"Sozialministerium spatzt sich ab":VHS leistet viel mehr als geplant

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Lehrer geben mehr als 4000 statt 2600 Unterrichtseinheiten für Flüchtlinge. Die Gemeinden zahlen mit

Von Antonia Steiger, Erding

Die Gemeinden im Landkreis Erding werden auch im kommenden Jahr einen Euro pro Einwohner zusätzlich an die Volkshochschule Erding überweisen, damit dort Deutschkurse für Flüchtlinge angeboten werden können. Zumindest der Verbandsausschuss hat sich darauf am Dienstag verständigt, jetzt muss noch die Vollversammlung des Zweckverbandes zustimmen. Weil zuletzt nicht mehr so viele neue Flüchtlinge im Landkreis angekommen sind, wird die VHS aber weniger Anfängerkurse anbieten. Stattdessen sollen Flüchtlinge, die hier leben, ihre Sprachkenntnisse so verbessern, dass sie anschließend in die Schule gehen oder eine Ausbildung aufnehmen können.

Zu wenig Kenntnisse nach einem Kurs

Astrid Martin, die bei der VHS den Bereich Deutsch und Integration verantwortet, gab einen Überblick über Angebot und Nachfrage und über Finanzierungsquellen. Demnach hatte die VHS für 2016 geplant, 2600 Unterrichtseinheiten zu halten, es wurden aber mehr als 4000 daraus. Und es werden bis Jahresende noch mehr werden. Allen Asylbewerbern habe ein Kurs angeboten werden können, wenn die persönliche Situation gestimmt habe, sagte sie. Allerdings: Der erste Deutschkurs versetzt sie nicht unbedingt in die Lage, anschließend eine Schule besuchen zu können. Die Kursteilnehmer würden nicht das erforderliche Niveau erreichen, bestätigte auch Hans Peis, Bürgermeister von Neuching und Vorsitzender des Zweckverbandes. Schon für das letzte Drittel 2016 überprüft die VHS nun, in welchem Umfang sie weiterführende Kurse anbieten kann. Das Gleiche ist für 2017 geplant: Es gibt laut Martin eine "Versorgungslücke", um die Kursteilnehmer vom untersten Niveau A1 auf A2, B1 oder B2 zu bringen. Die VHS könne dies leisten, sagte sie. Im Gegenzug könnte man auf Anfänger- oder auch Alphabetisierungskurse verzichten.

Ein großes Problem ist es jedoch, dieses Kursangebot zu finanzieren. Alle anwesenden Ausschussmitglieder - die Bürgermeister Max Gotz aus Erding, Hans Peis aus Neuching, Hans Wiesmaier aus Fraunberg, Gertrud Sigl aus Lengdorf und Max Kressirer aus Finsing - sprachen sich dafür aus, die Abgabe von einem Euro pro Einwohner für 2017 noch einmal beizubehalten. Sie wünschten sich aber auch, dass dies in der Öffentlichkeit erkannt und gewürdigt werde. Stattdessen müsse man sich aber oft anhören, die öffentliche Hand täte nichts, sagte Wiesmaier. Auch Gotz sagte, viele Bürger würden dies als ungerecht ansehen, wenn die Gemeinden diese Kurse mitfinanzierten. Er schlug daher vor, die Praxis Ende 2017 zu überprüfen.

Eigentlich eine "staatliche Aufgabe", sagt Hans Wiesmaier

Martin erläuterte weitere Finanzierungsquellen. Demnach werden Deutsch- und Integrationskurse für Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Iran, Eritrea und Somalia vom Bundesamt für Migration komplett finanziert. Kurse für Flüchtlinge aus anderen Ländern, die derzeit mehr als die Hälfte der etwa 1400 Flüchtlinge ausmachen, die im Landkreis Erding sind, werden dagegen zu einem Teil vom Europäischen Sozialfonds und vom bayerischen Sozialministerium finanziert.

Hier bleibt aber eine Finanzierungslücke in Höhe von zehn Prozent und dazu die Fahrkosten, und diesen Teil bestreiten die Gemeinden im Landkreis mit ihrer Abgabe. Dass der Freistaat Bayern den Volkshochschulen nun zusätzliche Mittel in Höhe von 2,8 Millionen Euro zur Verfügung stellt, von denen gut 40 000 Euro im Landkreis ankommen, besänftigte Wiesmaier jedoch nicht. Er erinnerte daran, dass die Deutschkurse nicht Sache der Kommune seien, sondern eine staatliche Aufgabe. Das bayerischen Sozialministerium "spatzt sich ab", schimpfte er.

Wie Martin weiter erklärte, bleiben nicht alle Teilnehmer bis zum Ende in den Kursen. Das liege an fehlenden Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, an einem Wechsel in die Berufsschule oder an eine Arbeitsstelle, an einem Wohnortwechseln oder schlicht daran, dass Buslinien eingestellt würden, wie dies in Moosinning der Fall gewesen sei. Manchmal aber seien die Flüchtlinge auch aufgrund ihrer psychischen Lage und ihrer schwierigen Biografie nicht in der Lage, einen Kurs bis zum Ende durchzustehen.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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