Süddeutsche Zeitung

Energieversorgung:Weg von Gas und Öl

Was passiert, wenn Russland den Hahn zudreht? Erst mal nichts, erklärt der Dorfener Stadtwerkechef. Aber die Energiewende müsse mit aller Kraft vorangetrieben werden.

Von Regina Bluhme , Erding

Deutschland ist abhängig von russischem Gas und der Landkreis Erding erst recht. Rund 90 Prozent der Gasversorgung für Bayern und für den Landkreis kommen aus Russland. Was passiert, wenn Präsident Wladimir Putin im weiteren Verlauf der Ukraine-Krise plötzlich den Gashahn zudreht? Ein Anruf zum Stand der Dinge bei Klaus Steiner, Geschäftsführer der Stadtwerke Dorfen GmbH und Vorsitzender des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft.

Deutschland beziehe etwa die Hälfte des Gases von Russland, dass es in Bayern "und 1:1 im Landkreis Erding" 90 Prozent sind, das liegt laut Klaus Steiner an der Lage der Pipelines und den technischen Gegebenheiten. "Anders wäre es technisch nicht darstellbar." Aber was, wenn Putin nun den Gashahn abdreht? Grundsätzlich gibt Klaus Steiner erst mal Entwarnung. Bis jetzt liefere Putin. Auch in schlimmsten Zeiten des Kalten Kriegs sei der Gashahn nicht zugedreht worden. Und selbst wenn: Alle Versorger gingen jetzt davon aus, dass in dieser Heizperiode, die ohnehin bald zu Ende geht, keine Wohnung kalt werde. Zudem gebe es eine gute Gasspeicher-Infrastruktur in Deutschland und ein europäisches Verbundnetz. Sollte es tatsächlich zu einem Engpass kommen, dann müsste als erstes die Industrie ihren Energieverbrauch drosseln. "Die letzten, die abgeschaltet werden, sind Krankenhäuser, Altenheime und Wohnstuben".

Leider haben die gängigen Alternativen alle einen Haken. Sie sind nicht umweltfreundlich: Öl und Kohle sowieso, Gas aus USA werde meist mit dem umstrittenen Frackingverfahren gewonnen, Flüssiggas, das aktuell verstärkt aus USA und Katar komme, müsse via Großtanker herangeschafft werden, Atomenergie aufwändig entsorgt werden.

"Wir haben es uns mit dem russischen Gas bequem gemacht", sagt Klaus Steiner. Aber gemütlich war gestern. Jetzt müsse die Energiewende mit aller Macht vorangetrieben werden. Der für die Erneuerbaren Energien benötigte Ausbau der Infrastruktur sei "der anspruchsvollste seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs". Angefangen von Bürgern, die sich in Genossenschaften zusammentun, bis hin zur Politik, die für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgen müsse, dafür dass Windräder und Photovoltaikanlagen schneller gebaut werden können.

Nach Angaben des Dorfener Stadtwerkechefs haben doch in den letzten Jahren viele Haushalte auf Fernwärme umgestellt. "Ich würde sagen, dass wir mit unserer regenerativen Wärmeversorgung heute bereits 10 Prozent des gesamten Wärmebedarfes in Dorfen abdecken". Der Gasanteil am gesamten Wärmebedarf in Dorfen liege voraussichtlich bei etwas mehr als 30 Prozent, hier habe es in den letzten Jahren nur wenig Zugänge gegeben. Insgesamt werden in Dorfen rund 2100 Häuser und Gewerbebetriebe mit Erdgas versorgt.

Im Landkreis sei schon einiges in Bewegung geraten, sagt Klaus Steiner. Unter anderem verweist er auf das Wärmenetz Dorfen und auf die Genossenschaft Regionalwärme Lengdorf. Auch in Oberding gibt es ein gutes Beispiel: Dort versorgt die ortsansässige Firma Berndt mit ihrer Abwärme circa 210 Privathaushalte und alle öffentlichen Einrichtungen, angefangen vom Schulzentrum übers Rathaus bis zur Feuerwehr. 2010 hat das kommunale Tochterunternehmen Gemo-Bau mit dem Aufbau des Nahwärmenetzes begonnen. 20 Privatleute aus Schwaig sind zuletzt auf die Gemo-Bau zugekommen mit dem Wunsch, im Zuge einer Nachverdichtung angeschlossen zu werden, informiert Gemo-Bau-Geschäftsführer Josef Steinkirchner. Die Anschlüsse sind für 2022 eingeplant.

Auf die Frage, wie es denn mit den Preisen fürs Heizen ausschaut, kommt Klaus Steiner gleich zum Punkt: "Ja, es wird deutlich teurer werden." Verbraucher, Unternehmen und Energieversorger seien in nie dagewesener Weise mit steigenden Preisen an den Energiemärkten konfrontiert. Für Versorger bedeute dies deutliche höhere Kosten beim Einkauf. In den meisten Fällen hätten die Unternehmen aber schon im Voraus einen Großeinkauf getätigt. Deshalb würden die aktuellen Handelspreise noch nicht voll auf den Tarif durchschlagen. Wie sich die Lage weiter entwickelt und wie hoch künftig die Steigerung sein werde, könne er derzeit nicht beziffern, erklärt Klaus Steiner. Aber er gehe davon aus, dass es sich "im einigermaßen erträglichen Rahmen" hält.

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