Sagen und Mythen:Grüße aus Schilda

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Alle Geschichten können den Schildbürgerstreichen-Erzählungen zugeordnet werden. Die Bürger der Stadt Schilda hatten ein neues Rathaus gebaut, jedoch die Fenster vergessen. (Foto: oh)

Geschichten, die nicht gerade von großer Schläue zeugen: So sollen die Erdinger versucht haben, den alten Turm zur neuen Kirche zu schieben und die Dorfner sollen Kiebitze durch das Schließen der Stadttore einfangen gewollt haben.

Von Isabel Käsbauer, Landkreis

Es gibt eine ganze Reihe von Erzählungen der Schildbürgerstreiche. 1598 kam das erste Volksbuch mit Schwänken unter dem Namen "Die Schildbürger" heraus. Die Haupthandlungen werden von den Bürgern der fiktiven Stadt Schilda ausgeführt, welche ihre Probleme auf ihre eigene, meist dümmliche Art lösen. Eine bekannte Geschichte aus der Schildbürgerreihe ist die Rathausgeschichte, in der die Bürger der Stadt Schilda ein neues Rathaus bauen, jedoch die Fenster vergessen. Sie beschließen einfach mit alten Kartoffelsäcken das Licht einzufangen und in das Rathaus zu bringen, um es zu erleuchten. Diese einfältige Idee war im Voraus zum Scheitern verurteilt.

In einer anderen Schildbürgergeschichte verschieben diese einen Kirchturm. Ganz ähnlich gibt es diese Geschichte auch als Sage in Erding: Im 15. Jahrhundert war der Bau der prächtigen St. Johann Kirche endlich abgeschlossen. Die Erdinger Bürger waren sehr stolz auf das neue Gotteshaus, auch wenn es keinen Kirchturm hatte. Dafür mussten sie viel Spott einstecken. Doch für den Bau eines Turms war kein Geld mehr da. Deswegen beschlossen sie, den alten Turm einfach zu dem neuen Kirchengebäude zu schieben. Als sie schoben und schoben, wussten sie jedoch nicht mehr, wie weit sie nun gekommen waren. Der Bürgermeister der Stadt legte aus diesem Grund seinen Mantel auf den Boden. Als Maßstab dafür, wie weit sie gekommen waren.

Und alle lachten über die Turmschieber

Ein Dieb machte den Erdingern allerdings einen Strich durch die Rechnung. Er stahl kurzerhand den Mantel des Bürgermeisters, als alle mit dem Schieben beschäftigt waren. Die Turmschieber fragten sich schließlich, wo der Mantel abgeblieben sei. Sie einigten sich darauf, dass der Mantel von dem Turm überschoben sein musste. Sie legten deshalb einen neuen Mantel auf dem Boden. Doch egal wie fest sie schoben, der Turm blieb an der selben Stelle und wollte sich nicht über das Kleidungsstück schieben lassen.

Die Erdinger berieten sich deswegen, und kamen zu dem Entschluss, dass ein so hoher Turm nicht über den Mantel eines einfachen Mannes steigen wird. Nur der Mantel eines Mächtigen war geeignet, so wie der des Bürgermeisters eben. So holte der alte Stadtpfleger seinen Mantel und legte ihn auf den Boden. Das Spiel wiederholte sich und die Erdinger schoben und schoben. Wieder ohne Erfolg.

Der Manteldieb war in der Zeit schon in der nahen Stadt Moosburg angekommen. Dort wurde der Mantel wiedererkannt. Der Dieb erzählte die Geschichte und alle lachten die "Ardinga Turmschiaba" aus. Noch heute steht auf dem Schrannenplatz der Stadtturm. Er stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist tatsächlich fünf Meter von der Kirche entfernt. Trotzdem hängen die Glocken der St. Johannkirche in dem Turm. Früher diente er außerdem den Stadtwächtern als Aussichtpunkt um Gefahren wie Brände zu entdecken.

Zum Andenken an die Sage wurde in Erding der Turmschieberbrunnen vom Erdinger Künstler Harry Seeholzer am Fehlbach errichtet. Allerdings gibt es aus dem Rathaus eine andere Deutung: Die Figuren - drei lebensgroßen Gestalten: Vater, Mutter, Kind - versuchen, etwas Unverrückbares zu verschieben. So werde symbolisiert, dass die Erdinger bereit seien, auch etwas "Unmögliches anzupacken".

