Süddeutsche Zeitung

Vogelschutz:Gekommen, um zu bleiben

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Immer mehr Störche überwintern im Landkreis Erding, denn hier passt den Vögeln nicht nur das Klima. Doch nicht jeder Hausbesitzer ist von einem Nest auf seinem Dach begeistert.

Von Regina Bluhme, Oberding

Es ist Neujahr, die Sonne scheint und bei milden 14 Grad haben es sich fünf Störche auf einem Hallendach im Gewerbegebiet in Schwaig gemütlich gemacht. Einen Horst werden sie hier nicht bauen, zumindest nicht auf dem frisch renovierten Kirchturm von St. Korbinian. Die örtliche Pfarrei hat sich im vergangenen Jahr gegen eine entsprechende Vorrichtung entschieden. Aber zum Rasten und zur Nahrungssuche lässt es sich für die Vögel auch so gut in der Ortschaft aushalten. So wie diese fünf sparen sich inzwischen immer mehr Störche im Winter den anstrengenden Flug Richtung Süden. Im Landkreis Erding gefällt es ihnen offenkundig besonders gut, und das liegt nicht nur am Klimawandel.

Das Gewerbegebiet Schwaig, gleich neben dem Flughafen München, bietet mit seinen Logistikunternehmen und deren mächtigen Hallen perfekte Aussichtsplätze. Vielleicht haben die fünf Störche beim Besuch Anfang Januar auch mal in Richtung des Schwaiger Kirchturms geschaut. Dort liefen im Mai Renovierungsarbeiten, was den Gemeinderat auf eine Idee brachte: Es sollte nur dann einen Renovierungszuschuss in Höhe von 8000 Euro geben, wenn der ohnehin eingerüstete Kirchturm für ein Storchennest präpariert würde.

Der Schwaiger Kirchturm ist für ein Storchennest ungeeignet, erklärt das Luftamt

Daraus ist nichts geworden. Der Pfarrverband Erdinger Moos hatte auf Fragen des Denkmalschutzes oder der Statik verwiesen - und der Flugsicherheit. Der Schwaiger Kirchturm befindet sich keine zwei Kilometer südöstlich des Airports. Nachdem sich das Luftamt gegen den Horst ausgesprochen hatte, fiel die Entscheidung gegen ein Storchennest.

Die Störche sind offensichtlich nicht nachtragend. Die Aussicht von Schwaiger Hallendächern ist prima, die Aussicht auf Nahrung erst recht. Gleich ums Eck, in der Nachbargemeinde Eitting, befindet sich ein Entsorgungsunternehmen mit Kompostieranlage. Ein ganzjährig reich gedeckter Tisch. In Eitting gibt es laut Uschi Schmidt-Hoensdorf, der Erdinger Kreisvorsitzenden des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), inzwischen einen "Schlafbaum", auf dem schon bis zu 25 Störche gesichtet wurden.

"Es sind heuer wieder deutlich mehr Störche, die bei uns überwintern", weiß die LBV-Kreisvorsitzende. Störche seien recht "opportunistisch", sie fressen so ziemlich alles, Frösche, Schlangen, Großlibellen, "leider auch Tiere, die auf der Roten Liste stehen", so Schmidt-Hoensdorf. Außerdem picken sie gerne auf Äckern herum oder suchen nach Aas im Abfall. Ihr Appetit wird ihnen mitunter zum Verhängnis, wenn sie Plastik und Gummi fressen und daran verenden. Eineinhalb Nierenschalen voller Gummibänder hatten Ärzte der Vogelklinik der Ludwig-Maximilians-Universität im August vergangenen Jahre aus dem Magen eines Langengeislinger Jungstorchs geholt. Es sind Gummiringe, wie sie beispielsweise für das Verschnüren von einem Bund Radieschen benutzt werden und die leider oft mit dem Obst- oder Gemüseabfall im Kompost landen.

Warum sollten die Störche die beschwerliche und gefährliche Reise in den Süden antreten, wenn es sich in Bayern im Winter inzwischen auch recht gut aushalten lässt? "Zehn Tage mit Eis und Schnee übersteht ein Storch außerdem locker", so Schmidt-Hoensdorf. Die Tiere haben nämlich ein dichtes Daunenfederkleid und können mehrere Tage von körperlichen Reserven zehren.

16 Storchenhorste hat der LBV im Landkreis aktuell ausgemacht. Das reicht nach Ansicht von Schmidt-Hoensdorf auch. Schließlich stehen die Tiere nicht auf der Liste der gefährdeten Arten, das Artenhilfsprogramm zeige seine Erfolge.

Es ist aber mitunter gar nicht so einfach, eine passende Bleibe für ein Storchenpaar zu finden. Die beiden Stadtstörche von Erding zum Beispiel müssen demnächst umziehen. Sie haben sich vor Jahren ausgerechnet für einen Mobilfunkmasten in der Altstadt als Nistplatz entschieden. Verständlich ist das, die Aussicht ist gut. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass der mächtige Horst den zuständigen Betreiber, die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, vor Probleme stellt, wenn es um künftige Modernisierungs- oder Reparaturarbeiten geht.

In Erding muss ein Paar demnächst den Nistplatz verlassen

Ringsum um den Funkmasten gäbe es Kamine in der Erdinger Altstadt, auf denen man einen Horst errichten könnte. Aber nicht jeder Hausbesitzer ist von der Idee begeistert. Störche machen auch ganz schön viel Dreck, und es muss auch die Statik stimmen, schließlich kann ein Storchenhorst über die Jahre über 1000 Kilo schwer werden. Uschi Schmidt-Hoensdorf wollte sich bei der Suche nach einer neuen Bleibe für die Erdinger Stadtstörche auch an Oberbürgermeister Max Gotz wenden. Eine Lösung ist derzeit nicht in Sicht.

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