Streit in Flüchtlingsunterkunft:Ein Nudelholz macht den Unterschied

28-Jähriger wird wegen Körperverletzung zu Geldstrafe verurteilt. Bewiesen werden konnte nach Meinung von Amtsrichter Wassermann nur, dass er seine Ehefrau mit der Hand geschlagen hat

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Was haben ein Unfall, kleine Spielzeugautos, geworfene Löffel und Schuhe sowie ein Nudelholz gemeinsam? Auf dem ersten Blick wenig, aber wenn man noch Somalisch und Äthiopisch hinzufügt, sowie ein Urteil über 90 Tagessätze zu je zehn Euro, dann ist es klar: es geht um eine Verhandlung am Amtsgericht Erding. Angeklagt war ein 28-jähriger Asylbewerber. Er soll in einer Flüchtlingsunterkunft seine Frau mit der Faust und dem erwähnten Nudelholz körperlich misshandelt haben. Nach den Zeugenaussagen hatte die Staatsanwältin acht Monate Haft ohne Bewährung gefordert, Richter Andreas Wassermann sah aber statt einer bewiesenen schweren Körperletzung nur noch eine vorsätzliche und entschied sich für eine Geldstrafe.

Verhandlungen über Streitigkeiten in Asylbewerbersammelunterkünften sind für alle Beteiligten eine Herausforderung, alleine schon wegen der unterschiedlichen Sprachen. Oft sind mehrere gleichzeitig zu hören bei den Übersetzungen. In diesem Fall war der Angeklagte in Somalia geboren, seine Ehefrau ebenfalls, und zwei der belastenden Zeugen in Äthiopien. Dazu kommen, dass in afrikanischen Ländern ein anderes Zeitgefühlt offenbar herrscht. Dass ein Dolmetscher eine Stunde später kam, war einem Unfall geschuldet, dass die beiden Zeugen aber dann am neuen Termin mehrere Minuten zu spät kamen, weil sie angeblich noch an der Eingangskontrolle seien, nervte Richter Wassermann sichtlich: "Um die Zeit ist doch nichts mehr los. Wir hatten 15.30 Uhr gesagt."

Laut der Anklageschrift soll der 28-Jährige kurz nach Mitternacht seine Frau, die schon am Boden gelegen haben soll, mit einem Nudelholz auf den Rücken und ins Gesicht geschlagen haben. Außerdem mit der Faust. Was dem Tatbestand einer schweren Körperverletzung entsprechen würde, die laut Staatsanwältin mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren zu ahnden sei.

Der ermittelnde Polizist konnte nur wiedergeben, was seine beiden Kollegen, die vor Ort nach der Tat waren, zu Protokoll gaben. Beim Angeklagten, der zur Polizeidienststelle mitgenommen worden war, habe ein Alkoholotest knapp 2,2 Promille ergeben. Es habe in der Flüchtlingsunterkunft viel Geschrei gegeben und es sei der Eindruck entstanden, dass sich zwei Lager gegenüber stehen. Die Ehefrau habe abgestritten, von ihrem Mann geschlagen worden zu sein, von den Schwellungen und Rötungen im Gesicht seien Fotos gemacht worden.

Vor Gericht beteuerte der Angeklagte, dass er sie nie geschlagen habe. Die beiden ihn belastenden Zeugen - beide aus Äthiopien - hätten sie nur aus der Unterkunft haben wollen und würden lügen. "Somalier und Äthiopier haben sich noch nie riechen können", sagte er. Auch seine Frau sagte aus, dass sie nie geschlagen worden sei. Richter Wassermann hatte sie zuvor belehrt, dass sie das Recht habe die Aussage zu verweigern, wenn sie was sage, müsse es aber die Wahrheit sein. Die Rötungen stammten vielmehr von einer Allergie gegen Kälte, was der Amtsrichter mit "Von Frostbeulen habe ich gehört, aber nicht von einer Kälteallergie" kommentierte.

Die nachfolgenden Aussagen der beiden Zeugen aus Äthiopien konnte sie dann nicht mit anhören. Nachdem auch kleine Spielzeugautos, die das Gericht zur Nachstellung von Verkehrsunfällen nutzt, den zweieinhalbjährigen Sohn nicht ruhiger sein ließen, musste sie mit ihm den Gerichtssaal verlassen - vorher musste der Bub aber die Autos wieder bei Andreas Wassermann abliefern.

Die Aussagen der beiden Zeugen, die den Vorfall gesehen haben wollten, gingen dann in einigen Punkten auseinander. Einmal sollte der Angeklagte seiner Frau nur eine Ohrfeige verpasst haben, aber einen Löffel nach dem anderen Zeugen geworfen haben. Im Lauf der Verhandlungen wurden zudem laut Aussagen Schuhe geworfen. Der andere Zeuge sagte erst aus, dass das besagte Nudelholz unter der am Boden liegenden Frau gelegen habe und er habe es dann aufgehoben, später habe er es dem Angeklagten aus der Hand genommen, weil er seine Frau damit geschlagen habe. Eine weitere Zeugin, eine unmittelbare Nachbarin, die im betreuenden Helferkreis tätig ist, sagte aus, dass das Nudelholz dort gelegen sei, wo es hingehört: in der Küche. Und ja, die Frau habe lange Zeit an einer Allergie gelitten.

Richter Wassermann sah es trotzdem als erwiesen an, dass der 28-Jährige seine Frau geschlagen habe. In dem Punkt würden die beiden Zeugen übereinstimmen. Einen "Belastungseifer", damit sie ihn und seine Familien aus der Unterkunft treiben können, sah er nicht. Dazu hätten beide ihn nicht konsequent genug belastet, sonder auch entlastende Sachen angeführt. Die Schläge mit dem Nudelholz könnten aber nicht bewiesen werden. Wassermann wies - in Richtung Staatsanwältin gewandt - zudem darauf hin, dass die Ehefrau nach Meinung des Gerichts damit eine Falschaussage zu Gunsten ihres Mannes gemacht habe. Der Einzige, der im Gerichtssaal aber ungestraft lügen darf, ist der Angeklagte. Für eine Falschaussage sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: