Schöngeising:Zum Mähen aufs Boot

Thomas Braumiller ist in Schöngeising aufgewachsen, die Amper hat er vor der Haustür. Der Inhaber des "Unter'n Wirt" pflegt den Flussabschnitt vor dem Biergarten und kümmert sich um den Erhalt einer besonderen Atmosphäre. SZ-Serie "An der Amper - Menschen am Fluss", Teil 6

Von Andreas Ostermeier, Schöngeising

Die Amper gehört zum Leben von Thomas Braumiller. Seit Kindertagen. In dem Fluss hat er schwimmen gelernt, auf ihm ist er oft Kajak gefahren, an ihm ist er aufgewachsen. Seit zehn Jahren ist Braumiller Inhaber der Gastwirtschaft "Zum Unter'n Wirt" in Schöngeising. Die Wirtschaft liegt mitten im alten Dorfkern und direkt an der Amper. Die hat ihren Einfluss auf das Leben von Braumiller nicht verloren, Bootsfahrer machen im Biergarten Rast, Badegäste nutzen die Liegewiese, die zur Wirtschaft gehört, und Sportfischer präsentieren in der Stube einige ihrer Trophäen. Die Nähe zur Amper prägt auch den Biergarten mit seinen 400 Plätzen, davon die Hälfte mit Selbstbedienung. Der Gast sitzt unter großen Kastanien und schaut Richtung Fluss ins Grüne. Die Badewiese macht das Areal viel größer, als es von der Straße her aussieht. Zur vollen Stunde dringt das Geläut von der Dorfkirche herüber, deren Turm ganz nahe ist. Ansonsten ist vor allem Vogelgezwitscher zu hören. Wenn auch noch die Sonne scheint und man ein kühles Bier vor sich stehen hat, dann fällt einem schon das Wort idyllisch ein.

Biergarten in Schöngeising, 2009

Die Gäste im Biergarten halten es auch mal etwas länger aus.

(Foto: Johannes Simon)

"Wenn man mit etwas aufgewachsen ist und es liebt, muss man auch drauf schauen", sagt Braumiller und erzählt, wie er unter Zuhilfenahme eines Mähbootes der Algenblüte im Fluss zu Leibe gerückt ist. Die Amper ist eben nicht nur Kindheitserinnerung, sie macht bisweilen auch Arbeit. Doch Gefahr bedeutete sie nie. Der Fluss trete selten über die Ufer, und wenn, dann sammle sich das Wasser nur auf der Badewiese, erzählt der Wirt. Im Haus hatten er, seine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern noch nie Wasser. Seit dem Jahr 1812 ist die Familiengeschichte mit dem Wirtshaus verknüpft. Schon damals schenkten Braumillers Bier an ihre Gäste aus. 1879 erwarb die Familie den Gasthof, zu dem lange Zeit auch eine Landwirtschaft und eine Metzgerei gehörten. Die großen Kastanien im Biergarten hat Braumillers Vater gepflanzt. In der kleineren Stube hängen Fotografien der Großeltern an der Wand, außerdem Bilder vom alten Schöngeising.

Thomas Braumiller

Thomas Braumiller ist für sein Leben gern Wirt. Die Zeit, die er selbst hat, um sich eine frische Halbe zu gönnen, ist immer zu kurz.

(Foto: Günther Reger)

Der heutige Wirt züchtet die Tiere, deren Fleisch auf der Speisekarte steht, nicht mehr selbst. Braumiller legt aber Wert darauf, dass Hühner, Forellen, Gemüse oder Salat von Landwirten aus dem Landkreis stammen. Diese Regionalität passt für den Gastronom gut zu seiner Dorfwirtschaft, zu den Holzplanken und dem Kachelofen in der Stube ebenso wie zu der Speisekarte, auf der sich vor allem bayerische Gerichte finden, darunter sogar die abgebräunte Milzwurst, die man nur noch in wenigen Wirtshäusern angeboten bekommt. Doch Braumiller konzentriert sich nicht nur auf die Wirtschaft an der Kirchstraße. Unter der Woche versorgt er mehrere Kindertagesstätten mit Essen. Etwa 150 Mahlzeiten werden dafür von morgens 8 Uhr an gekocht und im Laufe des Vormittags ausgeliefert. Höchstens zwei Mal in der Woche gebe es Fleisch, erzählt Braumiller, und mindestens einmal Fisch. Die Kinder sollen nach den Vorstellungen des Kita-Caterers auch viel Gemüse und Salat essen. Um die optimale Ernährung für Buben und Mädchen zu finden, arbeitet der Wirt mit Ernährungswissenschaftlern der Landwirtschaftsschule in Fürstenfeldbrucker Stadtteil Puch zusammen.

Gasthof Braumiller

Das Gasthaus Unter'n Wirt in Schöngeising.

(Foto: Günther Reger)

Braumiller setzt aber nicht nur die Gastwirtstradition seiner Familie fort. Wie sein Vater, der es in den Siebzigerjahren bis zum Bürgermeister des Ortes brachte, engagiert sich der Inhaber vom Unter'n Wirt in der Kommunalpolitik. Er ist einer von drei CSU-Gemeinderäten. Auch dieses Ehrenamt begründet er damit, dass man verpflichtet sei, auf das Acht zu geben, mit dem man aufgewachsen ist.

Neben Ausflüglern, die zu Fuß, mit Fahrrad, Auto oder Boot kommen, Einheimischen und Badegästen will Braumiller auch junge Gäste anlocken. Einmal im Jahr veranstaltet er ein Openair-Festival mit elektronischer Tanzmusik. "Starkstrom" lautet der Titel, unter dem DJs aus der Umgebung auf zwei Bühnen ihren Sound präsentieren. Amper und Ampere, der Name des Flusses und die Bezeichnung für die Stromstärke hätten für den Festivalnamen Pate gestanden, erzählt Braumiller. Er erwartet 1500 Gäste zu dem Musikereignis am Samstag, 30. Mai. Elf DJs legen von 12 bis 22 Uhr auf, 200 Karten gibt es noch an der Tageskasse, der Rest ist bereits verkauft. Nach dem Party-Ende beim Unter'n Wirt fährt ein Shuttle-Bus nach Fürstenfeldbruck in den Club "Buck Rogers". Dort wird dann weitergefeiert.

Braumiller ist gerne Wirt. Er hat den Beruf gelernt und viele Erfahrungen gesammelt, unter anderem in einem Münchner Hotel und als Zeltwirt auf dem Tollwood-Festival. Dennoch hat er nicht immer in der Gastronomie gearbeitet. Zehn Jahre lang hat er der Kinder wegen etwas anderes gemacht, er selbst spricht von einem "Break". Denn aus seiner Kindheit wusste er, dass das Familienleben in einer Wirtschaft zu kurz kommt. Deshalb hat er das Gasthaus in Schöngeising erst übernommen, als die Kinder im Schulalter waren. Ob eines von ihnen die Wirtschaft übernehmen und die Familientradition weiterführen möchte, das weiß er nicht. Früher habe man gesagt, dass die Übernahme einer eingesessenen Dorfwirtschaft den Lebensunterhalt garantiere, sagt Braumiller. Doch er hat Zweifel, dass das noch gilt. Jedes Jahr kämen neue Vorschriften hinzu, beklagt er, und die Dokumentationspflichten wüchsen. Als aktuelles Beispiel verweist er auf die Angabe von Inhaltsstoffen in der Speisekarte, die allergische Reaktionen auslösen können. Zudem wird es nach seinen Worten immer schwieriger, Auszubildende zu finden. Den Grund dafür sieht er im theorielastigen Schulunterricht. Auch bemängelt er, dass es Bewerbern häufig an der eigentlichen Basis in der Gastronomie, an den Umgangsformen fehle.

Doch die Zweifel weichen, wenn Braumiller in der Sonne am Tisch sitzt. Vor sich hat er eine Halbe Helles stehen, gebraut in der Schlossbrauerei Dachau. Auf der Bügelflasche, aus der er das Bier ins Glas gefüllt hat, steht in Großbuchstaben "BIO". Darauf legt der Schöngeisinger Wirt weniger Wert als auf die Herkunft. Dachau gehört zur Region, und die will er "fühlen" bei dem, was er trinkt, isst und in seiner Dorfwirtschaft verarbeitet.

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