Recycling und Verwertung:Viel mehr als einfach nur Abfall

Prezero hat in Eitting eine neue Sortieranlage in Betrieb genommen. 120 000 Tonnen Leichtverpackungen werden dort jährlich aufbereitet. Und es wird am Bewusstsein der ganzen Branche gearbeitet

Von Antonia Steiger, Eitting

Was nach Abfall aussieht, gilt neuerdings als Wertstoff. Folien, Tetrapacks, Aluschnipsel und Plastikdeckel müssen nur gut genug sortiert werden, dann kann alles wiederverwertet werden. In Eitting steht eine nagelneue Anlage im Wert von vierzig Millionen Euro, mit der das Unternehmen Prezero den Umgang mit dem Material auf ein neues Level heben möchte. Damit ist Geld zu verdienen, doch die Sortieranlage soll auch den Weg weisen hin zu einem bewussteren Umgang mit Verpackungen. Dieser Appell gilt weniger dem Bürger, sondern mehr der Industrie. Sie soll damit aufhören, Käse in einer Plastikschale aus sechs Schichten Kunststoff auf den Markt zu bringen. Der Verbraucher darf aber auch helfen. Die wichtigste Bitte: Keine Fehlwürfe im gelben Sack. Socken, Putzlappen und Batterien gehören dort nicht hinein. Textilien sind ärgerlich, Batterien sind gefährlich, weil sie Brände auslösen können.

Wie Abfall richtig entsorgt wird, ist ein Thema, das hingebungsvoll diskutiert wird. Nicht überall, aber im dörflichen Bayern wird diese Auseinandersetzung auf einem hohen Niveau geführt, sagt Stefan Kaiser, Leiter Business Unit Technik LVP bei Prezero. In den gelben Säcken, die auf dem Land eingesammelt werden, finden sich ihm zufolge nur wenig Materialien, die dort nicht hineingehören. In städtischen Gebieten sei das ganz anders.

Das Unternehmen Prezero hat in der vergangenen Woche die neue Sortieranlage in Eitting in Betrieb genommen, die in mancherlei Hinsicht beispielgebend sein soll, in einer Hinsicht ist sie Prezero zufolge in Deutschland sogar einzigartig: Sie trennt die Leichtverpackungsmaterialien nach Farben. Und das ist wichtig. Je weißer das Plastik, desto besser kann es wiederverwertet werden. Je bunter die Verpackung, desto grauer wird das Material, das beim Recycling herauskommt. In Eitting wandert der Verpackungsabfall über kilometerlange Förderbänder, die auf fünf Ebenen durch die Halle laufen. Am Ende kommen LKW-gerechte Ballen heraus, die bis zu 500 Euro pro Tonne wert sind. Von Abfall kann nun wirklich keine Rede mehr sein.

Recycling und Verwertung: In Eitting wurde kürzlich die neue Sortieranlage in Betrieb genommen.

In Eitting wurde kürzlich die neue Sortieranlage in Betrieb genommen.

(Foto: Renate Schmidt)

Früher hat die Firma Wurzer die Plastikabfälle getrennt und zur Weiterverwendung aufbereitet. Bis zu 60 000 Tonnen im Jahr bewältigte das Unternehmen dank der manuellen Arbeit seiner Mitarbeiter. Jetzt braucht es für diese Arbeit nicht mehr viele Mitarbeiter. Ob mit Luft oder Magneten, in einer Trommel oder auf dem Band: Der Verpackungsmüll rauscht durch die Halle, ohne dass ihn jemand anfassen müsste. 120 000 Tonnen Plastikabfall wird jährlich sortiert, dafür sind viele Schritte nötig. Alte Socken und Putzlappen werden herausgefischt. Die leichteren Folien werden herausgeblasen und landen in einem eigenen Kanal. PET-Flaschen und Tetrapacks werden herausgelesen und durchlaufen den Prozess fortan auf je eigenen Förderbändern. Noch im Anlernprozess befindet sich ein Computer, der Silikonkartuschen herausgreifen soll. Bleiben sie auf dem Band, verunreinigt das Restsilikon eine große Menge des Plastikabfalls, sodass dieser nicht mehr verwertbar ist.

Dietmar Böhm, Geschäftsleiter von Prezero, prophezeit, dass sich die Branche umstellen wird. Die Art der Verpackung müsse sich ändern: weniger verschiedene Kunststoffschichten und weniger knallbunte Aufdrucke, nicht noch eine bunte Folie mehr um die Plastikflasche. Das alles werde dazu führen, dass sich das Material leichter sortieren, trennen und wiederverwerten ließe. "Die Regale schauen dann vielleicht nicht mehr so bunt aus", sagte Böhm. Er hält diesen Prozess für unausweichlich, einige Handelsketten würden auch schon umdenken. Prezero als Teil der Schwarz Gruppe, zu der auch die Handelsriesen Lidl und Kaufland gehören, möchte nun sozusagen erst einmal vor der eigenen Haustür kehren: Bei Lidl und Kaufland sollen vermehrt Produkte in den Handel kommen, die recycelfreundlich verpackt werden, so bleibt der Kunststoff im Kreislauf. Kunststoff wiederzuverwerten statt neuen Kunststoff zu produzieren, könne die CO₂-Emissionen wirkungsvoller und schneller senken als die mit viel Skepsis, bisweilen auch mit Unwillen begleiteten Versuche im Verkehrssektor. Der Trend werde anhalten, auch wenn der Ölpreis wieder falle und Kunststoffe wieder billiger produziert werden könnten.

Recycling und Verwertung: Dieter Böhm, Stefan Kaiser und Stephan Garvs (von links) wachen über die Abläufe.

Dieter Böhm, Stefan Kaiser und Stephan Garvs (von links) wachen über die Abläufe.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Anlage in Eitting soll ein Schritt in diese Richtung sein, ein großer und energisch ausgeführter Schritt. Vor einem guten Jahr wurde die Partnerschaft mit Wurzer bekannt gegeben. Das Eittinger Entsorgungsunternehmen stellte Prezero eine Fläche zur Verfügung, auf der die Halle in Windeseile errichtet wurde. Am 18. Juli des vergangenen Jahres fuhr der erste Lastwagen vor, am 12. Januar dieses Jahres liefen die Bänder los. Etwas anderes kam auch gar nicht in Frage. Wie Stephan Garvs, Geschäftsführer Prezero Dual, sagte, musste die Anlage umgehend startbereit sein. Es gibt keinen langsamen Aufwuchs der 120000 Tonnen, die in Eitting sortiert werden sollen. Diese Menge ist von Anfang an eingepreist.

Prezero präsentiert die Anlage als modernste Sortieranlage für Leichtverpackungen in Europa. Zu ihren Spezialitäten gehört die Farbsortierung, zu der auch die Fähigkeit gehört, schwarze Kunststoffe herauszufiltern. Das sei in anderen Anlagen kaum möglich, sagen die Fachleute. Schwarze Kunststoffe werden deswegen oft einfach verbrannt. 37 Infrarotlampen scannen die Verpackungen und erkennen ihre Zusammensetzung. Am Ende ist das Verpackungsmaterial in 18 verschiedenen Fraktionen sortiert. Es wartet in Ballen auf den Abtransport - wie in sechs weiteren Anlagen von Prezero in Europa. Als Teil der Schwarz Gruppe will Prezero den Stoffkreislauf schließen. Das Verpackungsmaterial soll wiederaufbereitet in der Verpackung von Produkten für Kaufland und Lidl landen. Vorausgesetzt der Bürger macht auch ein bisschen mit: Er muss den Deckel vom Joghurtbecher abzupfen.

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