Eine Geschichte, um die Nachbarn zu ärgern

Eine vergleichbare Spottgeschichte gibt es über die Dorfner, die laut einer anderen Sage nicht einmal die Kiebitze kannten, die in großer Anzahl damals noch im Isental brüteten. Laut dieser Geschichte, die wohl in einen Nachbarort ersonnen wurde, um die Dorfener zu ärgern, hätten die Einwohner sie als "seltene Vögel" bestaunt, als ein paar Exemplare eines Tages auf dem Marktplatz gesessen seien. "Das Ereignis sprach sich schnell herum und der Marktplatz füllte sich mit neugierigen Bürgern", heißt es in der Geschichte. Im Rathaus versammelte sich in der Zeit der innere, sowie der äußerste Rat, denn sie überlegten, wie sie die seltenen Vögel einfangen könnten.

Da kam einem die Idee, man könnte einfach alle vier Stadttore zuschließen, und die Kiebitze dann einkreisen. Die Geschichte muss aus der Zeit vor 1890 stammen, denn zu der Zeit wurde das vierte Dorfener Tor, das Haager Tor im Süden, abgebrochen. Der Vorschlag wurde für sehr gut empfunden und einstimmig angenommen. So wurden alle Tore zugesperrt und der Rat begab sich auf die Jagd. Als sie nun die Vögel umkreist hatten und den Kreis immer enger zogen, passierte es: Die Vögel flogen auf einmal davon, über den Bürgermeister drüber, ließen noch Vogeldreck fallen und verschwanden über dem Isentor. Alle waren erstaunt und kratzten sich verlegen hinter den Ohren, hatten sie schließlich erkannt das ihre Idee doch nicht so klug war, wie sie dachten.

Der Bürgermeister aber, auf dessen Nase der Vogeldreck gefallen war, floh zu dem nächsten Brunnen. Diese Sage ist unter dem Namen "Dorfner Bregerl" bekannt, Bregerl bezeichnet den Vogeldreck. Der Spottname ist auch auf einer seltenen Faschingsmedaille aus dem 1926 wiederzufinden, die der Heimatforscher Johann Wimmer auf einem Flohmarkt entdeckt hat und dann dieser Geschichte nachgegangen ist. Und die in der Geschichte erwähnten Kiebitze brüten zwar immer noch im Landschaftsschutzgebiet Isental, aber sie sind mittlerweile so selten geworden, dass die Unkenntnis dieser Vögel eher in die heutige Zeit passen würde.

Eine weitere Geschichte, in der man die Bürger eines Ortes als Narren darstellt, spielt sich unweit der Landkreisgrenze im niederbayerischen Velden ab. Was bei den Dorfner die Kiebitze waren, ist bei den Veldnern der Hecht. Auch diese Geschichte lebt von einer völlig hanebüchenen Ausgangssituation, denn die Stadt Velden liegt an der Vils und die Vils war in früherer Zeit für ihren Fischreichtum bekannt. Dass die Veldener als Anrainer eines Flüsschens keinen Hecht als solchen erkannt hätten, ist eine Prämisse, die man nur erfinden kann.

Ab mit dem Fisch in den Vogelkäfig

Die Sage ist kurz und rasch erzählt: Eines Tages kamen die Veldner an einen Hecht. Weil sie davor noch nie einen gesehen hatten und nicht wussten um welch ein Tier es sich handelt, steckten sie den Fisch in einen Vogelkäfig. Sie fütterten ihn und warteten bis er sang, doch es geschah nichts. Schließlich kam es, wie es kommen musste und der Fisch erstickte. Dies sprach sich anscheinend herum, denn die Sage blieb als Ortsneckerei und wurde in Versform weitererzählt: "Gemb'sbecker Scherschrecker, Baxer Forell'n, Wenns an Hecht ham wollts, geht's eine auf Veld'n."

Die Sage des Hechtes gibt es in der selben Form auch in der Stadt Berching in der Oberpfalz. Das es sich um die selbe Sage handelte, fiel ihnen erst auf als das Fernsehen über die Veldner Hechte berichtete. In Vergessenheit geraten wird die Sage deshalb nicht so schnell. Schließlich ist die Geschichte auch auf der offiziellen Internetseite der Gemeinde Velden zu finden. Der Altbürgermeister Wilfried Stock hat dazu auch ein Gedicht geschrieben, auch dieses kann man auf der Internetseite finden.

Auch die Erdinger schmunzeln über ihre Sage und halten sie in Erinnerung. So kann man zum Beispiel an Stadtturmführungen teilnehmen, bei denen auch die Geschichte der Turmschieber zu Erding erzählt wird.

© SZ vom 31.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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