Süddeutsche Zeitung

Scheues Nagetier:Meister Bockert ist zurück

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Seit etwa drei Jahren haben Biber den Landkreis Ebersberg als Lebensraum für sich entdeckt, fast an jedem Gewässer haben sie inzwischen ihre Reviere. Das führt freilich auch zu Problemen

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Damit, dass er einen ganzen Wald unter Wasser gesetzt hat, wäre er vielleicht noch einmal davongekommen. Dass er aber auch noch einen Damm unterminiert hat, auf dem schwere landwirtschaftliche Maschinen fahren müssen, können die Verantwortlichen ihm nun wirklich nicht mehr durchgehen lassen. Erstmals hat die Naturschutzbehörde im Landratsamt daher eine Abschusserlaubnis für einen Biber erteilt, der es im südlichen Landkreis so toll treibt. Seit etwa drei Jahren haben die Nagetiere entdeckt, dass es sich im Landkreis bestens leben lässt, das führt zunehmend auch zu Problemen. Im kommenden Jahr will die Naturschutzbehörde daher einen Naturschutzwächter einsetzen, der ein Auge speziell auf die Biberpopulation hat. Außerdem soll es einen Notfalltopf geben, mit dem Schäden von Privatleuten ausgeglichen werden können.

Die Maßnahmen, die im Etat 2018 vorgesehen sind, müssen zwar noch endgültig genehmigt werden, in den ersten Beratungsrunden vor der Sommerpause gab es allerdings keine Einwände. Tatsächlich haben die Klagen über Biberschäden deutlich zugenommen, wie Johann Taschner, Chef der Naturschutzbehörde im Landratsamt, sowie Brigitte Pühl und Norbert Probul, die dort vor allem mit dem Thema befasst sind, unterstreichen. "Es ist jedes Jahr massiver geworden", sagt Taschner. "Es gibt Zeiten, da können wir das fast nicht mehr bewältigen, vor allem in diesem Frühjahr war es heftig", ergänzt Probul. Bei der Wahl seines Reviers scheint der Biber nicht überaus wählerisch zu sein, "jeder aquatischer Lebensraum", seien es nun Wassergräben, Fließgewässer oder Baggerseen, ist ihm recht. Sogar ein Biber, der im Forst über die Straße marschierte, wurde bereits gesehen, auch die kleinen Teiche im Wald scheinen besiedelt zu sein. Selbst direkt an der B 304 fühlen sich die Tiere wohl, der Verkehr scheint sie nicht weiter zu stören. Wo auch immer sie wohnen, eines brauchen sie auf jeden Fall: einen Zugang zu ihrem Bau, der unter der Wasseroberfläche liegt. Und wenn sich das auf natürliche Weise nicht ergibt, dann helfen die Biber eben nach und bauen ihre berüchtigten Dämme, um Wasser aufzustauen.

Dies erzürnt naturgemäß betroffene Waldbesitzer und Bauern, doch die Medaille hat zwei Seiten, wie die Experten im Landratsamt unterstreichen. Denn der Biber schafft hervorragende Lebensräume für andere Tiere, "die Artenvielfalt geht sprunghaft hoch", so Probul. Amphibien, Wasservögel oder Eisvögel siedeln sich etwa gern als Nachbarn von Bibern an. "So gut kann ein Landschaftsarchitekt Biotope gar nicht bauen", sagt Taschner. Selbst wenn es nicht so wäre: Der Biber ist geschützt, einfach so darf man ihn gar nicht aus seinem Lebensraum vertreiben oder ihn möglicherweise sogar jagen.

Es gibt freilich auch Ausnahmen: Wenn die Gefahr besteht, dass Menschen verletzt werden oder die Biber-Bauten große wirtschaftliche Schäden verursachen, darf man etwas unternehmen. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn der Biber einen Hochwasserdamm oder die Becken einer Kläranlage unterminiert. Oder eben einen Fahrdamm, auf dem Landwirte mit ihren schweren Geräten einbrechen könnten, was für Mensch wie Maschine schlimm ausgehen könnte. Aus diesem Grund hat die Naturschutzbehörde nun eben die erste "Entnahmeerlaubnis" erteilt, was im Amtsdeutsch bedeutet, dass der Biber eingefangen oder abgeschossen werden darf. Beides hat allerdings bisher in dem Fall im südlichen Landkreis nicht geklappt, der Biber hat sich der "Entnahme" bisher erfolgreich entzogen. "A Hund is er scho, der Biber", konstatiert Taschner.

Im Landratsamt bemüht man sich, den bibergeschädigten Grundstücksbesitzern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und auch Präventivmaßnahmen umzusetzen. Stammschutz aus Draht, Elektrozäune oder auch ein Anstrich mit einer Substanz, die Biber nicht mögen, können die Tiere vergraulen. Die Behörde bemüht sich aber auch, Uferstreifen aufzukaufen oder ins Vertragsnaturschutzprogramm aufzunehmen, denn weiter als 15 Meter entfernen sich die Tiere nur selten von den Gewässerrändern. Gerade in den Fällen, wo Mais bis an die Ufer angebaut wird, richten sie aber oft großen Schaden an, sagt Probul: "Die Kolben nimmt der Biber als Futter, die Stangen als Dammbaumaterial." Auch die Entschädigungszahlungen für die Landwirte leiten die Biber-Experten im Landratsamt in die Wege. Privatleute gehen bei Biberschäden bisher meist leer aus, das will die Naturschutzbehörde ändern, sie hofft, dass für das kommende Jahr hierfür ein Sondertopf von 10 000 Euro bewilligt wird. Der neue Naturschutzwächter soll übrigens nicht nur für die Biberberatung allein zuständig sein, er soll notfalls auch gegen "Problembiber" vorgehen können: Taschner und seine Kollegen hoffen daher, dass sich ein Jäger findet, der dieses Amt übernimmt.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2017
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