Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Erding:Stationsleiter wegen sexueller Belästigungen verurteilt

Der Amtsrichter hat keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten und geht mit dem Strafmaß sogar über die Forderung der Staatsanwältin hinaus.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Ein ehemaliger Stationsleiter eines Pflegeheimes ist wegen sexueller Belästigung von zwei Mitarbeiterinnen am Amtsgericht Erding zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 65 Euro verurteilt worden. Der Angeklagte hatte bis zuletzt die ihm vorgeworfenen Taten bestritten und seine Anwältin forderte einen Freispruch für ihren Mandanten, es gebe zu viele Zweifel bei den Aussagen der Belastungszeuginnen. Und im Zweifel müsse das Gericht für den Angeklagten urteilen. Richter Andreas Wassermann hatte indes keine "vernünftigen Zweifel". Es stünden zwar Aussagen gegen Aussagen, aber alle Frauen hätten unabhängig voneinander über ähnliche Vorfälle mit dem Angeklagten berichtet. Und keine von ihnen habe ein Interesse gehabt, ihn zu schädigen. Im Gegenteil, sie hätten sogar unter anderem deshalb gekündigt.

Die Angeklagte sagte, sie wolle alles nur noch verdrängen, vergessen

Im Strafbefehl, gegen den der Angeklagte Einspruch eingelegt hatte, waren ihm noch drei sexuelle Belästigungen zur Last gelegt worden. Eine, bei der er die Brust einer neuen, jungen Kollegin von der Seite berührt haben soll, wurde letztlich nicht weiter verhandelt, da auch die junge Frau vor Gericht nicht mehr genau sagen konnte, wo er sie wie berührt habe.

Mehr Erinnerungen hatte sie an ihren zweiten Arbeitstag, als sie ihre Arbeitskleidung anprobieren sollte. Der Angeklagte sei zwar schon aus dem Zimmer gewesen, sei dann aber umgedreht und habe ihr an die nackte rechte Pobacke gegriffen und sie drei Mal angehoben. Sie habe damals einen Tanga als Unterwäsche getragen. An viel mehr konnte und wollte sie sich nicht mehr erinnern. Sie wolle alles verdrängen, vergessen. Sie sei bei dem Vorfall geschockt gewesen und habe nur noch was gestammelt. Danach habe sie erstmal mit ihrer Freundin und ihrer Psychotherapeutin gesprochen, ehe sie zur Polizei und Heimleitung gegangen sei.

Sie selber habe dann nicht mehr dort arbeiten können und zudem gemerkt, dass die Arbeit für ihren Rücken nicht gut sei. Sie kündigte deshalb und sei heute noch in psychotherapeutischer Behandlung. Auch für den Stationsleiter hatte der Vorfall Konsequenzen, allerdings erst, als es ein paar Monate später erneut zu einer sexuellen Belästigung kam. Diesmal soll er eine Kollegin nach Hause gefahren und ihr im Auto die Hand auf die Innenseite des linken Oberschenkels gelegt haben. Beim Aussteigen soll er ihr dann mit der flachen Hand aufs Gesäß geschlagen haben. Auch hier hatte die Mitarbeiterin danach von sich aus gekündigt. Dem Stationsleiter wurde ein Aufhebungsvertrag von Seiten des Heims nahegelegt. Das hat er angenommen und ist aber bereits wieder in einem anderen Heim beschäftigt.

Eine früherer Mitarbeitern sagte, dass er ihr regelmäßig Avancen gemacht habe

Die Verteidigerin hatte an beiden Verhandlungstagen versucht, die Glaubwürdigkeit der betroffenen Frauen zu erschüttern. Etliche Mitarbeiter des Heimes wurden angehört, die den Angeklagten als guten Kollegen und Stationsleiter schilderten. Wer mit den beiden Frauen zusammengearbeitet habe, habe keine Auffälligkeiten in ihrem Verhalten nach den angeblichen Vorfällen feststellen können. Laut der Verteidigerin sei die junge Frau auch unglaubwürdig angesichts ihres unsteten beruflichen Werdegangs und der Tatsache, dass sie schon vorher psychische Probleme gehabt habe. Der Angeklagte brachte im zweiten Fall ins Spiel, dass die Frau ihn "zerstören" will, weil er es abgelehnt habe, Sex mit ihr zu haben. Er sei schließlich Familienvater. Eine dritte von ihm belästigte Mitarbeiterin, deren Fall aber nicht verhandelt wurde, sagte indes aus, dass der Angeklagte auch ihr regelmäßig Avancen gemacht und ihr erklärt habe, er brauche "was nebenher".

Ein Punkt, den auch Richter Wassermann in seiner Urteilsbegründung ansprach und damit Bezug nahm auf die Aussage der Frau: Er sei ein super Kollege, aber wenn er mit einer Frau alleine sei, habe er seine Hormone nicht mehr im Griff. Drei Frauen, drei Vorwürfe sexueller Belästigung, für Wassermann gab es deshalb keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten. Mit 160 Tagessätzen blieb er deutlich über den 110 der Staatsanwältin und den 120 zu je 50 Euro im Strafbefehl. Auch, so der Richter, weil der Mann seine Position als Vorgesetzter missbraucht habe.

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