen in der Schulter auf, sagte der 53-jährige Geschädigte am Ebersberger Amtsgericht. Das Schlüsselbein sei gebrochen gewesen, eine Lungenembolie habe er ebenfalls gehabt. Wahrscheinlich müsse er noch mal operiert werden. Der Mann aus dem nördlichen Landkreis war im Mai 2016 gegen zehn Uhr morgens auf der A 94 Höhe Anzing mit seinem Motorrad gestürzt, weil ein Fahrer mit seinem Auto plötzlich vom Beschleunigungsstreifen vor ihn gezogen sei und dann auch noch stark gebremst habe. Er habe daraufhin auch stark bremsen müssen, sei ins Schlingern gekommen und gestürzt. Da beim Wechsel vom Beschleunigungsstreifen auf die Fahrbahn der fließende Verkehr Vorrang hat, bekam der Autofahrer einen Strafbefehl. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Er legte Einspruch ein.

Der 23-jährige Angeklagte sagte aus, die Lücke sei seines Erachtens groß genug gewesen, als er vom Beschleunigungsstreifen auf die Autobahn gewechselt sei. Plötzlich habe das Fahrzeug vor ihm stark gebremst, da habe auch er abbremsen müssen. Entlastet wurde der Angeklagte ausgerechnet durch den Geschädigten, den Motorradfahrer, der nach ihm aussagte. Nachdem der seine Verletzungen geschildert hatte, gab er einen entscheidenden Hinweis: er war ebenfalls vom Beschleunigungsstreifen gekommen. Wie er aussagte, fuhr er dort nämlich nicht bis zum Ende durch, sondern wechselte sofort auf die Fahrbahn und begann, zu beschleunigen. Zudem bestätigte er, dass andere Autos vor ihm auf dem Beschleunigungsstreifen gewesen seien. "Haben Sie nicht damit gerechnet, dass die anderen Autos auch auffahren", fragte der Richter. "Höchstens die ganz vorne, ich bin ja gleich rüber gefahren", so der Motorradfahrer.

Nach und nach sagten noch vier weitere Zeugen aus, alle schilderten den Vorgang etwas unterschiedlich. Mal sei das Auto direkt vor das Motorrad gezogen, mal sei die Lücke groß genug gewesen. Mal war das Auto gar nicht beteiligt, stattdessen ein cremefarbener Kastenwagen. Was nun genau passiert war, ließ sich während der Verhandlung nicht mehr auflösen.

In den Plädoyers sagte der Staatsanwalt, dass der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung nicht mehr haltbar sei, "es war einfach eine unglückliche Situation." Er schlug vor, den Angeklagten freizusprechen. Der Verteidiger schloss sich dem an, ließ es sich allerdings nicht nehmen, noch sechs Urteile von verschiedenen Oberlandesgerichten zu zitieren, die besagen, dass Fahrzeuge, wechseln sie vom Beschleunigungsstreifen auf die Fahrbahn, hintereinander auffahren müssen. "Hätte der Motorradfahrer das beachtet", so der Rechtsanwalt, "wäre es nicht zu dem Unfall gekommen." Richterin Vera Hörauf sprach den Angeklagten frei.

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