Rudolf L. Reiter ist tot:Am Ende des Weges

für Nachruf geschwärzt

Rudolf L. Reiter wurde 75 Jahre alt.

(Foto: Renate Schmidt)

Sein Leben lang hat der Erdinger Künstler dem Entstehen und Vergehen nachgespürt

Von Florian Tempel, Erding

Ohne Frage war er der größte lebende Künstler der Stadt. In der Nacht auf Mittwoch ist der Maler, Grafiker, Bildhauer und Aktionskünstler Rudolf L. Reiter zwei Tage nach seinem 75. Geburtstag in Erding verstorben.

Als er im Frühjahr sein letztes großes Werk "Mit der Seele sehen" auf die Reise schickte, ahnte er bereits, dass er die Rückkehr seines geheimnisvollen Triptychons wohl nicht mehr erleben würde. Es ging ihm schon länger gesundheitlich nicht gut. Er redete offen darüber, ohne Angst und Zweifel. Beim Gespräch im Museum Erding war er aber nicht so sehr deshalb melancholisch gestimmt. Es war etwas anderes: Dass der Bundestag kurz zuvor ein Werk von ihm angekauft hatte, war eine späte Anerkennung, die ihm den nahen Abschied von der hiesigen Welt zu bestätigen schien. Sein Bild "Panta rhei", eine 180 mal 120 Zentimeter große Leinwand, die er in seinem für ihn typischen informellen Stil kraftvoll und ausdrucksstark bemalt hatte, war dabei nicht irgendein Bild. Seine lebenslange künstlerische Beschäftigung mit den Themen Metamorphose und Reinkarnation sind Ausdruck dessen, was in der altgriechischen Formel "panta rhei" in mystischer Weise offenbart und nicht leichthin gesagt wird. Dass "alles fließt und nichts bleibt" und die Welt "ein ewiges Werden und Wandeln" ist, wie Platon den Philosophen Heraklit zitiert, war für Rudolf L. Reiter eine zentrale Aussage.

Am 24. Juni 1944 kam er als jüngstes von drei Kindern in Erding auf die Welt. Seine Eltern hatten eine Druckerei und auch er erlernte das Handwerk des Druckers und Schriftsetzers. Er war ein großer Könner und wurde ein gefragter Experte für besondere Druckverfahren. Er war zu Recht stolz darauf, dass er 1977 unter anderem Werke von Joseph Beuys drucktechnisch umsetzte. Zu dieser Zeit hatte er sich freilich selbst schon dazu entschieden, freischaffender Künstler zu sein. Ohne seine Frau Hilde, die ihn auf seinem Weg immer felsenfest unterstützte und managte, hätte er sich leicht verirren können. Gemeinsam trotzen sie allen Anfeindungen und Kritikern, die ihn als künstlerischen Autodidakten gering schätzen. Doch Rudolf L. Reiter blieb unbeirrt, malte informell oder romantisch modern und wagte rätselhafte Landschaftsinstallationen, bei denen er bemalte Leinwände in einem Vulkankrater versenkte, auf offener See in Wasser warf oder in der Erde vergrub.

Seine künstlerische Biografie, ein 300 Seiten umfassendes Buch, das vor eineinhalb Jahren herauskam, trägt den vollkommen treffenden und kraftvollen Titel "Gegen den Strom". Gleich auf der ersten Seite ist ein Gedicht abgedruckt, in dem Rudolf L. Reiter seine Sicht des Werdens und Wandelns ausdrückte und in dem es heißt: "Wenn ich wieder am Anfang des Weges geh, und gestern der Weg zu Ende war."

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