Rudolf L. Reiter:Rätselhaftes Kunstprojekt

Der Künstler zeigt sein neues Opus "Mit der Seele sehen". Er hat eine bemalte und zwei unbemalte Leinwände verpackt

Von Florian Tempel, Erding

Rudolf L. Reiter ist ein geheimnisvoller Künstler. Nicht, dass man das falsch versteht: Als Mensch ist er sehr umgänglich, freundlich und charmant. Er ist ein ganz normaler Zeitgenosse, mit dem man sich prima unterhalten kann und der selbst sehr unterhaltsam ist. Doch wenn es um sein Künstlersein geht, wird Rudolf L. Reiter zu einem nicht so recht fassbaren Phänomen. Viele, die über ihn und seine Kunst schreiben, formulieren Sätze, die man ohne Begeisterung für esoterische Ausdruckskraft nie und nimmer verstehen kann. Aber das passt schon. Denn die Kunstaktionen des Rudolf L. Reiter sind ja meistens auch ganz schön rätselhaft. So wie seine neuestes Projekt "Mit der Seele sehen", das noch bis Januar im Museum Erding zu bestaunen und zu erleben ist.

Ganz nüchtern betrachtet - was in diesem Fall natürlich komplett falsch ist - sieht man im Ausstellungsraum drei flache, gleichgroße Pakete nebeneinander an der Wand hängen. Das hellbraune Packpapier wird durch fingerdicke Hanfseile zusammengehalten. Jeweils exakt in der Mitte kreuzen sich die Seile in einem mehrfachen geschlungenem Knoten. Der einzige Unterschied: Auf jedem Paket steht im oberen rechten Quadranten eine andere römische Ziffer. Links die I, in der Mitte die II und rechts ist es die III. Was man nicht sieht - aber unwillkürlich zu wissen meint - ist, dass es sich um drei gleichgroße Bilder handeln müsste, die in Packpapier eingeschlagen und mit Hanfseilen verknoten wurden. Man kann nicht wissen, was da wirklich drin ist. Oder doch? Der Künstler lässt einen über schriftliche Hinweise, die andere für ihn ausformuliert haben, wissen, dass es sich tatsächlich nur um ein Gemälde handelt - und in den anderen Paketen zwei leere Leinwände sind. Zu dritt sind die Pakete trotzdem ein Triptychon, eine klassische Drei-Bilder-Kombi.

Rudolf L. Reiter: Rudolf L. Reiter im Ausstellungsraum im Museum Erding.

Rudolf L. Reiter im Ausstellungsraum im Museum Erding.

(Foto: Stadt Erding)

Der Betrachter ist bereit, das alles zu glauben und nachzuvollziehen. Es gibt ja nicht den geringsten Grund, Rudolf L. Reiter zu misstrauen. Er ist ein anerkannter Künstler und man ist in einem offiziellen öffentlichen Museum. Also muss als sicher gelten: In einem Paket steckt was bereits fertig Gemaltes. Der Besucher erfährt, dass es ein für Rudolf L. Reiter typisches informelles Bild ist. So kann er sich vorstellen, dass es wahrscheinlich kräftige Farbfelder hat, die ineinander verlaufen. In der Broschüre zum Kunstprojekt ist auf einer Seite ein halb ausgepacktes Bild zu sehen. Ob es aber wirklich die bemalte Leinwand ist, erfährt man nicht. Denn: Der Betrachter soll ja "mit der Seele sehen".

Im Haupttext der Broschüre schreibt Christine Fößmeier, "der Künstler ist überzeugt davon, dass sensible Menschen das Kunstwerk von der unbemalten Leinwand unterscheiden können." Heike Kronseder schreibt an einer anderen Stelle, der Betrachter müsse dafür "eine Sensibilität gestatten, die Energieströme und Kraftmomente erkennt". Ministerialdirektor a.D. Josef Erhard formuliert es in Fragen: "Glauben wir an etwas, das wir nicht sehen, fühlen wir künstlerisches Wirken selbst hinter Schleier und Verpackung, sind Vergehen und Sterben reversibel, hängen Vergangenheit und Zukunft zusammen, lässt sich der Augenblick unverlierbar zur Ewigkeit dehnen?" Der Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz teilt mit: "Der Rezipient ist zum Nicht-Sehen aufgefordert, um zu sehen - zu erkennen." Und Landrat Martin Bayerstorfer weiß: "In der Auseinandersetzung zwischen Vollendung und Unendlichkeit, die die Kunstgeschichte durchzieht, finden wir Reiter auf der Seite derer, die dem Unendlichen zugewandt sind und doch der Erde treu geblieben sind."

Rudolf L. Reiter: So oder ähnlich darf man sich die bemalte Leinwand vorstellen. Ein typisches, sehr schönes informelles Bild von Rudolf L. Reiter.

So oder ähnlich darf man sich die bemalte Leinwand vorstellen. Ein typisches, sehr schönes informelles Bild von Rudolf L. Reiter.

(Foto: OH)

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