St. Nikolaus-Schule und Skiclub Erding:Inklusion auf der Skipiste

St. Nikolaus-Schule und Skiclub Erding: Georg Bauer, Leiter der St. Nikolausschule, hat die ersten Skilager von Anfang an begleitet.

Georg Bauer, Leiter der St. Nikolausschule, hat die ersten Skilager von Anfang an begleitet.

(Foto: Renate Schmidt)

Seit mehr als 25 Jahren führen die St. Nikolaus-Schule und der Skiclub Erding eine Kooperation. Dass diese von Erfolg gekrönt ist, macht sich nicht nur in den sportlichen Resultaten bemerkbar.

Von Severin Dringel und Johannes Lesser, Erding

Die Schüler der St. Nikolaus-Schule in Erding machen gerade Mittagspause. Die einen jagen sich verspielt durch den Gang, die anderen genießen ihr Essen mit ihren Schulfreunden und einige reden enthusiastisch miteinander. Eine gewisse Wärme im Zusammensein, die auch der Schuldirektor Georg Bauer ausstrahlt. Routiniert wie er ist, erzählt er von den Vereinsmeisterschaften, an denen die Schule am vergangenen Wochenende teilnahm und zeigt Fotos von den Feierlichkeiten.

Seit mittlerweile mehr als 25 Jahren veranstalten die St. Nikolaus-Schule, an der geistig und mehrfach behinderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gefördert werden, und der Skiclub Erding jährlich Skilager und nehmen regelmäßig an nationalen und internationalen Wettbewerben teil. Neben Vereins- und deutschen Meisterschaften vertrat die Schule Deutschland schon bei mehreren Weltspielen - sowohl im Sommer als auch, seit Gründung der Kooperation, bei den Special Olympics im Winter. Für diese verschlug es die Schüler bereits in Länder wie Japan, Südkorea oder die USA.

Martin Walter vom Skiclub Erding war seit den ersten Tagen dabei. Die Kurse wurden dabei sofort positiv aufgenommen. Wie vielen jungen Menschen fehle es auch den Schülern der St. Nikolaus Schule heute an Bewegung. Zunächst war der Ansatz, die Skilager ähnlich den sonstigen Skikursen aufzubauen. Über die Zeit entstand dann ein Konzept, die Neueinsteiger direkt eins zu eins mit einem Trainer die ersten Bewegungen erlernen und später in Kleingruppen von drei bis vier Teilnehmern je nach Leistungsniveau fahren zu lassen. Aus sechs Teilnehmern zu Beginn sind beim Skikurs im vergangenen Dezember mittlerweile 28 Teilnehmer geworden. Bei einer solchen Personenzahl kommt es für die Kinder und Jugendlichen dann auch mal zu Pausen, die aufgrund der hohen Belastungen auch dankend angenommen werden.

Inspiration gab damals Walters Schwester Maria, die während ihrer Ausbildung zur Erzieherin ein praktisches Pflichtjahr an der St. Nikolaus-Schule absolvierte. Gemeinsam mit ihren zwei Brüdern setzte sie das Projekt schließlich durch. Nachdem Bauer, der damals noch Lehrer war, auch bereits länger mit dieser Idee kokettiert hatte, organisierte er nach dem Vorschlag des Geschwistertrios das erste Skilager mit damals fünf bis sechs Teilnehmenden. Die Grundvoraussetzungen dafür, dass die Schüler das Skifahren schnell und gut erlernen, waren von Anfang an gegeben. "Durch die Beteiligung von gut ausgebildeten Skilehrern war das Niveau der Kurse sofort qualitativ hochwertig", sagt der scheidende Schuldirektor.

Aktivität über den Winter hinaus

Bauer ist mittlerweile seit vielen Jahren Schuldirektor und befindet sich aktuell in seinem letzten Jahr in dieser Position. Eine Nachfolge steht noch nicht fest, momentan läuft die Bewerbungsphase. Die Bereitschaft, die Kooperation in der aktuellen Form über seine Amtszeit hinaus weiterzuführen, sei vom Personal aus gegeben.

