Zwei Jahre ohne Volksfest:Neustart mit Handicaps

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Der Autoscooter Rilke ist das älteste Schausteller-Unternehmen auf dem Herbstfest Erding. (Foto: Stephan Görlich)

Wenn alles gut geht, wird Gabi Rilke heuer bei 13 Volksfesten vertreten sein - nach zwei Jahren Stillstand. Die Schausteller-Familie startet mit ihrem Autoscooter und dem Entenheben bei der Landshuter Frühjahrsdult, die am Freitag, 29. April, beginnt.

Von Gerhard Wilhelm, Wartenberg

Ein Leben ohne Volksfeste? Für Gabi Rilke war das im Februar 2020 nicht vorstellbar. Kurz darauf trat das nie Geglaubte aber ein: die Rilkes waren im Sommer zum ersten Mal zuhause in Wartenberg, alle Volksfeste waren wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Gabi Rilke kommt aus der Schaustellerfamilien Rilke in Wartenberg. 1957 hatte ihr Vater Günter Rilke den heute weit bekannten "Rilke Schausteller Betrieb" geründet. In seine Fußstapfen traten später Tochter Gabi und auch deren Sohn. Jetzt haben das Warten, und vorerst die Sorge, ob und wie es weiter geht, ein Ende. Die Rilkes stehen mit ihrem Autoscooter und dem Entenheben bei der Landshuter Frühjahrsdult, die Freitag, 29. April, beginnt.

Ihre Mutter Lydia wird mit 87 wieder an der Kasse sitzen

"Es geht drunter und drüber und man merkt, zwei Jahre ohne Volksfest ist eine lange Zeit", sagt die Schaustellerin kurz vor der Frühjahrsdult. Schon vor Corona hatte die Familien den Betrieb reduziert auf zwei Geschäfte: den Autoscooter und das Entenheben. Unter anderem wegen des Alters ihrer Eltern. Ihre Mutter Lydia hatte zum 85. Geburtstag vor zwei Jahren erklärt, dass sie beim Wartenberger Volksfest zum letzten Mal an der Kasse des Autoscooters sitzen werde. Das fand nun weder 2020 noch 2021 statt. Ihre Tochter Gabi aber war sich damals sicher. "Aufhören will sie schon seit zehn Jahren. Aber sie wird es nicht lassen können. Sie ist gewissermaßen in der Kasse verwurzelt, das wird sie nie aufgeben." Und sie hatte Recht. Auf der Frühlingsdult will ihre Mutter wieder im Kassenhäuschen sitzen. Dann mit 87.

Im Freizeitpark "Herbst in Erding" im vergangenen Jahr war Gabi Rilke - hier mit Ihrer Enkelin Mila - zumindest mit dem Entenheben vertreten. (Foto: Renate Schmidt)

2021 endete für Gabi Rilke wie das Jahr zuvor: Mit dem Schreiben von Bewerbungen für das nächste Jahr. Die zwei vergangenen Jahr seien nicht nur finanziell, sondern auch psychisch eine Belastung gewesen. "Dass es weitergeht, die Hoffnung hatten wir erst in diesem Frühjahr, als es von der Regierung hieß, dass Volksfeste unter gewissen Bedingungen möglich sein sollen." Viele Städte hätten sich aber Zeit gelassen mit dem Versenden der Verträge. Vier, fünf Wochen Vorlaufzeit seien aber wenig, wenn man sozusagen einen Kaltstart machen müsse, vor allem bei der Personalsuche. "Jeder benötigt dann plötzlich Personal", sagt Gabi Rilke. Ein Umstand, den mancher ausnutze und Forderungen beim Lohn stelle, mit der Aussage, sonst komme er nicht. Bestelltes Personal sei nicht gekommen, und andere, mit denen man lange zusammengearbeitet habe, habe sie erst überzeugen müssen, wieder mitzuarbeiten, sagt Rilke.

