Süddeutsche Zeitung

Razzia gegen "Reichsbürger":Falsche Papiere und wirre Aussagen

Kripo Erding beschlagnahmt Ausweise bei zwei Eittinger "Reichsbürgern" und bezeichnet die Aktion als "absoluten Erfolg".

Von Veronika Wulf, Eitting/Pliening

Als "absoluten Erfolg" bezeichnet die Polizei die groß angelegte Razzia, die am Dienstag unter der Federführung der Kripo Erding in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stattfand. Um 17 Uhr waren die Durchsuchungen in 15 Wohnhäusern und Geschäftsräumen sogenannter Reichsbürger abgeschlossen. Die Beschuldigten, denen unter anderem Urkundenfälschung vorgeworfen wird, "verhielten sich kooperativ", teilt die Polizei mit. In dem durchsuchten Haus in Eitting trafen die Beamten, anders als berichtet, nur eine der zwei gesuchten Personen an, einen 66-Jährigen, der vernommen wurde.

Vier Ordner müssen noch untersucht werden

Eine 56-jährige Beschuldigte, die die Ermittler dort ebenfalls vermutet hatten, wurde nachträglich vorgeladen und am Mittwochmorgen erkennungsdienstlich behandelt und vernommen. Wie das Polizeipräsidium Oberbayern Nord mitteilt, stellte die Kripo in dem Eittinger Haus zwei "Reichsbürgerausweise" sicher, ein Metallschild, das auf den "Bundesstaat Bayern" hinweist, einen "Kriegsgefangenenpost"-Stempel, wie er häufig in der Szene genutzt wird, und vier Ordner, die noch untersucht werden müssen. Die beiden Eittinger schätzt die Polizei nicht als Funktionäre der Vereinigung ein, sondern lediglich als Nutzer der gefälschte Dokumente, was aber auch strafbar ist.

Eine vernommene Plieningerin gilt dagegen als Hauptverdächtige. Im ersten Stock ihres Hauses, das im Zentrum der Ermittlungen steht, fand die Kripo Erding mehrere Dokumente, Urkunden-Formulare, Drucker und Speichermedien. Die 48-Jährige wollte am Dienstagmorgen gerade mit dem Auto wegzufahren, als die Polizei eintraf, sie zurückbrachte und mit ihr das Haus betrat, sagt ein Präsidiumssprecher. Die Spezialeinheit habe nicht eingreifen müssen. Die Frau wurde bis in die späten Abendstunden vernommen. Sie habe bereitwillig ausgesagt, doch da die Aussagen auf "wirren Einschätzungen" beruhten, habe sich die Vernehmung in die Länge gezogen. Ein 50-Jähriger Mann, der ebenfalls in dem Haus festgenommen wurde, verweigerte seine Aussage. Einen weiteren 50-Jährigen, der nicht in dem Haus gemeldet ist, trafen die Beamten bei der Razzia überraschend im Keller an. Die Polizei prüft, ob er gegen das Meldegesetz verstoßen hat.

Verdacht der versuchten Erpressung

Ihre "Staatsangehörigkeitsausweise", "Heimat-" und "Führerscheine" bringen die "Reichsbürger" immer wieder in Konflikt mit dem Gesetz. Ende Januar erst wurde der "Außenminister" des "Bundesstaats Bayern" zu acht Monaten Haft verurteilt, weil er wiederholt ohne Führerschein mit dem Auto unterwegs war. Auf der Internetseite der Vereinigung, der "offiziellen Weltnetzseite des Staatenbundes Deutsches Reich", wie dort in Frakturschrift steht, stehen Muster dieser Dokumente. Die Seite zeigt die krude Ansicht der "Reichsbürger": Ausgehend von der Existenz des "Deutschen Reichs" beziehen sie sich auf die Reichsverfassung von 1871. Das "Deutsche Reichs" gliedern sie in fünf "Bundesstaaten". Die "Zentralverwaltung des Bundesstaats Bayern" befindet sich laut der Internetseite in Pliening.

Sieben Verdächtige, deren Räumlichkeiten am Dienstag durchsucht wurden, stehen zudem wegen versuchter Erpressung und Nötigung im Verdacht. Auf Bußgeld- und Vollstreckungsbescheide der Behörden hätten sie mit "verworrenen Schreiben" geantwortet, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München II. In den seitenlangen Briefen und Faxen forderten sie die Behörden auf zu akzeptieren, dass diese nicht legitimiert seien, das Geld einzutreiben. Sie drohten mit Schadensersatzforderungen in bis zu fünf- oder sechsstelliger Höhe

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SZ vom 09.02.2017
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