Für Walter ist es nach wie vor das größte Highlight, wenn ein Kind zum ersten Mal alleine die anspruchsvolle Kombination aus Lift und Hang alleine bewältigen kann. Auch bei den Kindern sei die Freude riesig, nachdem sie im Alltag häufig auf Hilfe angewiesen sind und dann selbstständig eine solche Herausforderung meistern können.

Auch ins Sommertraining des Skiclubs sind Schüler der St. Nikolaus Schule involviert. Bei einer Art spielerischen Skigymnastik bereiten sie sich auf den nächsten Winter vor. Und sind dabei voll integriert: Kinder haben laut Walter viel weniger Berührungsängste als Erwachsene, was sich dann auch bei Trainingsspielen zeigt, in denen die Teilnehmer in Sportarten wie Basketball aufeinander angewiesen sind.

Viele der Schüler bleiben auch nach ihrer Schulzeit aktiv und begleiten auch im Erwachsenenalter regelmäßig die Skikurse Ende Dezember in der Nähe von Innsbruck. Dieser Höhepunkt am Ende des Jahres fördere auch die Motivation, das Jahr über für ausreichend Bewegung zu sorgen. Wie langfristig diese Motivation sein kann, zeigte sich bei den Vereinsmeisterschaft in einem kleinen Skigebiet in St. Jakob. Von den 60 Anmeldungen stammte jede vierte von einem aktuellen oder ehemaligen Schüler der St. Nikolaus Schule.

Multifunktionales Skifahren

Die Kooperation hat sich in vielerlei Hinsicht bezahlt gemacht. Zum einen profitieren die Schüler besonders aus sozialer Sicht enorm von den regelmäßigen Zusammenkommen und gemeinsamen Aktivitäten, wie etwa den Fahrten zu Events, mit Schülern ohne Behinderung. Sportlich konnte die Schule ebenfalls einige Erfolge verbuchen. Das Selbstvertrauen, das die Schüler durch solche Triumphe dazugewinnen, ist für Bauer das absolut wichtigste. "Die Skilager haben durchaus schon Schüler mit einem ganz besonderen Talent auf der Piste hervorgebracht", sagt er und merkt an, dass Martin Walter einst sogar meinte, dass der Entwicklungsprozess sich von jenem von Schülern ohne Behinderung kaum bis gar nicht unterscheidet.

Erfolg führt oft zu Konflikten. Unter den Schülern liegt laut Gruber zwar durchaus ein gesunder Konkurrenzkampf vor, aber vielmehr als Eifersucht empfinden die Schüler Freude füreinander. Bei den Special Olympics gehe es beispielsweise primär darum, sich gegenseitig Erfolg und Spaß zu gönnen, statt verbissen um die Medaillen zu kämpfen.

Walter wünscht sich für die Zukunft vor allem, dass die Zusammenarbeit mit der neuen Führungskraft der St. Nikolaus Schule in der aktuellen Form weitergeführt werden kann, auch wenn er sich irgendwann langsam zurückziehen werde. Und noch etwas ist ihm wichtig: Mehr Vereine aus unterschiedlichen Bereichen sollen sich einen Ruck geben und dem Vorbild des Skiclubs folgen. Für viele sei diese Aufgabe insbesondere in Zusammenarbeit mit den Förderschulen auf jeden Fall stemmbar.

Im Sommer ist die St. Nikolaus-Schule besonders in den Disziplinen Inlineskaten und Radfahren vorne dabei. Bei den diesjährigen Special Olympics in Berlin wird man allerdings nicht an den Start gehen. Dennoch sieht Bauer die Schule für die Zukunft in beiden Jahreszeiten gut aufgestellt: "Wir hatten erst kürzlich eine Kollegin, die nach Jahren das Skifahren wieder für sich entdeckt hat und sich nach dem letzten Skilager gleich eine ganze Ausrüstung zugelegt hat", erzählt Bauer in der Hoffnung, dass dieses Beispiel ein gutes Zeichen für die Zukunft ist.

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