"Man muss Geld ausgeben, das man noch gar nicht hat"

Das Hochfahren des Betriebes sei nicht nur aufwendig, sondern auch kostenintensiv. "Es sind einige Fahrzeuge, die wir haben. Alle müssen jetzt zum Tüv gefahren werden. Dann müssen die Versicherungen wieder in Kraft treten. Da kommen schon einige Tausend Euro zusammen." Aber es gebe auch andere Probleme, wie sie bei ihrem Geschäft Entenheben gemerkt habe. Als Gewinne gebe es zum Beispiel Teddybären, Spielzeug und vieles mehr. Entgegen der Planung sei sie eine Woche vorher zum Warenhändler, nachdem ein Schaustellerkollege ihr gesagt habe, dass der schon nicht mehr viel habe. "Letztlich muss man Geld ausgeben, das man noch gar nicht hat. Schließlich muss man Waren auf Vorrat einkaufen, damit man genug für die ersten Volksfeste hat, falls der Händler so schnell nicht wieder liefern kann." Der Neustart sei mit vielen Handicaps verbunden, sagt Gabi Rilke. In der ersten Nacht habe man ihr dann auch noch ein Stromkabel gestohlen. "Manchmal macht es keinen Spaß. Wir hoffen aber das Beste für den Auftakt. Wir sind ja Idealisten und anders geht es gar nicht in dem Job", sagt sie.

Auf die Frage, ob sie die vergangenen zwei Jahre nicht ab und an ans Aufhören gedacht habe, zögert sie erst mal. "Wenn man so in der Schwebe ist, gar nicht weiß, was kommt, ist das natürlich schwer. Corona war schwierig, und jetzt kommt der Ukraine-Krieg dazu." Natürlich mache sie sich Gedanken und möchte gerne helfen. Aber die Absage von Volksfesten helfe auch nicht. Sie mache sich auch Gedanken, wie es mit der Inflation weitergeht. "Vieles wird sich ändern. Früher konnte man wenigstens sagen, du kannst gut leben, deine Sanierungen machen, es war Geld für Neuanschaffungen da, aber wie soll das Ganze weitergehen?" Beim Autoscooter könnten zwei Personen eine Runde für drei Euro fahren. Andere Fahrbetriebe verlangten bis zu sechs, die ganz großen inzwischen teilweise sogar sieben, acht Euro. Für eine Person. "In Landshut müssten wir auf 3,50 Euro gehen, aber das geht nicht, da der Preis, den man im Herbst in das Bewerbungsschreiben angeben muss, bindend ist. Ob es uns gefällt oder nicht", sagt die Schaustellerin. Zum Glück sei das nicht bei vielen Volksfesten so. "Viele Veranstalter sind sehr entgegenkommend, wenn man ihnen die Lage erklärt."

Beim Wartenberger Volksfest ist sie selbst die Organisatorin

Für heuer hat sich Gabi Rilke für 13 Plätze beworben - ihre Standardplätze, wie sie sagt. "Keiner hat uns bisher abgesagt. Vorbehaltlich, dass nichts zum Beispiel bei der Corona-Pandemie passiert." Nach der Frühlingsdult in Landshut (29. April bis 8. Mai) ist Rilke auf dem Erdinger Frühlingsfest (13. bis 22. Mai). Eigentlich wäre man regulär auch auf dem Frühlingsfest der Stadt Moosburg (13. bis 18. Mai) gewesen, aber die Organisatoren in Erding hätten das eigene Fest nicht anders einplanen können. Erding sei aber einer der Standardplätze. "Man will aber eigentlich weder das eine noch das andere Fest verlieren. Ich war deshalb sehr froh, dass mir der Moosburger Bürgermeister entgegengekommen ist und wir im Herbst nach Moosburg fahren dürfen", sagt Rilke. Vor der Moosburger Herbstschau (9. bis 18. September) ist das Erdinger Herbstfest (26. August bis 4. September) fest eingeplant. Und ein weiteres Muss: das Wartenberger Volksfest (15. bis 20. Juni). 2020 hätte eigentlich ein Jahr der Jubiläen für die Schaustellerfamilien Rilke aus Wartenberg werden sollen: zum 70. Mal auf dem Erdinger Herbstfest und zum 20. Mal hätte Gabi Rilke das Wartenberger Volksfest organisiert. Heuer könnte es klappen. "Derzeit sieht es so aus, als hätten wir eine halbwegs normale Situation."

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