Stadtwehr in Erding:Fluss umgeleitet - Hunderte Fische in der Sempt verendet

Stadtwehr in Erding: Das Münchner Wasserwirtschaftsamt arbeitet derzeit am Umbau des Erdinger Stadtwehrs.

Das Münchner Wasserwirtschaftsamt arbeitet derzeit am Umbau des Erdinger Stadtwehrs.

(Foto: Renate Schmidt)
  • Wegen der Sanierung des Erdinger Stadtwehrs wurde das Wasser der Sempt umgeleitet.
  • Das Restwasser, welches nachfließen sollte, staute sich an verhärtetem Kies.
  • Deshalb sind hunderte Fische verendet.

Von Thomas Daller, Erding

Bei einem Fischsterben in der Sempt sind Hunderte Fische verendet, insbesondere Jungfische. Der Vorsitzende des Bezirksfischereivereins Erding, Horst Gattermann, spricht von einer "Katastrophe in der Natur". Ursache war der Pegel der Sempt, der über Stunden hinweg auf Null gefallen ist, weil das Wasser in den Fehlbach umgeleitet worden ist. Diese Maßnahme erfolgte im Zuge der Sanierung des Stadtwehrs. Das zuständige Wasserwirtschaftsamt hatte ursprünglich geplant, dass noch eine Restwassermenge durch die Sempt fließen sollte. Es wurde jedoch versäumt, zu kontrollieren, ob dies tatsächlich auch im weiteren Verlauf der Fall ist.

Die Sempt reagiert auf Pegelabsenkungen sehr empfindlich. Denn bis zur Mündung in die Isar bei Moosburg hat sie so gut wie keinen Zulauf mehr. Der Fehlbach fließt nördlich von Erding nicht mehr in die Sempt zurück, sondern auf Eittinger Gemeindegebiet in den Mittleren Isarkanal. Das Restwasser, das verhindern sollte, dass die Sempt austrocknet, wurde jedoch noch in der Stadt Erding gestoppt. Unter dem sogenannten Falter-Haus, das über die Sempt gebaut wurde, hatte sich Kies angeschwemmt, der durch den Kalkgehalt des Wassers steinhart miteinander "verbacken" wurde. Als der Wasserstand fiel, bildete sich dort ein Rückstau und dahinter kam kein Wasser mehr durch.

Marianne Glanzer, die zuständige Ingenieurin des Wasserwirtschaftsamtes, räumte im Gespräch mit der SZ ein, dass sie sich den Vorwurf gefallen lassen müsse, den weiteren Verlauf des Gewässers nicht überprüft zu haben. Sie habe sich zu sehr auf die Planung verlassen. Denn man hätte die Katastrophe für die Sempt verhindern können, trotz des Querhindernisses aus Kies: Wenn man die Kraftwerksbetreiber flussabwärts rechtzeitig informiert hätte, wäre es noch möglich gewesen, durch ein Schließen des Ablaufs Rückstaubereiche zu bilden. Aber weil die Kontrolle unterblieb, war es auch für Gegenmaßnahmen zu spät.

Die Folge war eine ökologische Katastrophe: Viele größere Fische zogen mit der Strömung flussabwärts, als das Wasser knapp wurde. Jungfische jedoch, die sich oft im Flachwasserbereich aufhalten, weil sie dort davor geschützt sind, von größeren Fischen gefressen zu werden, verendeten massenweise, als gar kein Wasser mehr nachfloss. Betroffen waren insbesondere Bachforellen und Äschen, aber auch die äußerst seltenen Groppen, auch Mühlkoppen genannt. Dieses Groppenvorkommen dürfte der einzig stabile Bestand im Landkreis Erding gewesen sein; bis auf wenige vereinzelte Tiere in der Goldach bei Schwindkirchen kommen Mühlkoppen weder in der Isen noch in der Vils vor.

Doch die ökologische Katastrophe hat noch weitere Auswirkungen: Auch Fischnährtiere wie Bachflohkrebse, Eintags- und Köcherfliegenlarven sind im Flussbett der Sempt ausgetrocknet und haben den Wassermangel wohl zum Großteil nicht überlebt, befürchtet Gattermann. Auch wenn man nun wieder junge Äschen und Bachforellen besetzt - für Groppen gibt es keine Zuchten - fehlt ihnen das einschlägige Nahrungsangebot.

Der Bezirksfischereiverein dokumentiert die Schäden derzeit mit der Kamera. 20 Jahre sensible Nachzuchten beispielsweise durch den Besatz auch mit Fischeiern sind nun für die Katz. Der Verein wird vom Wasserwirtschaftsamt zwar wirtschaftlich entschädigt werden, der ökologische Schaden ist aber auf viele Jahre hinaus nicht wieder gut zu machen.

Sylva Orlamünde, Leiterin des Wasserwirtschaftsamtes München, sagte, man habe mittlerweile das aufgestaute Kiesbett beseitigt und den Pegel wieder erhöht. Eine Kontrolle der weiteren Gewässerstrecke werde man künftig machen, bislang sei dies nicht Vorschrift gewesen: "Hinterher ist man immer gescheiter."

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