Straftäter in der Unterkunft:Protestschreiben an die Regierung

Straftäter in der Unterkunft: Durch diese Gänge in der Aufkirchner Unterkunft toben keine Kinder mehr: Die vier Familien mussten bereits am Montag die Anlage verlassen.

Durch diese Gänge in der Aufkirchner Unterkunft toben keine Kinder mehr: Die vier Familien mussten bereits am Montag die Anlage verlassen.

(Foto: Renate Schmidt)

Landrat Martin Bayerstorfer, Erdings OB Max Gotz und Oberdings Bürgermeister Bernhard Mücke fordern Rücknahme der Entscheidung, den Mann in Aufkirchen unterzubringen.

Von Regina Bluhme, Erding/Oberding

Die Aufregung ist groß, seit bekannt ist, warum die vier Familien aus der Aufkirchner Flüchtlingsunterkunft ausziehen mussten: wegen eines Neuzugangs. Der Mann saß wegen eines Sexualdelikts mehr als drei Jahre in Haft und darf jetzt nur in einer Anlage ohne Frauen wohnen. Zudem muss er eine elektronische Fußfessel tragen. Die ersten Reaktionen hat Oberdings Bürgermeister Bernhard Mücke (CSU) schon erhalten. Die Menschen seien sehr in Sorge, sagt Mücke. Gemeinsam mit Landrat Martin Bayerstorfer und Erdings OB Max Gotz, beide CSU, will Mücke bei der Regierung von Oberbayern erreichen, dass die Entscheidung zurückgenommen wird.

"Die Sache wird bei uns sehr, sehr kritisch gesehen", sagt Mücke. Von Oberding nach Erding führe ein beliebter Radweg an der Unterkunft entlang, der auch von Schulkindern benutzt werde. Angst spiele eine große Rolle, und bei einem Sexualstraftäter sei die Angst natürlich besonders groß, "egal, wer es ist". Bislang seien ihm aber "keine Hassäußerungen" zu Ohren gekommen. Bauchschmerzen bereitet Mücke die mangelnde Informationspolitik der Regierung von Oberbayern. Oberding habe eine Tee- und Kleiderstube. "Darf der Mann mit der Fußfessel da hingehen? Wann ist der genaue Aufnahmetag? Wir wissen nichts."

"In Oberding ist die Aufregung groß", bestätigt auch Andrea Hartung, Sprecherin des Oberdinger Helferkreises "Starke Hände" und Gemeinderätin der Wählergruppe Niederding. Sie persönlich sei bislang noch nicht angesprochen worden, die Nachricht über die geplante Belegung mit einem Sexualstraftäter sei eine "Riesenschreck" gewesen für die 15 Aktiven des Helferkreises, allesamt Frauen. Hartung befürchtet, dass Helferinnen abspringen. "Ich persönlich habe keine Angst", sagt sie. In der Unterkunft werde aber sicher ein anderes Klima herrschen, "schon alleine deswegen, weil die Frauen und Kinder weg sind". Demnächst will sich der Helferkreis zusammensetzen und diskutieren, wie der Protest aussehen könnte. Es gibt schon ein paar Ideen, eine Sitzstreik vielleicht oder ein Konzert oder eine Plakataktion.

Erdings Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) sagt, er sei bereits am Mittwoch Abend bei Veranstaltungen von mehreren Erdingern auf das Thema angesprochen worden, und zwar mit der klaren Ansage: "Wehrt euch." Als erster Schritt wurde am Mittwoch eine gemeinsame Pressemitteilung verfasst von Landrat Martin Bayerstorfer "im Schulterschluss" mit Gotz und Mücke. Die drei CSU-Politiker fordern darin von der Regierung von Oberbayern, "dass diese falsche Entscheidung unmittelbar revidiert wird". Sie verweisen drauf, dass der Landkreis Erding in den vergangenen Jahren bei der Unterbringung von Flüchtlingen eine "überproportional große Last" getragen habe. Noch immer warte das Landratsamt auf eine offizielle schriftliche Benachrichtigung, Oberding und Erding hätten erst "auf explizite Nachfrage" Auskunft erhalten. "Die mangelnde Informationspolitik von Seiten der Regierung von Oberbayern und die Unterbringung von gefährlichen Straftätern im Landkreis Erding wird abgelehnt." Es sei verständlich, dass es "erheblichen Widerstand aus den Gemeinden und dem Helferkreis geben wird". Dieser werde vom Landrat und den betroffenen Bürgermeistern unterstützt, heißt es weiter. Die Ehrenamtlichen des Helferkreises "Starke Hände" werden für ihre "vorbildliche Arbeit" gelobt. "Die Betreuung von Intensivstraftätern ist ihnen jedoch keinesfalls zuzumuten", schließt die Mitteilung.

Clemens Haseloff, Richter und Pressesprecher am Landgericht Bayreuth, bestätigte am Donnerstag gegenüber der SZ, dass das Landgericht bei dem Neuzugang in der Aufkirchner Unterkunft eine Fußfessel angeordnet hat. Verurteilt worden war der Asylbewerber in Ingolstadt, wo er seinen Wohnsitz hatte, in Bayreuth saß er aufgrund eines bayernweiten Verteilungsplans im Gefängnis, und zwar drei Jahre und fünf Monate. In einer sogenannten Fallkonferenz mit Vertretern der Polizei, der Führungsaufsichtsstelle, also dem zuständigen Landgericht, und der Bewährungshilfestelle sei besprochen worden, welche Auflagen nach der Entlassung gelten sollen. Eine Fußfessel sei "ein Instrument für die Sicherheit der Allgemeinheit", zugleich könne die Kontrolle auch eine Hilfe für den Mann darstellen, "um nicht ins Bodenlose zu fallen", so Haseloff.

Die GPS-Signale der Fußfessel aus der Aufkirchner Unterkunft landen im hessischen Weiterstadt. Dort hat die Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder (GÜL) ihren Sitz. Sobald der Fußfesselträger eine Verbotszone betritt, schlägt das System Alarm. "Auch dann, wenn der Akku der Batterie nicht rechtzeitig geladen wird", berichtet Pressesprecher René Brosius. Auf dem Monitor erscheinen auch die Kontaktdaten der Person. Zur Fußfessel gehört ein spezielles Telefon, mit dem die Mitarbeiter Kontakt aufnehmen können. In der Mehrheit der Fälle könne die Angelegenheit "direkt im Gespräch geklärt werden", so Brosius. Es gebe aber auch Fälle, da werde dann sofort die Polizei vor Ort losgeschickt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: