Schlechte Konditionen:Akuter Mangel an Hebammen

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Es fehlen im Landkreis Erding nicht nur ausgelernte Hebammen, sondern es gibt auch nicht genügend Berufseinsteiger. (Foto: Uli Deck/dpa)

Weil es im Landkreis Erding viel zu wenige Geburtshelferinnen gibt, müssen viele Anfragen von Schwangeren abgelehnt werden. Eine Verbandsvertreterin macht dafür vor allem Planungsfehler verantwortlich

Von Nadja Gabrych, Landkreis

Viele Hebammen im Landkreis müssen Anfragen von schwangeren Frauen ablehnen. Der Grund dafür sind eine zu große Nachfrage seitens werdender Mütter und zu geringe Kapazitäten seitens der Hebammen. Es fehlen nicht nur ausgelernte Fachkräfte an Ort und Stelle, sondern auch Berufseinsteiger. Wenig Freizeit und eine für den Aufwand zu geringe Bezahlung machen den Beruf für junge Menschen eher unattraktiv. Doch gerade jetzt werden zunehmend Hebammen gesucht und auch gebraucht.

Für Pia Materna ist ihr Beruf vor allem eins: schön. Sie mag es, den Frauen und ihren Familien helfen zu können und immer wieder bei einem ganz intimen Moment dabei sein zu dürfen. Daher tut es ihr umso mehr leid, wenn sie Anfragen von Schwangeren ablehnen muss. "Ich kann verstehen, dass sich viele Frauen allein gelassen fühlen, aber es gibt einfach zu viel Arbeit und zu wenige Hebammen", sagt Materna. Seit 14 Jahren ist sie in der Hebammenpraxis Erding tätig und schon jetzt bis März 2019 ausgebucht. Die Problematik liege darin, dass der Beruf für junge Leute nicht mehr so attraktiv sei, zum einen wegen der geringen Bezahlung und zum anderen wegen der kleinen Lobby. "Erst Frauen, die schwanger sind machen sich Gedanken darüber, wen sie anrufen können, wenn ihr Kind Bauchweh hat, oder etwas mit dem Stuhl nicht stimmt, oder sie schlichtweg Hilfe brauchen", so Materna. "Das Bewusstsein müsste aktiviert werden. Uns Hebammen gibt es und wir haben einen schönen Beruf", sagt sie weiter.

Da würde auch der Wechsel vom Ausbildungsberuf zum Studium nicht viel bringen. "Es gibt gut ausgebildete Hebammen, aber leider zu wenig", sagt Materna. Gerade zur Zeit gäbe es ein extremes Loch, dass es nicht nur zu Gunsten der Hebammen, sondern auch der werdenden Mütter zu stopfen gelte. "Wir bräuchten akut praktische und empathische Kräfte, die an der Front arbeiten", sagt Materna. Ein Weg, den Beruf für junge Menschen anziehender zu machen sei natürlich eine bessere Bezahlung, aber auch eine wachsende Kenntnis über die Tätigkeit als Hebamme könnte Interesse wecken. "Wenn der Beruf nicht attraktiver gemacht wird, könnte er bald ganz aussterben", warnt Materna.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml hat dazu am Wochenende auf den neuen Bayerische Hebammenbonus verwiesen. Der kann seit dem 1. September rückwirkend für das Jahr 2017 beantragt werden. Damit sollen die Hebammen mit jährlich 1000 Euro finanziell unterstützt werden.

Auch der Terminkalender von Josita Hohenleitner, Hebamme in Isen, ist bis März 2019 voll. Vor allem in Erding sei die Nachfrage sehr groß und sie müsse immer wieder Frauen ablehnen. "Es ist unumgänglich sich selbst Grenzen zu setzen, die Situation ist unbefriedigend", sagt Hohenleitner. Seit 1998 ist Josita Hohenleitner freiberufliche Hebamme und seit zwei Jahren ist sie zudem im Krankenhaus Ebersberg angestellt. Den Bedarf an Hebammen und die steigende Nachfrage erkennt auch sie täglich. Als Gründe dafür sieht sie den großen Aufwand und im Gegenzug wenig Freizeit und eine eher magere Bezahlung. Zudem sei es schwer für Hebammen, preisgünstige Räumlichkeiten zu finden, in denen sie ihre Kurse anbieten können. Ihr macht der Beruf dennoch viel Freude. "Man kann wirklich was Gutes bewirken und ist in einem sehr schönen Moment dabei", so Hohenleitner. Das müsse jungen Menschen bewusst gemacht werden.

Den landesweiten Bedarf an Hebammen erkennt auch Astrid Giesen, Vorsitzende des bayerischen Hebammen-Landesverbands. Für sie sei die aktuelle Situation vor allem auf Planungsfehler zurückzuführen. Mit der Verkürzung der stationären Wochenbettbetreuung in den Krankenhäusern von zehn Tagen auf nur noch zwei bis drei Tage sei die Nachfrage nach Hebammen, die eben jene Betreuung zu Hause übernehmen, gestiegen. Vor allem in den ersten zehn Tagen nach der Geburt sei eine enge Anbindung an die Hebammen für die medizinische Nachsorge wichtig. Das sei bei der Planung der Ausbildungsplätze der Hebammen nicht berücksichtigt worden. Viele Hebammen seien vom klinischen Bereich der Geburtshilfe in die Wochenbettbetreuung und Elternbildung gewechselt, weil sich die Rahmenbedingungen in den Kliniken sehr verändert haben. "Geburtsmedizin statt Geburtshilfe, Einsparungen bei der Besetzung der Kreißsäle. Aber das reicht nicht und hat dazu geführt, dass in beiden Bereichen Engpässe sind, in der Klinik und der häuslichen Betreuung", erklärt Giesen.

Die geringe Zahl der nachkommenden Hebammen führt die Vorsitzende auch auf das bundesweite Ausbildungsgesetz für den Beruf zurück. Das wurde weder auf Bundes- noch auf Landesebene an die EU-Richtlinien angepasst. "Das sorgt bei den jungen Leuten für Unsicherheit. Auch darüber, ob die bestehende Ausbildung EU- weit anerkannt wird", sagt Giesen.

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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