Risikomanagement:Schutz vor Sturzfluten

Die Stadt Dorfen gibt eine detaillierte Analyse der Gefahren bei extremem Starkregen in Auftrag. Bürger und Betriebe werden darauf aufbauend konkrete Vorschläge für Schutzmaßnahmen erhalten

Von Florian Tempel, Dorfen

Auch die Stadt Dorfen wird nun die Auswirkungen von Sturzfluten in ihrem gesamten, 100 Quadratkilometer großen Gebiet untersuchen lassen. Der Umwelt-, Natur- und Klimaausschuss des Stadtrats hat das Ingenieurbüro Spekter aus Herzogenaurach mit der Ausarbeitungen eines Konzepts beauftragt, das den Dorfener Bürgern und Betriebe die individuelle Gefahren bei extremen Starkregen für ihre Immobilien aufzeigt und Schutzmöglichkeiten vorschlägt. Außerdem soll ein lokales Warnsystem aufgebaut werden, dass Hausbesitzer im Notfall schnellstens über eine Mitteilung aufs Smartphone informiert.

Seit 2016 sind alle Kommunen in Bayern aufgefordert, sich um ein Sturzflut-Risikomanagement zu kümmern. Es ist ein relativ neuer Aspekt des Hochwasserschutz, bei dem früher in erster Linie die Gefahr von Überschwemmungen durch Flüsse und Bäche im Mittelpunkt stand. Nach den Erfahrungen der Katastrophe in Simbach 2016 wurde das staatliche Hochwasserschutzprogramm um die Komponente Sturzfluten erweitert. Möglichst jede Kommune soll für ihr Gebiet Untersuchungen in Auftrag geben, die zeigen, wie sich extreme Starkregen bei ihnen auswirken würden. Im Landkreis Erding haben das einige Gemeinden schon getan. Für Dorfen hatte Umweltreferent Gerald Forstmaier (GAL) bereits vor längerer Zeit die Erstellung eines Sturzflut-Risikomanagements beantragt.

Reinhard Brodrecht, der Geschäftsführer der Firma Spekter, erklärte dem Klimaausschuss des Dorfener Stadtrats, wie er und seine Mitarbeiter vorgehen werden. Als erstes werde man sich ein sehr genaues, digitalisiertes Geländemodell des Dorfener Gebiets besorgen. Dieser dreidimensionale Plan sei so detailliert, dass man jeden Quadratmeter einzeln und daraus folgend alles im Zusammenhang betrachten könne. Ein Computerprogramm lässt es dann im zweiten Schritt in unterschiedlicher Intensität virtuell regnen. Als Ergebnisse erhält man für die verschieden starken Regengüsse computergenerierte Karten, die anschaulich aufzeigen, wo sich im Ernstfall Wasser sammelt, aufstaut und entlang fließt. So lassen sich die einzelnen gefährdeten Immobilien sehr genau erkennen. Brodrecht zeigte an einem Beispiel einer bereits gemachten realen Analyse, wie auf diese Weise andernorts gefährdete Betriebe und Wohnhäuser identifiziert werden konnten. Anhand der bereits vorhandenen Daten können später auch relativ leicht für Neubaugebiete Vorausberechnungen erstellt werden.

Nach der grundlegenden Analyse folgen konkrete Vorschläge, wie die bei Sturzfluten bedrohten Gebäude geschützt werden könnten. Dazu reichten oft schon relativ simple Maßnahmen, erklärte Brodrecht: Ein kleiner, einen halben Meter hoher Wall kann ein ganzes Grundstück schützen; ein schnell eingesetztes oder automatisch hochgefahrenes Schott kann eine Tiefagaragenabfahrt effektiv abriegeln; ein kleines Mäuerchen reicht mitunter aus, um eine außen gelegene Kellertreppe vor Wasser zu schützen.

Abschließend wird die Firma Spekter ein lokales Warnsystem einrichten, mit eigenen Sensoren im Gebiet der Stadt Dorfen, die aktuelle Regenmengen messen oder den Pegelstand an Regenrückhaltebecken. Die lokalen Messstellen werden für aussagekräftige Berechnungen mit allgemeinen Wetterdaten und dem bestehenden Hochwasserwarnsystem vernetzt. So ergebe sich zuletzt eine lokal verlässliche Einschätzung der Lage. Im Ernstfall werden Warnungen digital an die Bürger und Betriebe gesendet oder Schutzsysteme sogar automatisch aktiviert.

Der Klimaausschuss gab der Firma Spekter fast einstimmig den 140 000 Euro teuren Auftrag, für den es 75 Prozent staatlichen Zuschuss gibt. Nur Stadtrat Josef Jung (ÜWG), im Hauptberuf Versicherungsmakler, stimmte dagegen. Er war der Auffassung, die Versicherungen hätten bereits ausreichend Daten, es brauche keine spezielle Analyse mehr.

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