ÖkosystemGefährliche Krebsart erreicht Dorfen

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Das Beweisfoto von Manuela Wolfsbauer: Ein Signalkrebs am Ufer der Isen mitten in Dorfen. Deutlich sind die hellen Flecken an den Scheren zu erkennen.
Das Beweisfoto von Manuela Wolfsbauer: Ein Signalkrebs am Ufer der Isen mitten in Dorfen. Deutlich sind die hellen Flecken an den Scheren zu erkennen. (Foto: Manuela Wolfsbauer (OH))

Eine hungrige invasive Krebsart breitet sich in Bayern aus. Jetzt ist an der Isen in Dorfen das erste Exemplar gesichtet worden.

Von Thomas Daller, Dorfen

Sie sind wie eine Heuschreckenplage, nur unter Wasser: In Bayern breiten sich die aus Nordamerika stammenden Signalkrebse aus. Sie gelten nicht nur als Überträger der gefährlichen Krebspest, gegen die sie selbst immun sind, sondern fressen auch den Laich von Fischen und Fröschen und dezimieren deren Nachwuchs massiv. Zudem sind sie wehrhaft und aggressiv, auch die Fortpflanzungsrate ist höher als beim heimischen Edelkrebs. Schon jetzt findet sich der Signalkrebs lückenhaft in ganz Bayern, besonders betroffen sind Niederbayern und die Oberpfalz, aber auch in Oberbayern rücken sie vor. Nun ist das erste Exemplar in Dorfen gesichtet worden – mitten in der Stadt, auf einem Gehweg neben der Isen.

Am Sonntag, 27. Oktober, war Manuela Wolfsbauer in der Abenddämmerung zusammen mit ihrem Mann auf dem Weg in die Innenstadt, als ihr Mann plötzlich zurückschreckte: Beinahe wäre er auf einen Krebs getreten, der an der Mühlangerstraße neben der Isen auf dem Gehsteig spazierte: „Ein Riesenteil, mehr als 20 Zentimeter groß“, beschreibt sie ihn. Manuela Wolfsbauer machte ein Foto und stellte es in die Facebook-Gruppe Dorfen. Die ersten Kommentare waren positiv, Natur mitten in der Stadt, ist doch schön. Doch aufgrund der hellen Flecken an den Scheren wurde einer stutzig: Das ist ein Signalkrebs, postete er. Krebsexperten des Wasserwirtschaftsamtes München, denen die SZ Wolfsbauers Foto weiterleitete, bestätigten diese Einschätzung. Und das ist gar nicht gut für die Zukunft des Ökosystems in der Isen.

Es ist bekannt, dass Signalkrebse bereits den Unterlauf der Isen im Raum Winhöring, Landkreis Altötting, zu Abertausenden besetzt haben. Dort tauchten sie vor 15 Jahren zuerst auf, mittlerweile sind sie die dominante Spezies. Weil sie deren Laich fressen, sind die Bestände von Rotaugen und Lauben nach Angaben des örtlichen Fischereivereins um 90 Prozent eingebrochen. Die Fauna des Flusses verarmt rapide. Angeln mit Wurm oder Köderfisch ist längst nicht mehr möglich: Innerhalb von Minuten fieseln die Krebse die Köder ab. Stattdessen fangen die Fischer nun die Krebse mit Reusen und Krebstellern. Schon beim ersten Test betrug die Ausbeute mehr als 400 Stück.

Auch in der Oberpfalz ist die Ausbreitung enorm: Im Lauterachtal, im Naturpark Hirschwald, haben Ehrenamtliche seit Mai 2020 mehr als 100 000 Signalkrebse aus Vils und Lauterach geholt. Und ein Ende ist nicht in Sicht.

Laut Landesfischereiverband sind die Signalkrebse in den Zuflüssen von Inn und Isar bereits weitverbreitet, im Landkreis Freising beispielsweise in der Moosach.

In der Isen in Dorfen können sie zumindest mit der Krebspest keine Edelkrebse mehr anstecken, denn hier hat der Mensch bereits dafür gesorgt, dass es keine mehr gibt. Zuerst mit dem Besatz ihrer Fressfeinde, den Aalen, und danach mit wiederkehrenden massiven Gewässerverunreinigungen durch eingeleitete Gärreste von Biogasanlagen, an denen die Edelkrebse erstickten. 2016 gab es nach Angaben des Wasserwirtschaftsamtes München nur noch eine natürliche Population im Landkreis, in der Goldach. Bei einem Betriebsunfall in einem Sägewerk flossen dann Tausende Liter eines hochgiftigen Holzschutzmittels in den Bach. Auf 13 Kilometern, bis zur Mündung in die Isen, wurde dadurch die komplette Fauna ausgelöscht. Die Goldach war der verheerendste Fall in Bayern, das Wasserwirtschaftsamt München sprach von einer „Todeszone“.

Signalkrebse können nicht aufgehalten werden

Aber auch wenn im Landkreis die Habitate der Krebse verwaist sind, im nahen Quellgebiet der Isen, bei Maithenbeth, gibt es noch eine Population der sehr seltenen Steinkrebse. Wenn die Signalkrebse dort ankommen und nur ein paar wenige Sporen der Krebspest mit sich bringen, ist es auch mit den Steinkrebsen vorbei.

Die Signalkrebse können ohnehin nicht aufgehalten werden. Wehre und sonstige Querverbauten umgehen sie an Land, wie man am Beispiel Dorfen gesehen hat. Mit steigenden Temperaturen durch den Klimawandel kommen sie zurecht. Der unerwünschte Einwanderer aus Amerika wird sich nicht mehr vertreiben lassen, da machen sich die Ökologen nichts vor. „In Gewässern, die er besiedelt hat, hat der heimische Edelkrebs keine Chance mehr“, sagt Sebastian Hanfland, promovierter Fischereibiologe und Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes. „Ein gesetzlich und ethisch vertretbares Mittel, um ihn zu vertreiben, gibt es nicht.“

Der Verband appelliert an die Vereine, die betroffene Gewässerabschnitte befischen, Reusen und Krebsteller einzusetzen, um die Signalkrebse zumindest einzudämmen. Signalkrebse sind schmackhaft, bei Fischerfesten solle es häufiger Krebsessen statt Steckerlfisch geben.

Die Signalkrebse lediglich als Problem der Anglervereine abzutun, greift jedoch zu kurz, denn das Geschehen unter Wasser interagiert mit dem an den Ufern und in der Luft. Rotaugen, Lauben und Frösche, deren Laich die Signalkrebse fressen, sind wiederum wesentliche Fressfeinde der Mückenlarven, die vor dem Schlupf im Wasser leben. Wenn ihre Bestände einbrechen, könnte es in künftigen Sommern ungemütlicher werden.

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