Abschiedsfeier einer Institution: Zwei Jahrzehnte lang hat Gastwirt Anton Silbernagl in seinem Gasthaus Schex in St. Wolfgang beim Starkbierfest Politiker derbleckt. Was der Nockherberg für Bayern ist, war für den Landkreis Erding die Fastenpredigt des „Schexn Done“. Immer pointiert, aber nie verletzend. Am vergangenen Freitag fand die allerletzte Vorstellung statt. Aber nicht, weil es dem Wirt in diesen Zeiten an satirischem Material mangelt, vielmehr hat nun auch der Fachkräftemangel in der Gastronomie den Schex erfasst: „Ich bekomme nicht mehr genügend Personal“, sagte Silbernagl.
Zum letzten Starkbierfest erwies die politische Prominenz Anton Silbernagl wieder die Ehre, vom CSU-Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz über Staatsministerin Ulrike Scharf und Landrat Martin Bayerstorfer bis zu Erdings Oberbürgermeister Max Gotz und weiteren Bürgermeistern der Region.
Silbernagl fragte gleich zur Begrüßung Andreas Lenz, ob er wisse, warum das Reichstagsgebäude über eine Kuppel verfüge. Die Glaskuppel sei ein Symbol für Transparenz, antwortete der Bundestagsabgeordnete. Silbernagl hatte eine andere Interpretation: „Es gibt keinen Zirkus mit einem Flachdach.“
Auch Martin Bayerstorfer veralberte er, weil dieser nicht nur langjähriger Landrat, sondern auch Chef des Klinikums Erding ist. Hinterfotzig begrüßte er ihn als „Doktor“ Martin Bayerstorfer, eine Pointe, die ebenfalls zündete.
Silbernagl instrumentiert aber seine Fastenpredigt nicht für eine Generalabrechnung mit der CSU, er weiß da sehr wohl zu unterscheiden. Bei Staatsministerin Ulrike Scharf beispielsweise, die eine „bemerkenswerte Rede im Landtag gehalten hat“: „Du hast gesagt, die AfD schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland, ihretwegen machen Investoren einen Bogen um unser Land. Die AfD steht für Destruktion, Volksverhetzung, Spaltung, Hass und Verharmlosung der schlimmsten Menschheitsverbrechen in deutschem Namen. Respekt Ulrike.“
Aber am CSU-Parteivorsitzenden kommt er natürlich nicht vorbei: „Die neue Regierung macht jetzt genau das, was Robert Habeck als Wirtschaftsminister machen wollte und wofür ihn vor allem unser Ministerpräsident Markus Söder aufs heftigste kritisiert hat, nämlich neue Schulden aufzunehmen, um mit Investitionsprogrammen zur Infrastruktur die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Ja, die Grünen sind an allem schuld.“

Und dabei habe die Union noch Glück gehabt. Nur wenige Tausend Stimmen mehr für das BSW und die Union hätte für eine parlamentarische Mehrheit neben der SPD auch noch die Grünen für eine Koalition benötigt. Söders Canossa-Gang malte sich Silbernagl genüßlich aus: „Ich als Grüner hätte darauf bestanden, dass Markus Söder mit nacktem Oberkörper grün angemalt und mit einem kleinen Windrad auf dem Kopf einen ganzen Tag durch München laufen muss.“
Die Freien Wähler ließ er auch nicht ungeschoren, die erst gegen neue Schulden gewettert hatten und dann doch eingeknickt seien: „Der Aiwanger hat gesagt, wer ohne Schulden ist, der werfe das erste Flugblatt.“
Wieder einmal gelang Silbernagl auch das Kunststück, mit kommunalen Themen Brücken zur großen Politik zu schlagen, beispielsweise aktuell zum Bau von zwei neuen „Pamperlbrücken“ auf der B15 zwischen St. Wolfgang und Dorfen. Das Projekt ist mit 5,5 Millionen Euro veranschlagt. Beim Bund sitze das Geld wohl sehr locker. Silbernagl wandte sich an Bayerstorfer: „Die repariert man mit dem Maschinenring für 350 000 Euro. Steuerfrei, oder Landrat?“
Es bleibt nur ein kleines Stüberl für die Gäste
Es gab viel Beifall für die Fastenpredigt, der große Saal des Wirtshauses war mit rund 350 Gästen voll besetzt. Als sich Silbernagl anschließend zu Pfarrer Martin Ringhof an den Tisch setzte, redete dieser ihm zu, mit den Fastenpredigten doch weiterzumachen. Auch die SZ fragte nach, ob er es sich nicht doch noch einmal überlegen könnte. „Hauptursache ist das mangelnde Personal“, sagte Silbernagl. „Aber wenn ich mir auch unsere politische Entwicklung so ansehe, dann würden sie mich in ein paar Jahren, wenn ich dann noch dort oben stehe, vielleicht verhaften.“ Und das schien nur halbwegs witzig gemeint zu sein.
Im Herbst dieses Jahres soll der gesamte Betrieb des Wirtshauses heruntergefahren werden. Dann soll vom „Schex“, in den vergangenen Jahrzehnten vielfach ausgezeichnet als eine der besten regionalen Küchen Bayerns, nur noch ein kleines Stüberl für die Gäste bleiben. Jammerschade und neben dem kulturellen Verlust des Politiker-Derbleckens auch ein kulinarischer für den ganzen Landkreis.