Rudolf L. Reiter:Rückkehr in die Realität

Rudolf L. Reiter: Ein Bild aus besseren Zeiten: Rudolf L. Reiter trägt sich in das Goldene Buch der Stadt Erding ein.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Rudolf L. Reiter trägt sich in das Goldene Buch der Stadt Erding ein.

(Foto: Peter Bauersachs)

Nach einer schweren Herzoperation konnte Rudolf L. Reiter einige Monate lang nicht arbeiten. Diese Erfahrung hat ihn verändert, das sieht man auch in seiner neuesten Kunst

Von Mathias Weber

Das Jahr 2014 war ein richtiges Reiter-Jahr. Der wahrscheinlich international bekannteste Künstler Erdings feierte seinen 70. Geburtstag, in ganz Deutschland wurden ihm Ausstellungen gewidmet, und eine Dauererstellung im Museum Erding mit seinen Bildern wurde neu konzipiert. Im vergangenen Jahr stellte er dann dort zuerst eine Sonderausstellung vor, "Die Romantische Moderne - Wanderung der Seelen durch Bildwelten" hieß sie. Die Ölbilder trugen Namen wie "Sehnsucht" oder "Abenddämmerung". Neben einer weiteren Ausstellungseröffnung in Moosburg gab es im Sommer vergangenen Jahres zudem die Ausstellung "Hidden Secrets - Verborgene Geheimnisse" in Erding, das sich dem Spätwerk Rudolf L. Reiters widmete, welches von hoher Abstraktion geprägt ist. Doch die Besuche im Museum Erding im vergangenen Jahr sollten die letzten großen öffentlichen Auftritt des Künstlers mit dem markanten Rauschebart werden.

Denn in der zweiten Jahreshälfte hat sich Reiters Gesundheitszustand rapide verschlechtert - das Herz! Er musste sich mehreren OPs unterziehen, vier Monate lang war er schwer krank. Ausstellungen in Freising und Berlin mussten abgesagt werden, auch die Fertigstellung eines biografischen Filmes konnte nicht mehr realisiert werden. Diese Zeit, sagt seine Tochter Victoria Reiter, sei für den Künstler "schicksalshaft" gewesen.

Dass Reiter, der für sich in Anspruch nimmt, die Stilrichtung der "Romantischen Moderne" quasi erfunden zu haben, dass Reiter also jetzt nach seiner Krankheit kürzer treten könnte - das ist erst einmal nicht zu erwarten. Nach seiner krankheitsbedingten Arbeitspause, heißt es von Viktoria Reiter, habe ihr Vater "gottlob die Arbeit wieder aufgenommen." Er stürzt sich richtig auf die Arbeit: Die ersten romantischen Ölbilder des neuen Jahres heißen "Spiegelungen", "Frühlingslicht" und "Victoria-Parkgedanken": Im Stil seiner Bilder der Romantischen Moderne begibt sich Reiter wieder in die Natur und zeigt - stilistisch irgendwo zwischen dem Romantiker Turner und dem Impressionisten Monet - ein unschuldiges Kind, das Blumen sammelt, in einem Feld auf dem Land; oder eine Parklandschaft mit hohen Bäumen und einer kleinen Brücke über den See. Wer mag, kann in den Bildern einerseits eine Ruhe erkennen, die Reiter jetzt, nach seiner Krankheit, erfasst hat.

Gleichzeitig aber widmet sich Reiter nun auch wieder seinem abstraktem Expressionismus. Mehrere Bilder sind allein in diesem Jahr entstanden, die so ganz anders sind als die romantischen Gemälde am See: Auf Aluminium malt, oder vielmehr: drückt sich Reiter expressiv aus. Mit Schlieren, Linien, Klecksen, "Willkür, Zufall, Zerstörung" schreibt Reiter dazu. "Kamasutra" heißt ein Bild, "Samengeburt", "Liebespaar" und "Bevölkerte Seele" einige andere. Ganz offensichtlich schlagen nun wieder zwei Herzen in seiner Seele - das ruhige, naturverbundene und das wilde, dramatische. Die lange Krankheit habe Rudolf L. Reiter verändert, heißt es von Viktoria Reiter - "vornehmlich seine Seele. Auf dem Weg zur Rückkehr in die Realität sind seine neu geschaffenen Bilder zu sehen und zu verstehen."

Victoria Reiter zufolge dürfen sich die Reiter-Fans in Erding und anderswo auch im laufenden Jahr auf einige interessante Aktionen des 71-Jährigen freuen. Bis Ende 2016 soll zum Beispiel eine Biografie veröffentlicht werden. Arbeitstitel: "Leben gegen den Strom." Sie soll sich mit den verschiedenen Schaffensphasen Reiters beschäftigen, die vor genau 40 Jahren ihren Anfang fanden, als er mit seiner Frau Hilde in der Erdinger Färbergasse sein Atelier eröffnete. Spannend dürfte werden, wie er sich in der Biografie mit Erding auseinandersetzt, sein "Verhältnis zu seiner Geburtsstadt" soll beschrieben werden. In der Vergangenheit war die nicht immer innig: Immer wieder hat Reiter (auf seine ironische Art) durchblicken lassen, dass er gerade hier nicht diese Wertschätzung erfährt, die ihm anderswo durchaus zuteil wird. Die Biografie sowie der Film sollen dann im Herbst 2016 fertig sein, wenn zwei große Ausstellungen in Berlin und München anstehen. Im 40. Jahr will Reiter auch sein Atelier für interessierte Kunstkenner öffnen. An den Wochenenden im April gibt er Kunstfreunden und Sammlern die Möglichkeit, "außerhalb des normalen Vernissage-Trubels" seine Arbeiten kennenzulernen. Sie werden einen Menschen kennenlernen, der um eine Erfahrung reicher ist - und der diese Erfahrung in seiner Kunst verarbeitet. "Einssein mit der Anderswelt", das ist sein neues Motto.

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