Sanierungsbedürftig:Grundlegende Schwierigkeiten

Die Wallfahrtskirche Heilig Blut ist seit bald zwei Jahren für Besucher gesperrt. Der Boden, auf der sie seit 342 Jahre steht, war auf einmal nicht mehr tragfähig

Von Florian Tempel, Erding

Seit fast zwei Jahren ist die Wallfahrtskirche Heilig Blut gesperrt. Im Mauerwerk und in der reich mit Stuck verzierten Decke hatten sich immer größere Sprünge gezeigt, ganze Brocken waren herab gefallen. Schon 2013 war zum Schutz vor herabfallenden Putzstücken ein Netz im Innenraum gespannt worden. Doch im Dezember 2015 wurde die Gefahr für die Besucher dennoch als so groß eingeschätzt, dass die Barockkirche seitdem niemand mehr betreten darf. Außer natürlich den Experten, die noch immer dabei sind, die Ursache der baulichen Probleme zu erforschen und anschließend ein Sanierungskonzept auszuarbeiten. Wann die Kirche voraussichtlich wieder öffnet, für Pilger, Hochzeiten, Orgelmusik und Schulgottesdienste? Keiner weiß es derzeit zu sagen.

Sanierungsbedürftig: Die Kirche Heilig Blut bleibt weiterhin gesperrt.

Die Kirche Heilig Blut bleibt weiterhin gesperrt.

(Foto: Renate Schmidt)

So richtig schlimm, wie am Anfang gedacht, ist es zwar doch nicht. Bereits im vergangenen Jahr wurde klar, dass die Kirche nicht etwa einsturzgefährdet ist. Der Erdinger Architekt Markus Heilmaier ist vom erzbischöflichen Ordinariat beauftragt, die Ursachen zu erforschen und ein Sanierungskonzept zu erarbeiten. Aktuell läuft eine Langzeitvermessung des Innenraums. Dafür steht in der Kirche ein Lasermessgerät, dass mehrmals am Tag automatisch und supergenau mehrere markierte Punkte im Innenraum ausmisst. Die Daten werden über ein Notebook, das auf einem Tischlein gleich neben dem Messgerät steht, weiter nach München zu einem Vermessungsspezialisten geschickt. Der wertet die Daten unter Berücksichtigung von aktuelle Klimadaten wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit aus. So zeigt sich wie sich, wann und wie sich das Gemäuer an welchen Stellen bewegt.

Sanierungsbedürftig: Das Gebäude ist zwar nicht, wie anfangs befürchtet, einsturzgefährdet. Doch die Risse in der Stuckdecke sind groß und es ist noch nicht klar, wie man die Spannungen im Gemäuer effektiv verringern kann.

Das Gebäude ist zwar nicht, wie anfangs befürchtet, einsturzgefährdet. Doch die Risse in der Stuckdecke sind groß und es ist noch nicht klar, wie man die Spannungen im Gemäuer effektiv verringern kann.

(Foto: Fotos: Renate Schmidt)

Die bisherigen Messergebnisse seien "harmlos", befand Architekt Heilmaier schon vor einem Jahr. Und er weiß auch längst, was los ist: Die Kirche steht auf nicht besonders tragfähigem Untergrund. Wahrscheinlich durch Schwankungen des Grundwasserpegels hat sich der Untergrund an manchen Stellen gesetzt. Das zieht und zerrt nun an dem alten Gebäude.

Die am Erdinger Stadtpark gelegene Kirche Heilig Blut ist eine der ältesten der nicht wenigen Wallfahrtskirchen im Landkreis. Dort, wo 1675 das barocke Kirchengebäude errichtet wurde, stand schon mindestens seit dem 15. Jahrhundert eine gotische Gnadenkapelle, die wohl ebenfalls noch einen Vorgängerbau gehabt hat. Eine Kapelle aus Holz, die nach einer wundersamen Begebenheit gestiftet worden sein soll. Schon in der Ursprungslegende geht es um Standfestigkeit und ganz besondere, schwer erklärbare Schwerkraftphänomene.

Sanierungsbedürftig: Dazu braucht es noch weitere Messungen. Ein Spezialgerät liefert automatisch Daten.

Dazu braucht es noch weitere Messungen. Ein Spezialgerät liefert automatisch Daten.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Geschichte geht so: Zwei Bauern aus dem ehemaligen Dorf und heutigem Stadtteil Klettham gingen zur Messe in die Pfarrkirche in Altenerding. Der eine Bauer war sehr reich und der andere sehr arm. Der arme Bauer fragte seinen wohlhabenden Nachbarn auf dem Weg zur Kirche aus, wie er denn zu seinem Reichtum gelangt sei. Der begüterte Bauer rückte mit seinem Geheimnis heraus: Vor vielen Jahren habe er aus der Messe eine Hostie mit zu sich nach Hause genommen, die er seitdem sorgfältig aufbewahre. Das habe ihm zu seinem Wohlstand verholfen. Das wollte der arme Bauer auch. Und so behielt er nach der Kommunion die Hostie im Mund und schluckte sie nicht herunter. Auf dem Heimweg aber muss er wohl gestolpert sein oder hat husten müssen. Jedenfalls entwich ihm die Hostie aus dem Mund. Wundersamerweise sei sie noch einige Zeit schwerelos in der Luft geschwebt, bevor sie zu Boden fiel. Dort blieb sie dann fest und unverrückbar liegen, als sei sie schwerer als irgendetwas sonst auf der Welt. Weder dem beschämt herbeigerufenen Altenerdinger Pfarrer noch dem damals amtierenden Bischof von Freising sei es gelungen, die Hostie wieder vom Boden aufzuheben. Sie war nicht mehr zu bewegen und versank schließlich im Erdboden.

Nach dieser wundersamen Erscheinung baute man an Ort und Stelle erst eine Kapelle, dann ein gotisches Kirchlein und später eben das jetzigen Kirchengebäude. Baumeister war der im Erdinger Land sehr aktive Hans Kogler. Die heutigen Baumeister haben die keineswegs leichte Aufgabe, den herrlichen Barockbau dauerhaft zu sichern. Doch bevor man ein Sanierungskonzept erarbeiten kann, müssen die Messungen noch einige Monate laufen. Wann dann tatsächlich Bauleute anrücken, um Heilig Blut wieder festen Boden zu geben, bleibt offen. Ebenso wie die Frage der Finanzierung, zu der man im erzbischöflichen Ordinariat momentan auch nichts sagen kann. Vorerst bleibt vor allem Geduld gefragt.

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