Rundgang mit Experten:Blick in die eigene Vergangenheit

Erdinger zeigen großes Interesse an der ersten öffentlichen Führung über die Ausgrabung am Gaugrafenweg. Dort stand ein frühmittelalterlicher Königshof, jetzt wird seine Umgebung untersucht

Von Antonia Steiger, Erding

Die Grabungen am Graugrafenweg in Altenerding stoßen auf enormes Interesse. Bei der ersten öffentlichen Führung am Donnerstag scharten sich sechzig Menschen zur heißen Mittagsstunde um den Doktoranden Marc Miltz und den Leiter des Museums Erding, Harald Krause, die erklärten, was dort getan wird, was die Archäologen überprüfen wollen und was sie schon entdeckt haben. Zum Beispiel ist eines sicher: dass der karolingische Königshof nicht die Besiedelung ist, aus der die Menschen stammen, die im Reihengräberfeld in Klettham bestattet worden sind. Damit bleibt ungeklärt, wo die Menschen gelebt haben, die zwischen 450 und 720 in Klettham bestattet worden sind. Am Gaugrafenweg auf jeden Fall nicht.

Marc Miltz erläuterte den Zuhörern die Zusammenhänge: Seinen Ursprung hat der Hof demnach bereits im 7. oder 8. Jahrhundert unter den letzten bajuwarischen Herzögen der Agilolfinger. Karl der Große gliederte das Herzogtum in sein Reich ein, im heutigen Altenerding entstand ein frühmittelalterliche Königshof. Als Teil der Einverleibung seien Gerichtstage anzusehen, die dort abgehalten wurden. Man dürfe davon ausgehen, dass Gerichtstage nicht auf dem freien Feld abgehalten worden seien, sondern dort, wo es Möglichkeiten gegeben habe, die Menschen beim Gerichtstag zu versorgen - also in einer wirtschaftlich leistungsfähigen Region. In einer Urkunde aus dem Jahr 778 wird der Königshof mit dem Namen "Ardeoingas" als Ort eines Gerichtstages genannt, es ist dies die erstmalige Erwähnung Erdings. Der Grabungsleiter Miltz untersucht nun vor allem die Befestigung des Königshof, dessen Existenz schon 2010 bei Grabungen auf dem Nachbargrundstück der Familie Zellner nachgewiesen wurde.

Rundgang mit Experten: Mit höchster Aufmerksamkeit folgten viele Erdinger am Donnerstag den Ausführungen der Fachleute.

Mit höchster Aufmerksamkeit folgten viele Erdinger am Donnerstag den Ausführungen der Fachleute.

(Foto: Renate Schmidt)

Gefunden hat Miltz bisher dies: Befestigt war der Hof mit zwei Wällen und zwei Gräben, die gut erkennbar sind an der unterschiedlichen Färbung des Erdreichs, das Studenten und ehrenamtlichen Helfer schon freigelegt haben. An der Grabung sind neben dem Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und der Provinzialrömischen Archäologie der LMU München auch die Gesellschaft für Archäologie in Bayern, die dort eine vierwöchige Lehr- und Forschungsgrabung veranstaltet, sowie der Archäologische Arbeitskreis und der Archäologische Verein Erding.

Wie groß der frühmittelalterliche Königshof war, das wisse man noch nicht, erklärte Krause. Weil aber die Umgebung noch nicht so dicht bebaut ist, hoffen die Archäologen, bei späteren Bebauungen nach Zeugnissen der Vergangenheit wühlen zu dürfen. Auch die jetzige Ausgrabung ist bauvorgreifend, das heißt, dort wird gebaut, zuvor aber dürfen die Archäologen ran. Auch wenn das Wasserwirtschaftsamt München die Sempt ausräumt, werden die Archäologen Zugang zu dem Gelände erbitten. Denn ob die Sempt dort verlaufen ist, wo sie jetzt verläuft, sei nicht sicher. Es gebe Hinweise, sagte Miltz, dass dies nicht der Fall sei - zum Beispiel eine mögliche Beziehung zu dem lange nicht mehr existenten Peterskircherl auf dem Petersbergerl, der jetzt auf der anderen Seite der Sempt liegt. Es sei möglich, dass diese Kirche, die älteste christliche Kirche im Sempttal, zum Herrschaftsgebiet der Karolinger gehört habe. Zum Beispiel ein sehr großer Friedhof rund um die Kirche.

Rundgang mit Experten: Wo heute Studenten und ehrenamtliche Helfer im Boden graben, wurde früher Textil verarbeitet. Zahlreiche Funde weisen darauf hin.

Wo heute Studenten und ehrenamtliche Helfer im Boden graben, wurde früher Textil verarbeitet. Zahlreiche Funde weisen darauf hin.

(Foto: Renate Schmidt)

Im weiteren Verlauf der Geschichte übergab Kaiser Arnulf den Hof seiner Mutter als Altersruhesitz, und als die Mutter starb, schenkte er es dem Erzbistum Salzburg den Hof. Wie Miltz erläuterte, betrachtete man in Salzburg die Neuerwerbung weniger als herrschaftlichen sondern eher Chance auf wirtschaftlichen Zugewinn. So wurden die Wälle beseitigt, um mehr Platz für Handwerker zu schaffen, dies alles kann Miltz mit seinen Grabungen nachweisen. Wo ein Wall gewesen war, finden sich auch Überreste eines Grubenhauses, das wegen der klimatischen Bedingungen in die Erde versenkt gebaut wurde und in denen Handwerker gearbeitet hatten - vor allem Textilhandwerker, was zahlreichen Funde belegen. Weil Wall und Werkstatt nicht gleichzeitig möglich seien, ließe sich am Alter der Häuser ablesen, wann die Befestigungsanlagen abgebaut wurden - eine für Archäologen und Historiker ungemein spannende Frage.

Es gibt eine weitere öffentliche Führung über das Grabungsfeld: am Donnerstag, 24. August, 13 Uhr.

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