Prozess um Notzinger Doppelmord:"Ich habe ihn noch nie gemocht"

Prozess wegen Doppelmord in Notzing

Der Angeklagte beim Prozessauftakt in Landshut. Er soll die Eltern seiner Ex-Freundin getötet haben.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Er war der Erste am Tatort und alarmierte die Polizei: Der Sohn des getöteten Ehepaars in Notzing hat nun vor Gericht ausgesagt. Den Täter, den Ex-Freund seiner Schwester, nennt er nur "den Deppen".

Von Florian Tempel, Landshut

Er ist der mutmaßliche Mörder seiner Mutter und seines Vaters. Doch der Sohn der Ermordeten hat für Christoph W. nur einen Namen. Er nennt den 22-jährigen Ex-Freund seiner Schwester, der ihre Eltern heimtückisch und brutal mit Messerstichen und Axthieben niedergemetzelt haben soll nur "den Deppen". Das war er für ihn schon immer. "Ich habe ihn noch nie gemocht", sagt der 29-Jährige, "er war mir immer unsympathisch, von Anfang an."

Der Sohn war der Erste am Tatort, zwei Tage nach den Morden am Freitag, 30. März 2012. Das ganze Wochenende über hat der Sohn vergeblich versucht, seine Eltern telefonisch zu erreichen. Sein Vater wollte am Samstag zu ihm kommen. Der Sohn ruft auf dem Festanschluss an, probiert es auf den Handys seiner Eltern.

Irgendwann hat er seine elf Jahre jüngere Schwester am Apparat. Die sagt ihm, die Eltern machten einen Ausflug. "Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht." Als er am Sonntag immer noch nichts von seinen Eltern gehört hat, beginnt er sich Sorgen zu machen. "Gegen 20 Uhr habe ich mir gedacht, jetzt schaust du mal vorbei."

Seine Schwester steht mit Christoph W. vor dem Haus. "Ich habe mich gewundert, was der schon wieder da tut." Seine Schwester hat sich doch zwei Wochen zuvor von ihm getrennt. Er erinnert sich, wie sie ihm und seiner Mutter damals freudestrahlend gesagt hat, "ratet mal, wen es nicht mehr gibt". Alle seien erleichtert gewesen, dass sie nach zwei Jahren mit "dem Deppen" endlich Schluss gemacht hat. Nun ist er wieder da. Aber wo sind die Eltern?

Beide sagen, sie seien spazieren. Der Sohn geht ins Haus. Es ist unordentlich, Essenreste liegen auf dem Tisch. "Das hätte meine Mutter nie zugelassen." Als er im Treppenhaus Blutspritzer an den Wänden sieht, fragt er sich, "ist doch was passiert, sind die Eltern im Krankenhaus?" Damit er mit seiner Schwester reden kann, muss er Christoph W. rausschicken.

Während der auf der Terrasse raucht, bricht seine Schwester in Tränen aus und berichtet, Christoph W. habe die Eltern am Freitag getötet. Als sie ahnungslos nach der Arbeit nach Hause kam, habe er sie bedroht und gezwungen, ihm beim Vertuschen der Morde zu helfen. Die Leichen liegen im Garten, verscharrt in einem Blumenbeet. Christoph W. ruft von der Terrasse aus nach ihr. Sie will zu ihm hingehen, ihr Bruder hält sie zurück, "bleib sitzen". Dann ruft er die Polizei. Christoph W. haut ab und stellt sich wenig später in Erding.

Seit einem Dreivierteljahr wohnt seine Schwester bei ihm in Hallbergmoos. Die Vorsitzende Richterin will wissen, ob die beiden über die Tat gesprochen haben. "Nein", sagte der Bruder, "wenn ich ehrlich bin, will ich das alles gar nicht genau wissen." Er habe sie aber einmal gefragt, "warum warst du überhaupt mit dem Deppen zusammen". Sie habe geantwortet, "das frage ich mich auch".

Der Freisinger Jugendrichter, der sie im Dezember wegen versuchter Strafvereitelung verurteilt hat, kennt auch Christoph W. Er stand 2011 bei ihm vor Gericht, weil er seine eigene Schwester zweimal übel verprügelt hat. Der Jugendrichter erinnert sich, dass die Schwester von Christoph W. ungewöhnlich große Angst vor ihm hatte. Er hat ihn zu Sozialstunden und einem Antiaggressionstraining verurteilt. Als er aber Monate später hörte, er stehe unter Mordverdacht, "habe ich mir Gedanken über die Sinnhaftigkeit eines Antiaggressionstrainings gemacht".

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